Dienstag, November 28

Neska Lagun - Schon/Erst



Neue Band, taufrisches Debüt - dabei sind sowohl Musiker als auch Release schon weit über das ein-jährige Jubiläum hinaus.  
Neska Lagun, was aus dem Baskischen übersetzt Freundin bedeutet, haben zwar erst kürzlich ihre EP "Schon/Erst" mit Hilfe von Rauschemusik/Ruffmo Records als schicke 12"-Vinyl in drei verschiedenen Farbvarianten veröffentlicht, als digitales Release gibt es die 4-Song-EP aber bereits seit August 2016. Damals agierten die vier Berliner noch als Grav Zahl (nicht zu verwechseln mit dieser blutdurstigen Puppe), ehe Mitte Juli diesen Jahres dann die Namensänderung verkündet und diese mit neuen Träumen und Plänen begründet wurde. Und so ist "Schon/Erst" sowohl der wehmütige Blick zurück, als auch die besorgniserregende Sicht auf die Gegenwart und ebenso die kleine Hoffnung für die Zukunft; ein Abschied und ein Neuanfang. Dass sich die Songs in mehreren Sprachen (französisch, deutsch/englisch, deutsch, spanisch) zeigen, kann sicherlich auch am internationalen Charakter unserer Hauptstadt liegen. Ohnehin könnte man den roh-scheppernden und analogen Screamo von Neska-Lagun auch in Spanien oder der italienischen Provinz verorten. Mäandernde und teils plänkelnde, aber auch aufgeregte Gitarren, rudimentäre Basslinien, blechernd-manisches Schlagwerk und rauhes Geschreie, das mehr einem Flehen gleicht. "Mensch", der längste und vielleicht eingängigste Song der EP, bleibt unter der experimentellen DIY-Haube wohl noch am ehesten hängen. Dennoch: tolles Quasi-Debüt.

Band: Neska Lagun (ex-Grav Zahl)

Titel/Release: Schon/Erst/EP (100x Yellow+100x Magenta+100x Black 12" Vinyl, Digital)

Label: Ruffmorecords

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Screamo, Post-Hardcore, Punk

FFO: This Too Will Pass, Todlowski, sur l'eau

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Samstag, November 25

Platte des Monats 11/2017: Danny Trejo - Another Trejo's Night



Danny Trejo, the BAND, kamen bei uns schonmal vor exakt drei Jahren mit ihrer Debüt-EP zur Ansprache. Damals allerdings nur im kleinen Rahmen unserer "Hollywood Trash"-Reihe und somit auch leider bloß viel zu oberflächlich. Denn kurze Zeit später legten die sechs italienischen, neu rekrutierten Hardcore/Punk/Ska-Veteranen (u. A. aus Kombos wie Los Fastidios, Tears/Before, Slander, uvm.) mit "Human Extinction" auch ihren ersten Longplayer nach, der mich dermaßen in Ekstase versetzte, dass ich nicht einmal Zeit dafür aufbringen konnte darüber zu schreiben. Die Scheibe rotiert zwar noch immer in regelmäßigen Abständen über meinen Plattenteller, mittlerweile würde ich aber behaupten, bin ich über dieses pubertäre Groupie-Verhalten hinweg gekommen. Und was machen Danny Trejo? Na klar, hauen vollkommen unvermittelt ein neues Album raus, das den Vorgänger in puncto Groove sogar noch übertroffen hat. Ich drehe noch durch!
Aber mal ganz von vorne: Danny Trejo sind altgediente Punks aus Venedig, die in der regionalen und internationalen Szene schon weit rum gekommen sind. Vielleicht auch deshalb haben sie einen etwas nüchterneren Blick auf die aktuellen Geschehnisse, denen sie mit viel Ironie und Galgenhumor entgegnen. Das ändert natürlich nichts an der Sache an sich, denn grundsätzlich läuft auch ihr drittes Album "Another Trejo's Night" unter dem Banner Hardcore-Punk, nur, dass die zwölf kurzen Nummern mit reichlich Speed über die Bühne gebracht werden und eine süchtig machende, rockige Note verleiht bekommen. Fast schon wie die Glam-Rocker unter den Fastcorelern, führen Danny Trejo ihre Songs aus die feuchten Katakomben und hinauf auf die Festival-Bühnen. Das ist natürlich immer noch weit genug weg von der punk-verhassten Stadiontauglichkeit. Zum Glück! Parallelen zu The Casualties (nur mit cooleren Crew-Shouts anstelle der nervigen Aah- und Ooh-Chöre) und Kvelertak (nicht ganz so metallisch) könnten sich aber durchaus noch erahnen lassen.
Angeführt von Krachern wie "Forced Evolution" (knallt mich mindestens genauso an die Wand wie "Memories vs. Goals" vom Vorgänger), "Gold Digger", "Nothing To Live For" und das ebenfalls steil gehende "Nuclear Holocaust", haben Danny Trejo mit ihrem dritten Release noch mal eine Schippe Dynamik, Melodie und vor allem Groove drauf gelegt.


