Sonntag, November 17

Der Bandcamp-Hardcore Vol.19


Tristan Tzara:

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Eigentlich sollte dieser Beitrag Bestandteil meines vorangegangenen Posts zum Dortmunder Label Monotonstudio Records sein, dessen Gründer und ehemaliges Kobra-Khan-Mitglied Robert Kupiaj auch bei Tristan Tzara mitmischte. Die Ruhrpotter Screamo/Emoviolence-Combo existierte zwischen 2000 und 2003 und brachte es auf zwei Releases. Ihr Debüt "Omorina Nad Evroporn" gönnt sich mangt garstigem Gekeife sogar einige Ruhepausen und überrascht mit ein paar schönen, melodischen Momenten. "Omorina Nad Evroporn" erschien ursprünglich 2001 als selbstveröffentlichte CD (ca. 533 St.), erschien sieben Jahre später auf grünem und blauem Vinyl (jeweils 150 St.) u. A. auf Montonstudio, und 2010 als Tape (50 St.) über das norwegische Label Listen to Aylin Records.


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Auszenseiter:

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Auszenseiter - klassisch mit sz geschrieben, merkt ja beim Sprechen eh keiner - ist eine junge Band aus Gütersloh, deren vier Mitglieder 2012 zusammenfanden. Seitdem machte die Band vor allem durch fleißiges Touren auf sich aufmerksam und kann seit Januar 2013 auch auf ihr erstes Release zurückblicken. Das selbstbetitelte Tape erschien in einer Auflage von hundert Stück und ist bei dem raushauendem Label Colossus Tapes bereits restlos vergriffen. Kein Wunder, denn Auszenseiter ballern uns auf diesem fünf Songs erbitterten und crustigen Hardcore-Punk um die Ohren, mit etwas emotionaler Schieflage. Am schönsten klingt das dann im Song "Blender", ein gar fieser und rifflastiger Brocken der fast schon im Fastcore mündet und nicht mal die Ein-Minuten-Marke erreicht. Dessen Pendant könnte der vierte Track "Angst oder Vernunft" darstellen, der sich für seine Durchlaufphasen mehr als drei Minuten Zeit lässt und ein Chor platziert. Tolles Debüt, das hoffentlich bald ein Geschwisterchen bekommt.


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Poweryoga:

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"Poweryoga ist eine dynamische und intensive Form des Yoga, dessen auffälligstes Merkmal eine kontinuierliche Bewegung ist." Ja, nee, is klar! Und die Band? Poweryoga spielen eine dynamische und intensive Form der Musik, dessen auffälligstes Merkmal nichts mit Kontinuität zu tun hat. Bislang schrieb Benja Hiller größtenteils über die Musik anderer (artempire, Spoke, ...wenn, denn das hier, etc.) oder nahm sie gleich unter ihre Fittiche (100kiloherz). Was kann man nun also von der eigenen Musik einer engagierten Musikjournalistin und -produzentin erwarten? Entweder genau das, was man mit den zwei Songs ihres "inspctd #2"-Demos um die Ohren geschlagen bekommt, oder eben etwas vollkommen anderes. Poweryoga klingen nach Anarchie, als hätte es klassische Einordnungen und Strukturen innerhalb der Musik niemals gegeben. "Inspctd #2", der erste Song, sampelt über eine Minute vor sich hin, ehe spontan epileptische Schreiattacken die eingängige Gitarrenmelodie durchbersten und den Song in eine wüste Orgie verwandeln. Das darauffolgende "like-li-hood" nutzt gar die treibende Kraft des Nintendocores, um mit Ach und Krach aus den Startlöchern zu schießen. Das klingt dann so, als hätten Dyse und Ursus eine gemeinsame Nacht im Proberaum verbracht, wo sie sich schließlich nach einer nicht all zu ernst zu nehmenden Diskussion darauf einigen konnten, wie Noiserock, Punk, Hard- und Grindcore im Konsens zu klingen hat. Mit einem Song wird das Duo aus Schwelm auf dem nächsten Midsummer-Sampler "Listen Up, Kids! Vol. 12" zu hören sein. Ihr Debüt-Album ist bereits in Planung. Ich denke, darauf darf man mit Sicherheit gespannt sein.

DL inspctd #2


Unru:

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Zum Bandnamen des Bielefelder Quartetts Unru, das 2012 aus dem näheren Black-Metal-Umfeld von Bands wie Abest (Free-DL HIER) und Negativvm (Free-DL HIER) zueinander fand, lassen sich zwei Bedeutungen herleiten: a) als Variante des Wortes "Unruhe"; b) "Unruh", als Bestandteil eines Uhrwerkes (Schwungrad). Beides kann metaphorisch auf den düsteren, nihilistischen und morbiden Sound der Band abgeleitet werden, deren Texte Themen wie Verdrängung, Flucht, Ohnmacht, aber auch Ängste und Süchte, die fortlaufend immer mehr Aggressionen aufstauen und schlussendlich nur zur kathartischen Explosion führen können. Der Song "Aber waren die, die schrien, die wuchsen?" ihres Demo-Debüts "MMXIII" stürmt räudig, kratzend und mit wortlosem Gebrüll aus den Boxen und steht stellvertretend für Unru's kompromisslosen Black Metal, der mit einigen Hardcore- und Crust-Anleihen noch zusätzlich durch den Dreck gezogen wird. Die dronigen Interludes ("I-V") verpassen dem Ganzen dann noch etwas Atmosphäre. "MMXIII" erschien als CD (in zwei Auflagen mit Mini-Poster, ausverkauft), als US-Tape (100 St.) und EU-Tape mit Bonustrack (100 St.), davon eine limitierte Special-Edition, die die Band nur während ihrer Shows an den Mann bringt. Für dieses Jahr ist eine gemeinsame Split-12" mit den Berliner Artgenossen Sun Worship geplant, das Sick Man Getting Sick Records und An Out Recordings als Co-Release raushauen werden.


