Easy Lover
Vielleicht war es ja reine Berechnung, dass sich
Easy Lover ausgerechnet nach einem der größten
Bailey/Collins-Hits benannt haben, um auf diesem Wege ein paar fehlgeleitete Suchmaschinennutzer abzugreifen. Mit dem klassischen Rock des britischen Altmeisters oder dem im Song besungenem "Flittchen", hat das Berliner Trio um Shouterin
Aika auf dem ersten Blick jedenfalls herzlich wenig zu tun. Bereits auf ihrem 2014er-Debüt servierten uns die Hauptstadtundergrounder eine treibende wie düstere Symbiose aus Hardcore-Punk und Crust, die an einigen Stellen bis an die Grenzen zum Screamo und Melodic Hardcore ausgedehnt wurde. Ihre zweite EP "No" knüpft in diesem Sinne nahtlos am Vorgänger an und türmt sich mit einem einheitlich ineinander fließenden Sound gegen dieses überflüssige Genreausklamüsern auf. Dabei sticht vor allem die Präzision der Band hervor, die in den sieben Songs sowohl markante Riffs als auch tolle Gitarrenmelodien verbauen und keinen von ihnen über die Zwei-Minuten-Grenze hinweg trägt. Ein zielstrebiger und äußerst routinierter Sound, der sicherlich auch ein Stück weit auf die Rundreise der drei Musiker_innen durch den heimischen Untergrund mit Zwischenstopps beim
Henry Fonda/
Afterlife Kids/
Ancst-Kollektiv und Bands wie
morla. oder
Flyktpunkt zurückzuführen ist.
Easy Lover ist dennoch kein unnötiger Aufguss, da sich das Trio hier in etwas Neuem ausprobieren will und daher in die Kategorie >Gesucht und gefunden< gehört.
DL "No" EP Here
Kotzen
SvN: "Latrine... was für ein ungewöhnlicher Name!"
L: "Wir haben im 2. Jahrhundert eine Namensänderung vorgenommen!"
SvN: "Du meinst.. ihr habt ihn geändert... in Latrine?"
L: "Ja... früher war's Scheißhaus!"
Na, kennt das noch jemand? Egal.
Kotzen hießen früher mal
Lütten und veröffentlichten als Duo die EP "DELETE | ELITE", die 2005 als einseitig bespielte 12inch inklusive "Festung Europa aufbrechen"-Poster über
Twisted Chords erschien. Während die bereits damals angeklagten Miszstände die selben geblieben sind, hat sich bandintern so einiges geändert. Mittlerweile hat sich die Mannstärke verdoppelt, was maßgeblich zur Live-Tauglichkeit der Band beigetragen hat. Das Quartett beschränkt seine Internetpräsenz zwar weiterhin auf das Nötigste, veröffentlicht seine musikalischen Werke unter dem neuen Namen allerdings ausschließlich digital und zum kostenlosen Download (Blog & Bandcamp). Wisst ihr also schonmal, woran ihr seid. Am mathigen, break-lastigen und trotzdem melodiösen Hardcore-Deutsch-Punk hat sich dagegen wenig geändert, weshalb die fünf
Lütten-Songs auch immer wieder im Live-Set von
Kotzen auftauchen. Die Texte sind intelligent wie direkt, ganz die Hamburger Schule halt (hier
mischen u. A. Mitglieder von
Der Trick ist zu atmen,
Kurhaus,
EGOZID,
Honigbomber und
Solemn League mit), und klingen trotzdem mehr nach wütendem Widerstand, als nach rebellischer Studentenbewegung. Was sich die Quasi-Debüt-EP "Endlich der sichere Sand" aber noch an Eingängigkeit gönnt, wird auf der folgenden "Werte-Propaganda-Dekonstruktion" vom Freigeist zerpflückt. So ist das eröffnende "Interlude" ein seicht untermaltes Spoken-Word-Intro, vorgetragen von
Graue Zellen-Sänger und
AGfJ-Autor (u. A. "Nazis Nerven!")
Jan Jetter, während sich das 5-Sekunden-Epos "Sicher, das stimmt ja alles und ich finde das bewundernswert, aber ich könnte das nicht aka Memo an mich selbst" als gemeinsamer Rudelbums mit ihren Hamburger Kollegen von
Notgemeinschaft Peter Pan entpuppt. Dazwischen wartet das dynamische, wenngleich nervös zwischen den Melodien umherspringende "Die Schlüssel stecken von innen / Das Private ist politisch".
Meister Splinter
Warte mal ...