Band: Danny Trejo

Titel/Release: Another Trejo's Night/Album

Label: Mustard Mustache (100x Pro-Tape, Digital), Indelirium Records (CD, Digital)

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Hardcore-Punk, Fastcore

FFO: La Crisi, Youth Avoiders, Clowns

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Mittwoch, November 22

ZilpZalp - ...auf den Versen



Sucht mensch im Internet nach dem Namen Zilpzalp, muss er/sie nicht zwangsläufig über den musikalischen Dortmunder Vierer ZilpZalp stolpern. Wahrscheinlicher ist es, auf irgendeinen Naturbericht oder Lexikoneintrag zu einem niedlichen, kleinen und singenden gefiederten Freund zu stoßen. Ich will mich jetzt aber auch gar nicht weiter auf einen Vergleich zwischen Mensch und Tier einlassen, denn das einzige verträumte Stück auf ZilpZalp's Debüt-Album "...auf den Versen" ist das instrumentale Intro "Wohin ohne Ausblick", auch, wenn einige Klagelieder sicherlich auch stellvertretend für beide Seiten stehen könnten. Von lieblichen Vogelsang ist der Frontmann der Ruhrpott-Band jedenfalls weit entfernt. Zu aufgeregt, zu erschöpfend und viel zu wütend kracht der flehende Schreigesang über die restlichen acht Stücke herein und zerkratzt die ohnehin schon aufgewühlten Oberflächen-Strukturen. Auf "...auf den Versen" brodelt es gewaltig. Das zwischen schrammeliger Wucht und Harmonie pendelnde "Aus meinem Glashaus komm' ich nur mit Steinen" zeigt vor allem lyrisch, wie schnell Verzweiflung zu purem Hass umschlagen kann, wenn einem/einer der Verdacht heimsucht nicht gehört zu werden. Aber Hass ist immerhin noch ein Gefühl, dass einem am Leben erhält, zum Kämpfen ermutigt und vielleicht auch ein Stück weit mit Hoffnung nährt, und somit nicht vollkommen der Resignation ausliefert, wie es zuvor in "M & Y" noch der Fall war. ZilpZalp's Songs malen ohne Zweifel graue Wände, reden nichts schön, wo es nichts schönzureden gibt. Dennoch ist "...auf den Versen" auch eine kleine Wundertüte voll poetischer Tristesse, spannenden Kurzgeschichten über Hoffnungslosigkeit und (Un-)Moral und vor allem vielen musikalischen Wendungen, ohne dabei in die Willkürlichkeit abzudriften oder den eigenen Rahmen zu sprengen.