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Ruined Families:

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In Griechenland brodelt's immer noch gewaltig. Das Athener Quintett Ruined Families ließen sich bereits auf ihrem 2010er Debüt-Album "Four Wall Freedom" und ihrer letztjährigen unbetitelten 7" über die katastrophalen Umstände in ihrer Heimat aus und sehen die anhaltenden leeren Versprechungen ihrer Regierung nun buchstäblich als Anlass dafür, ihr zweites Album "Blank Language" zu veröffentlichen. Ein Warnsignal, Hilfeschrei und Ausrufezeichen gleichermaßen, dass den Krieg vor der Haustür symbolisiert ("the streets bleed and burn", "A new logo for the same revolution") und schlussendlich mit gefletschten Zähnen und geballter Faust einfordert: "The Punks want their money back". Hinsichtlich ihres Sounds sind Ruined Families dabei aber wesentlich kompromissbereiter, als auf ihren zwei vorherigen Releases. Mangt Stakkato-Geknüppel und dem anhaltendem Riff-Gewitter mogeln sich immer wieder einige schöne Melodien. Der Opener "Only Need is Real" will das zwar noch nicht so recht preisgeben und mündet stattdessen in furiosem Fastcore. Auch das darauffolgende "To New Parents" lässt den Hörer für die ersten eineinhalb Minuten im selbigen Glauben, ehe sich die Gitarre mit einer tollen Melodie über das übereifrige Schlagzeug hinwegsetzt. Grob gesagt, waren Ruined Families nie dichter an ihrem eigens getaggten Hardcore-Punk dran, als auf "Blank Language", was das eingängig vor sich hin hookende "208" oder das kurze "Books As Weapons", wo die Gitarre erstmals durchweg dem wütendem Gekeife des Sängers die Hauptrolle abluchst, vielleicht am besten zeigen. "Blank Language" ist, genauso wie die unbetitelte 7", über das deutsche DIY-Punklabel ADAGIO 830 erschienen, darüber hinaus aber auch auf dem bandeigenem Label Gardens erhältlich (100 weiße Vinyl/400 schwarze Vinyl). Das Leipziger Tape-Label Gafas del Rigor fasste 2012 die Songs des ersten Albums und der 7" zusammen und veröffentlichte ein Discography-Tape.




Hector Savage:

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Ihre Songs nehmen sie im eigenem Studio auf (raum7-Studio) und mit Hilfe von Lukas Wiesemüller - nebenher noch Gitarrist der Marburger Post-Hardcore-Band Ashes of Pompeii - und ihren diesjährigen Split-Partnern Akela haben sie es mit ihrem zweiten Release auch gleich mal in den Vertrieb von Midsummer Records geschafft. Für Hector Savage (benannt nach dem gleichnamigen Schauspieler) scheinen die Sterne derzeit ganz gut zu stehen. Aber nicht nur die günstigen Umstände lassen die noch junge Band nach vorne schnellen, denn das Kölner Quintett überzeugt vor allem auch musikalisch, bringt nicht nur frischen Wind, sondern hinterlässt auch tiefe Furchen auf dem viel beackerten Hardcore-Umfeld. Ihre Debüt-EP beginnt mit garstigen Mathcore, will sich fortlaufend aber nicht vollkommen den vertrackten Rhythmen ergeben und platziert mangt metallischen Riffgewittern und aggressiven Hardcore-Punk dezent einige Melodiebögen. Das ist technisch versierte Komplexität, ohne zu überfordern und auf verdammt hohem Niveau. Großartig!

DL Split /w Akela ->Pt.1 // Pt.2

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Celeste:

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Wer in den letzten Jahren regelmäßig im familiären Kreis von Black Metal, Hardcore und Post-Rock verkehrte, der wird mit Sicherheit auch schon mal über Celeste gestolpert sein. Eine Band, die gefühlt seit Anbeginn dieser Genres unentwegt ihre Runden dreht, jegliche Vergleiche von sich abprallen lässt und stattdessen schon längst den Status einer fest zitierten Größe und Referenz inne hält. Ein Original. Eine Urgewalt. Eine der konsequentesten Bands seiner Art. Warum das französische Quartett dennoch hier erwähnt wird? Zum einen, weil die Band nach dreijähriger Abstinenz mit "Animale(s)" ein neues Album zu verkünden hat (Stream HIER). Zum anderen, weil sie ihre Debüt-EP "Pessimiste(s)" und ihr drittes Album "Morte(s) Nee(s)" über Bandcamp zum Spendendownload anbieten. An wem, aus welchen Gründen auch immer, Celeste bislang spurlos vorbei gezogen sind, hat hiermit die Gelegenheit, sein Grundwissen aufzufrischen.