Band: ZilpZalp

Titel/Release: ...auf den Versen/Album (300x White Vinyl, Digital)

Label: Tanz auf Ruinen, Zilpzalp Records, Trace in Maze Records

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Progressive Screamo, Emo, Punk

FFO: JTZT, Reznik Syndrom, Hausrotschwanz

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Sonntag, November 19

I Recover - Searching For You EP



Das Kölner Quartett I Recover legt knapp anderthalb Jahre nach ihrem EP-Debüt einen zweiten Kurzspieler nach. Auf dem Programmzettel der Band um ehemaliger Mitglieder von Bands wie Schmutzstaffel, Kumulus, Blank, Punch und Zosch, steht abermals emotionsgeladener und DC-tauglicher Hardcore-Punk, der nach vier Songs und etwas mehr als acht Minuten aber auch leider wieder viel zu schnell vorbei ist. Jeder Song macht enorm viel Spaß und dürfte vor allem jung gebliebenen Dischord-Veteranen mindestens anderthalb Ohren abverlangen können. Die Gitarre locker in der Hüfte platziert, das Schlagzeug ordentlich scheppernd und der Gesang schön rauh. Alles herrlich analog knarzend. Der Opener "Ghosting" kommt gar dermaßen frivol aus den Startlöchern, dass er schon fast im ausgelassenen Garage mündet, wohingegen das folgende "Kiss the Floor" mit verzerrt-leiernder Gitarre einen nostalgischen End-80er-Flashback aufkeimen lässt.
Tolles Ding, kommt zudem als pechschwarze 7" im aufklappbaren Hardcore-Blümchenmuster, dass von einem Obi-Strip zusammen gehalten wird, u. A. über Dingleberry und Pifia Records.

Band: I Recover

Titel/Release: Searching For You/EP (Black 7inch, Digital)

Label: Dingleberry Records, Pifia Records, Boslevan Records, Cosmic Note

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Hardcore, Emo, Punk

FFO: Minor Threat, Fugazi, Rites Of Spring

Links: Facebook\\//Bandcamp




DL "Searching For You"

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Donnerstag, November 16

20 Liter Yoghurt - L'Art D'Oublier



Nun ist es wohl amtlich. Auch auf ihrem vierten selbstproduzierten Release bleiben 20 Liter Yoghurt ihrem apuristischen Stil treu und toben sich irgendwo zwischen Melodic Hardcore, Hardcore-Punk, old-schooligem Emocore und einigen Post-Auflügen, aus. Das klingt zwar nicht mehr so zerfahren wie auf ihren ersten zwei digitalen Demo-Releases "Heartcore" und "Demo 2015", die mittlerweile von ihrer Bandcamp-Seite verschwunden sind, und auch hinsichtlich der Produktion haben die vier Grimmaer einige Erfahrungspunkte hinzu gewonnen, obwohl natürlich immer noch nicht alles ganz rund klingt. Soll es womöglich aber auch nicht, denn ein tief verwurzelter D.I.Y.-Spirit ist der jungen Band ebenso anzuhören, wie ihre Freude am Experiment.
"L'Art d'Oublier", das wie schon der Vorgänger als selbstgestaltete Digifile-CD im Eigenvertrieb erscheint, ist trotz dieser Einflüsse kein halsbrecherischer Spießrutenlauf durch die Genres geworden, sondern entpuppt sich als bislang homogenstes Werk des Quartetts. Der Opener "Burn" hält die Affinität der Band zu ihrem kontrastreichen Sound zwischen tollen Melodien und hartem Riffing noch etwas unter einem düster-wütenden Mantel verborgen. Doch spätestens mit "Ghost" kehren nicht nur die cleanen Gesangspassagen in den Songs ein, sondern vor allem auch mehr Helligkeit. Natürlich gibt es hier nichts schönzureden. Für schönere Melodien sorgt es allemal.

Band: 20 Liter Yoghurt

Titel/Release: L'Art D'Oublier/EP (500x Digifile-CD, Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Melodic Hardcore, Hardcore-Punk

FFO: Ashes Of Pomopeii, Loose Suspense,

Links:  Facebook\\//Bandcamp\\//Youtube
 


DL "L'Art d'Oublier"

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Sonntag, November 12

Les Trucs - Manchmal sind welche nackt



Kurzinfo:


Band: Les Trucs

Titel/Release: Manchmal sind welche nackt/EP (30x Tape w/ acrylic sausage; Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Electro, Experimental, Art-Pop, Theater, Ambient

FFO: Zan-zan-zawa-veia, Bubblyfish, STU

Links: Bandpage\\//Facebook\\//Soundcloud\\//Myspace



Ja, es existiert noch, dieses selbsternannte 2-Mensch-Ding-Orchester um ex-Antitainer Tobi Piel und Charlotte Simon (u. A. Droll Academy & The Latah Movement). Vier Jahre nach ihrer selbst-betitelten EP senden Les Trucs mal wieder völlig aus dem Kalten und ohne viel Promotion ein musikalisches Lebenszeichen ab. "Manchmal sind welche nackt" lautet der banale wie schwer widerlegbare Titel der 2-Track-EP, die mindestens genauso kunstvoll wie ihre Musik, als schlicht-labelloses, rotbraunes und handnummeriertes Tape mit Acryl-Wurst daher kommt. Diesmal in Eigenregie und wohl auch mehr als Gestus gedacht, um die Wartezeit auf ihr drittes, für das nächste Jahr angekündigte (!!!!) Album zu überbrücken.
Die zwei Songs entstanden im Studio während der Vorbereitungen zu ihrer Musical-Performance im Art Rotterdam, Februar 2017, der auch andere Künstler wie Anna Hjalmarsson (Herpes) und Anne-Louise Hoffmann (Rubbert Twist) beiwohnten. Daher gestalten sich diese auch wesentlich avantgardistischer, als das auf ihren bisherigen Veröffentlichungen der Fall war. "It's The Fascia...." bleibt mit seinem vokalen Mittelpart wohl noch am ehesten im Gedächtnis hängen, als die restlichen, stoisch zusammen gebasteltete acht Minuten Ambient.
Für mich zwar nicht gerade ein Highlight-Release der beiden Electro-Freigeister, was vielleicht aber auch daran liegt, dass es für eine Live-Performance konzipiert wurde. Für hartgesottene Fans natürlich ein Pflichtkauf, is klar, ne?!

Stream & Buy "Manchmal sind welche nackt"

Donnerstag, November 9

Video Kills The Radio Star Vol.5

Rolo Tomassi



Rolo Tomassi gehören wohl zweifelsohne zu den Bands, denen mensch gar nicht böse sein kann wegen der vielen experimentellen Ausflüge in benachbarte Genres. Im Falle der englischen Band ist es ohnehin erstmal schwierig, ein passendes Hauptgenre zu definieren. Progressive-Core, Jazzcore und Mathcore - so ganz einig oder sicher scheinen sich die globalen Journalisten da nicht zu sein. Dabei verläuft der Trend von Rolo Tomassi seit ihrem letzten Album "Grievances" sogar etwas gegenläufig, nämlich hin zu "normaleren" Strukturen, was auch nicht unbedeutend daran liegt, dass Frontfrau Eva Spence ihre zarte Stimme entdeckt hat. "Rituals" ist glücklicher Weise weit entfernt von einem harmonischen Reigen wie "Opalescent", passt sich dennoch am ehesten der düsteren Grundstimmung ihres letzten Albums an und überzeugt abermals durch ein melancholisch-atmosphärisches Keyboardspiel. Und Eva? Die zeigt eindrucksvoll, dass ihr rauhes Kehlchen noch immer hervorragend zu Double-Bass-Attacken funktioniert. Größtenteils...




A Perfect Circle
 

Dass ein neues Tool-Album immer unwahrscheinlicher wird, zeigt vor allem die noch wesentlich unwahrscheinlichere Tatsache, dass Maynard James Keenan mit seiner Zweit-Band A Perfect Circle dreizehn Jahre nach "eMOTIVE" einen neuen Song veröffentlicht hat. Ja gut, dazwischen kam "By And Down" und live tauchte auch der eine oder andere unbekannte Song auf. Aber so richtig auf dem Schirm hatte mensch das amerikanische Quartett nicht mehr. Umso kalter erwischt einen "The Doomed", der seinen Namen im Rahmen der bandeigenen Philosophie alle Ehre macht. Kein Doom-Rock, dafür ein kalter Schocker mit einer schaurig-schönen Melodie. Ein Song, der sich auf Anhieb in meiner Best-Of der Band katapultiert hat. Vielleicht kommt da ja noch was....