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Dull Eyes:

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Post-Hardcore war gestern und wird es auch wieder am morgigen Tage sein. Gönnen wir uns daher also eine kleine Pause und wenden uns heute den Düsseldorfern Dull Eyes zu, dem Vorgestern. Die fünfköpfige Band gibt es zwar erst seit zwei Jahre, klingt auf ihrer Debüt-EP "War Anthems" allerdings wie ein Rudel alteingesessener Veteranen, die nun nach jahrzentelangem Winterschlaf wieder aufgewacht sind und von all den zwischenzeitlichen Trendbewegungen nichts mitbekommen haben. Hardcore ist nach wie vor rauh und dreckig und Metal hat die harten und fett groovenden Riffs gefälligst in Periode zu setzen. Die Gitarren selbstverständlich stoner-tief gestimmt. Das Ganze klingt dann wie eine Mischung aus Metallica und Pantera und für ein Debüt auch noch überraschend frisch. Aber nagelt mich jetzt auf diesen Vergleich nicht fest. Von beiden Superlativen sind Dull Eyes noch ein ganzes Stück weit entfernt. Der Grundtenor aber stimmt schonmal und wenn eine Band ihr Release auch noch "War Anthem" betitelt, weiß man eigentlich, wo der Hase hier lang läuft. Das wissen auch Powertrip Records und Headless Guru Records (weitere Free Downloads HIER), die "War Anthem" auf Vinyl und auf's Tape bannten.


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The Town of Machine:

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Am Anfang standen Jet Black und Mallorys Last Dance, aktuell sind es Phantoms und Scott Malkinson. Irgendwann dazwischen fanden sich einige Mitglieder eben genannter Bands im Bremer Quartett The Town of Machine wieder, das nicht nur den zermaternden Screamo von Jet Black im Geiste weiterführte, sondern es sich auch gleich mal auf deren ehemaligen Label Unterm Durchschnitt gemütlich machte. Und ich hoffe, dass ihr euch jetzt genauso darüber ärgert wie, dass ihr diese Band nicht schon früher entdeckt habt, denn sowohl ihr 2007er-Demo, als auch ihre selftitled 7" (auch als CD mit Bonustracks) sind bereits restlos vergriffen und nur noch mit viel Glück zu finden. Gleiches gillt übrigens leider auch für das Kölner Kultlabel, deren Ende letztes Jahr beschlossen wurde. Über Bandcamp gibt's noch einen nostalgischen Label-Sampler und einige Free Downloads mehr. 



 Außerdem

Brooks Was Here:

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Brooks Was Here schauen sich gerne amerikanische Filme an (der Bandname ist dem Stephen-King-Drama "Die Verurteilten" entnommen) und musikalisch führt sie ihr Roadtrip von Chicago nach Gainesville. Damit enden dann aber auch schon ihre Gemeinsamkeiten mit dem Völkchen jenseits des Großen Teiches, denn anstelle von fleischhaltigem Fast Food kommt Brooks Was Here nur vegetarisches Essen auf den Teller, während kapitalistische, egozentrische und patriotistische Gedanken um den Präfix ANTI ergänzt werden. Die Band aus Warschau gründete sich 2011, debütierte im letzten Jahr mit ihrer selbstbetitelten EP (Spenden-Download), kann seit Anfang dieses Jahres auf einen zweiten Gitarristen zurückgreifen und spielte mit diesem auch gleich mal sechs neue Songs für ihre zweite EP "High Violence" ein. Diese erscheint als schickes Digipak über das eigene Label Jagged Kid (2013 gegründet), womit die Band nicht nur ein zweites Ausrufezeichen setzt, sondern auch klar stellt, dass sie weder mit sich hadern noch auf der Stelle treten und mit den wenigen, zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst weit kommen wollen. Mit "High Violence" erfinden sich Brooks Was Here natürlich nicht neu, treten stattdessen präzise in die Fußstapfen des Vorgängers. 90er-Emo wird abermals auf eine tagträumerische Reise geschickt, während sie ihrer rauhen Punkaffinität ein Post-Hardcore-Spiegelbild vor Augen halten, was zusammen mit dem Drahtbürsten-Gesang vor allem an ehemalige Cap'n Jazz erinnert, auch wenn sich das Quartett eher von Fugazi und At the Drive-In beeinflusst sieht. Hat sich also nicht viel geändert, außer die Produktion, die mit etwas mehr Klangfülle aufwertet. Wenn es also anscheinend so schwierig ist, zeitgemäß guten Emo zu fabrizieren, dann lieber mit einem würdigen Blick zurück auf alte Helden. So wie Brooks Was Here, für die ihre zweite EP hoffentlich erst der Anfang einer langen Bandgeschichte ist.



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