Specht Ruprecht


2012 debütierte das Erfurter Quartett mit ihrem Album "Kaisers neue Kleider". Danach kleine Konzerte in unregelmäßigen Abständen, ehe ab Juli diesen Jahres die heiße Promo-Phase für den Zweitling "Jubel Trubel Halbwahrheit" begann. Dazu gehört auch "Quader", der wohl heißeste Album-Anheizer dieser heißen Boys. Ein behutsam aufbauendes Intro, gefolgt von Crossover-Rap und einem nicht weniger old-schooligem Schlachtruf-Refrain, natürlich einem Schlager-tauglichem Gitarren-Solo und einem Schlusspart, der nochmal so richtig - na klar - anheizt. Geiler Song, und ich verspreche euch, es soll nicht der Einzige des Albums bleiben.




Cortarmao


Den Thüringener Vierer Cortarmao hatten wir hier bereits mit ihrem verheißungsvollen Demo besprochen, das vor allem Mathcore-Begeisterte um Bands wie The Dillinger Escape Plan & Co. zu beglücken wusste. Für dieses Jahr war nun auch der erste Longplayer avisiert, dessen Vinyl-Release die Vorbesteller jedoch etwas auf die Probe stellte - ohne dem Eigenverschulden der Band. Egal, Download und CD gab es pünktlich und noch pünktlicher den Vorreiter "Decoder". Der liefert ohne Abstriche ab, was der/die geneigte Hörer_in von einem ordentlichen Mathcore-Album erwartet: etwas verstörende Atmosphäre, markerschütterndes Gegrowle und psychotisches Gekeife, sprunghafte Rhythmen und die eine oder andere melodische Nuance, da mensch ja schließlich nicht vollkommen abgestumpft ist.




Funeral For A Friend



Zugegeben, es ist wohl vergleichsweise ein geringer Aufwand für eine gemeinsame Split-EP, lediglich den Anderen zu covern. So geschehen auf der Split-7" von Boysetsfire und Funeral For A Friend, die wohl aus einer jahre-langen Freundschaft beider Bands resultiert. Hat sich die legendäre Post-Hardcore-Vorreiterband wenigstens noch einen weitgehendst unbekannten Song aus der Anfangsära ihrer Kollegen heraus gepickt, haben es sich die fünf Jungs aus Bridgend da schon wesentlich einfacher gemacht und den wohl größten Hit ihrer Split-Partner gwählt - "Rookie". Letztendlich bleiben FFAF mit ihrer Interpretation so ziemlich 1:1 beim Original. Klar, "Rookie" kann Band eigentlich auch bloß Kaputtspielen, als ernsthaft verbessern.



 

Mittwoch, November 8

Frau Mansmann - Menstruation in Stereo



Kurzinfo:
Ich glaube ja fast schon, es ist Provokation, dass sich Frau Mansmann bescheuerte Albumtitel ausdenken. In diesem Fall ist er faktisch schlicht falsch, denn der Ohrenschmaus ist einfach so pornös, dass an Blut in den Ohren nicht zu denken ist. Ganz bestimmt wollte die Kreuzberger Truppe einfach nochmal an Bio-Bananen sind von glücklichen Affen zurück erinnern. Das Punkrock-Debut der Band hinterließ nämlich vor 5 Jahren bei mir leider nur einen ermüdenden Eindruck. Zu gewollt witzig, lahme Melodien, 08/15 Funpunk eben. Zum Glück jedoch habe ich kürzlich eher zufällig die Band mal live gesehen und fand die auf einmal richtig gut. In den letzten Jahren haben Sie zusammen mit Uwe Stahl (Chefdenker) stark an ihrem Sound und dem Auftritt gefeilt, sodass ein starkes Punkrockalbum entstand. Der Sound erinnert diesmal sehr an Punkrock der 90er und mischt irgendwo zwischen Knochenfabrik und Pöbel und Gesocks mit. Nicht nur, weil auf Panik vor der Umweltzone Claus Lüer seine Stimme zum Besten gibt. Die Texte sind im Vergleich zum Debut viel gehaltvoller und ernster, oft aber auch mit (Selbst-)Ironie gefüllt. So kann man beispielsweise nicht nur bei 30 Jahre bei schmissigen Akkorden über's Älterwerden lachen, sondern muss beim kapitalismuskritischen Nur Geld auch zugeben, dass wir den Dreck für Alkohol und Kippen brauchen. Das klingt alles trotz des dreckigen Punksounds extrem erwachsen und macht Bock auf mehr. Um nicht zu sagen: Da kann der Pogo bei Pöbelei und Widerstand kommen. Schlagzeugerin Emilie schnappt sich einfach das Mikro und grölt in wilder Slime-Manier die wichtigste Parole raus: ›› Bullen sind scheiße – alle raus! Nazis scheiße – alle raus! ‹‹
Für meine Begriffe fehlt es der Band an nichts außer an noch mehr solcher Songs. Ich sage: Chapeau!



Band: Frau Mansmann

Titel/Release: Menstruation in Stereo

Label: Bakraufarfita Records

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Punk verdammt

FFO: Chefdenker/Knochenfabrik/Pöbel und Gesocks/Slime

Links: Facebook\\//Bakraufarfita

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Montag, November 6

Gesplittet, Teil 14

Ancst & King Apathy - Split-EP



Auf der einen Seite Ancst, DIE Berliner Black-Metal-Institution schlechthin, der es wohl keiner weiteren Erläuterungen bedarf - und auf der Anderen King ... wer? Apathy! Alte Hasen im neuen Gewand, wenn mensch so will, denn im Zuge ihres 10-jährigen Jubiläums dachten sich die fünf ehemaligen Thränenkinder, sei es genau die richtige Zeit für einen Namenswechsel. Und der lautet passender Weise genauso wie der Titel ihres letzten Albums "King Apathy".
Beide Bands steuern der Split jeweils zwei Songs bei, wovon der jeweils letzte ein Cover der anderen Band ist. Das führt vor allem auf der A(ncst)-Seite zu einem schizophrenen Umbruch. Verweilt der Opener "Gehenna Of Fire" noch recht ausdauernd in atmosphärischen Gefilden, ehe es mit manischen Double-Bass-Attacken wieder etwas amtlicher wird. So ungern ich es auch schreibe, aber mit dem folgenden "King Apathy" gibt es seit langem mal wieder einen Song in der Rubrik Cover schlägt Original, denn vor allem die düstere und rasende Wucht verleiht dem eigentlichen Post-Metal-Song eine unglaubliche Dynamik.
Fast schon angenehm poppig (Blasphemie!!) leiten die zuvor bereits oft erwähnten King Apathy mit "Disguise" die B-Seite ein, ein Song, der zwischen Härte, Melancholie und heroischen bis theatralischen Melodien ein breites Spannungsfeld aufbaut. Ein Konzept, das Frontmann Nathanael auch schon mit Heretoir, eine seiner Nebenbands, mit viel Wiedererkennungswert meisterlich umsetzt. Als Ancst-Cover haben sich die fünf Bayern "Entropie" von der 2013er EP "The Human Condition" (später auf der "Turmoil" wiederveröffentlicht) ausgesucht. Ein Stück, das im Original mit einem fast schon bedächtig jazzigen Mittelpart überraschte und somit auch nicht gerade stellvertretend für den sonst eher kompromisslosen Blackened Crust der Band stand. Vielleicht war ja aber auch genau das der Grund für die Wahl des Stückes, denn so ganz genau mit den Genre-Grenzen nehmen es Thrä...ähm...King Apathy schließlich auch nicht. Und so zerrt das Quintett den Song auf über sieben Minuten, deren größte Mutation vor dem Geplänkel stattfindet.
Die Ausnahme-Split kommt in fünf verschiedenen Farbvarianten, u. A. über Alerta Antifascista Records.

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Duct Hearts & The Discord of a Forgetten Sketch - Split-EP


Gerade mal vier Monate ist es her, als Duct Hearts mit "Feathers" ihr erstes Album veröffentlichten. Ein atmosphärisches wie emotionales und zugleich wüstes wie zerbrechliches Stück Post-Rock hat die Band des ehemaligen Wishes On A Plane-Sängers und time as a color-Chefs Daniel Becker darauf konzeptionell ineinander verflochten. Und entweder ist im Studio noch ein verschollener Non-Album-Track aufgetaucht oder die Band hat gerade einen unaufhaltsamen Kreativfluss, denn für ihre kürzlich erschienene Split-EP mit TDOAFS hat die Band noch einen weiteren Hit aus dem Ärmel geschüttelt. "Enduring War" reicht für die B-Seite der ökonomischen 6" auch vollkommen aus. Der Song plänkelt intro-mäßig ein, türmt sich im Hauptteil mit erschöpfenden Gesang auf und plänkelt bedächtig wieder aus. Am besten gleich nach dem Album hören.
Fans des kanadischen Trios The Discord Of A Forgotten Sketch hingegen müssen auch elf Jahre nach dem selbstbenannten Debüt-Album noch weiterhin auf das zweite Album ihrer Lieblings-Mathcoreler warten. Stattdessen gibt's das fünfte Split-Release, das mit einem Song bislang am spärlichsten ausgefallen ist. Macht nichts, denn auch TDOAFS bleiben mit "Kids" vor allem sich selbst treu und klingen mit ihrem analog rohen aber leidenschaftlichen Skramz so herrlich aus der Zeit gefallen. Tolles Pendant zum moderneren Sound der Süd-Münchener, tolle Split.

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DL Split-EP

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Radio Havanna & Marathonmann - Pro Asyl Benefiz Split-EP


Melodischer Punkrock meets Post-Hardcore - kann das gut gehen? Klar! Vor allem, wenn es um eine gemeinsame gute Sache geht, immerhin sollte Musik genauso wenig wie der Mensch an sich keine Grenzen kennen. Im Zuge des anhaltenden Rechtsrucks und der immer noch desaströsen Flüchtlingssituation Hierzulande haben sich Radio Havanna und Marathonmann dazu entschlossen, eine Benifiz-Split-EP aufzunehmen, deren Erlös zu 100% der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl zu Gute kommt. Und hört mensch sich die insgesamt vier Songs an, die sich gerecht auf beide Bands und 7"-Seiten verteilen, liegen sie musikalisch ja auch gar nicht mehr so weit auseinander.
Die vier Berliner um Sänger Fichte liefern mit dem orgelnden "Fresst oder sterbt" und "Die Fahne weht" zwei Ohrwürmer in gewohnter Manier ab, mit der sie abermals die Nähe zu Punkgrößen des Radioformates suchen, dabei aber stets authentisch bleiben und somit das Ziel der Split nicht aus den Augen verlieren.
Der Münchener Vierer Marathonmann indes schiebt sich immer mehr aus dem Schatten der großen Turbostaat, hin ins Fahrwasser der noch größeren Donots. Von Post-Hardcore haben "Grabeschwer" und "Dachma" allerhöchstens mal gelesen. Die Songs passen zwar immer noch nicht so ganz in den Supermix von 94,3 rs2, allerdings sind sie auch nicht mehr zwangsläufig einer 12:00-Uhr-Highfield-Band zuzutrauen, wo ich sie schließlich vor einigen Jahren noch das erste Mal live erleben dürfte. Im Ganzen ist das hier aber schon 'ne ziemlich geile Scheibe.

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Stream "Fresst oder sterbt" & "Die Fahne weht"

Stream "Grabeschwer" & "Dachma"

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Girlie & Pigeon - Split-LP


Wenn die beiden Berliner Independent-Labels Späti Palace und Flennen gemeinsam an einem Release beteiligt sind, dann dürfte der geneigte Hörer eigentlich schon erahnen, wohin die Reise in etwa gehen wird - nämlich irgendwohin zwischen Noise Rock und Indie-Pop. Passen ja schließlich auch so gut zusammen, diese zwei benachbarten Genres.
Pigeon steuern der Split drei Songs und knapp 13 Minuten Spielzeit bei. Die Band um Tausendsassa und Multiinstrumentalist Denes Bieberich (u. A. Ich, Alexander; Zelf; Molde) verknüpft abermals Post-Punk mit Dream-Pop-Elementen und scheppernden Noise Rock, der trotz aller überladenden Elemente niemals den Freifahrtschein für's totale Durcheinander erhält. Während "Bird Migration" und das monotone "Skids" schon etwas mehr aufgeschlossene Hingabe einfordern, liebäugelt "Douglas" keck mit verflossenem Garage.
Für die ebenfalls aus Berlin stammenden Girlie - übrigens bestehend aus drei Kerlen und somit vom Namen her mindestens genauso irreführend wie die kanadische Band Women - ist die Split das zweite physikalische Release nach ihrem 2015er Tape-Release. Der A-Seite steuert das Trio ebenfalls drei Songs  und knapp 14 Minuten bei, wovon die Hälfte allein der Opener "Terms & Conditions" für sich beansprucht. Ein sich bedächtig steigernder Song, der die anfängliche Melancholie erst im Schluszspurt mit viel schrammeliger Wucht zerschlägt. "Girlie Youth" wohnt da schon etwas mehr Single-Charakter inne, obwohl sich natürlich auch hier verzerrte Gitarren gegen den totalen Schönklang wehren. Erinnert in dieser Mixtur stark an Cloud Nothings, nur mit einem Schuss mehr Willkür.
Alles in Allem eine Split unter dem Motto Gesucht und gefunden.

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Freitag, November 3

NŌSIYAH - Schemes EP



Wer die vier Musiker aus dem Sauerland bisher noch nicht auf dem Schirm hatte, dem konnte ihre letztjährig erschienene Debüt-EP "Schemes" wahrscheinlich schon ziemlich kalt erwischen - oder man hat halt überhaupt keine Kenntnis von ihr genommen. Anders zumindest kann ich es mir immer noch nicht erklären, warum es bei der Vorabinteressenabfrage der Band so wenig Vinyl-Begeisterte gab. So ist "Schemes" vorerst "nur" als CD + DLC (derzeit für günstige 3,- EUR) erhältlich.
Vielleicht haben wir hier bei Gerda aber auch einfach bloß einen zu voreingenommenen Blick auf die Band, denn immerhin waren 3/4tel von ihr bereits mit A Tired Day's Night, eine nicht weniger fordernde aber mindestens genauso ansteckende Alternative-Shoegaze-Truppe, auf unseren Blog-Seiten vertreten.
Mit NŌSIYAH verschlägt es die Jungs aus Meschede nun in die Post-Hardcore-Ecke. Neu mit dabei ist Schlagzeuger Robin von den befreundeten und -heimateten Kollegen A Second Glance, dem die jahre-lange Metalcore-Erfahrung in den wuchtigen Schlagattacken durchaus anzuhören ist. Souveräne Rückendeckung also. Ansonsten bleiben die Jungs auch mit ihrem neuen Bandprojekt ein Haufen unberechenbarer Ideen, der dennoch und wie schon bei ATDN ordentlich gestapelt und teilweise aufpoliert ist. Soll heißen, dass ihre vielen a-puristischen Einflüsse - vom Gefrickel im Opener "Hands", über den Rap-Part in "Senses" bis hin zum bedächtigen Post-Rock-Ausflug im Closer "Gates" - doch recht homogen ineinander verlaufen, ohne die Songs dabei all zu sehr dem Experiment vor die Füße zu werfen. Das NŌSIYAH trotz packender Hardcore-Nummern wie "Harbour" und "Beggars" keine Abnehmer für ihre Tonträger finden, dürfte wohl lediglich daran liegen, dass sie mit ihrem The Wave-angelehnten Post-Hardcore-Sound vielleicht etwas zu spät dran sind, ebenso, wie die nicht minder starken Loose Suspense. Wenn es nach mir ginge, könnten beide Bands getrost die Vorreiter der 2. Welle sein...



Band: NŌSIYAH

Titel/Release: Schemes/EP (CD, Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Melodic Hardcore, Post-Hardcore, Hardcore-Punk

FFO: Loose Suspense, December Youth, The Tidal Sleep

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DL "Schemes"

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Jahres-Sampler