Meister Splinter, Sewer Punk - ich glaube, ich hab's gerafft. Vorhang auf für die Vertriebenen, Opfer der "Stadtflucht" und nunmehr Könige der Hamburger Kanalisation. Ich muss zugeben, dass mir schon wesentlich räudigere Deutschpunk-Vertreter vor die Augen und Lauscher gekommen sind, was vor allem daran liegen könnte, dass das nordische Quartett ihren Gossensoundtrack nicht nur mit der Härte und Eingängigkeit des Street- und Oi!-Punks in die Melodiespur peitscht. Klar, der hier gewählte Ton ist rauh, düster und direkt, schließlich gibt es nichts schönzureden, wenn es um Themen wie Verdrängung, kapitalisierte Gesellschaften, braunes Gedankengut, maschinelle Lebensabläufe und geplatzte Träume geht. Dennoch lebt
Meister Splinter's Debüt-Album von einem insgesamt satten Alternativesound mit klaren Gitarren- und hämmernden Basslinien, fetten Riffs und einem wuchtigen Schlagzeug. Die zwölf Songs reiten allesamt auf eingängigen Melodien und sind mit abwechselnden Vocals und Chören hervorragend dafür geeignet, die unzufriedene und aufgeheizte Gesamtstimmung weiter hochzupushen. Natürlich muss dabei nicht jeder Song auch im Ohr hängen bleiben. Zwischendurch tauchen aber immer wieder Nummern wie "Leblos in einem Fluss" oder "Geteiltes Leid" auf, die sich durchaus auch als Lückenfüller auf einem früheren
Toten Hosen-Album wiederfinden könnten. Ist nicht böse gemeint, denn vor allem im Bezug auf mittlerweile medial aufgestiegene Punkgrößen, finde ich zumeist die Songs interessanter, die sich im Schatten der im Radio totgenudelten Chartbreaker bewegen.
Buy Tape via PM on Facebook or Mail to: meistersplinterhh@gmx.de
Cholera Tarantula
Auch
Cholera Tarantula suhlen sich im dreckigen Deutschpunk, wenngleich etwas asseliger als oben erwähnte
Meister Splinter, allerdings auch etwas spontan willkürlicher. Ihr 2013er Debüt-Album "Vergiftet", das im selben Jahr in Eigenvertrieb als Demo-CD erschien und jüngst von
Uga Uga als Tape neu aufgelegt wurde, startet recht unprätentiös. Den meisten der zwölf Album-Songs reichen drei Akkorde vollkommen aus, um ihren Weg ins Innere des Anarcho-Herzes zu finden. Direkt, ehrlich, gute alte 80er-Hardcore-Punk-Schule eben, die sich nicht stur an einem manifestierten Lehrplan entlanghangeln muss. Da die musikalische Infrastruktur im niedersächsischen Kreisstädtchen Vechta noch recht überschaubar und die Möglichkeiten dort aufzutreten stark begrenzt sind, könnte mensch auch fast meinen, dass hier ein paar altgediente Störenfriede aus der Versenkung gekrochen sind, die die letzten 30 Jahre (Musik-Geschichte) schlichtweg verpennt haben. "Militarismus", "Stop Eating Animals", "Spiesser" und natürlich der Überhit "
Bullenterror" - die Songtitel und Texte klingen dermaßen anarchistisch und Freischnauze voraus, als ob diese Miszstände gerade erst aufgetreten sind. Bis mittendrin plötzlich eine Zeile wie "
SARAZIN ERKLÄRT DIE WELT, FASCHIST IM DEMOKRATENFELL" (aus "Feindbild") zum Vorschein kommt und mensch umso erstaunter ist, dass sich hinter
Cholera Tarantula vier junge Burschen verbergen, die sich 2011 zusammengerauft und scheinbar "bloß" an den richtigen Vorbildern orientiert haben. Da fällt mir ein:
Urinprobe kommen doch auch aus Vechta und klingen herrlich kakophonisch-asselig. Zufall oder ist Vechta gar die geheime Zentrale des autonomen Widerstandes?
Buy Here &
Here
Til Schweiger Must Die & Die Sky Du Monts
Tja, da hat er das Mundwerk wieder einmal etwas zu weit aufgerissen, als er über seine
Til Schweiger Foundation verkünden ließ, ein "Vorzeige-Flüchtlingsheim" errichten zu wollen. Nicht nur zuletzt deshalb, ist der nuschelnde Schauspieler und Bundeswehrsympathisant
Til Schweiger bei der linken Szene in Verruf geraten. Die Folge: weiß-befleckte Villa-Hauswände und ein brennendes Auto. Der musikalische Sektor reagierte indes auf seiner Weise. Zu dem Kölner Singer/Songwriter
Schwill Tiger gesellte sich im letzten Jahr das Freiburger Quintett
Til Schweiger Must Die & Die Sky Du Monts, das mit dem Demo "Verkackt bis in alle Ewigkeit" nun ein erstes Ausrufezeichen setzt. Darauf zu hören gibt's 80er-(Hardcore-)Punk, rauh, direkt und mit einer angepissten Frontfrau, die ab und an gesangliche Rückendeckung von ihren Kollegen bekommt. Aber nicht nur der Schauspieler ist Adressat ihrer Hassitüden. Songtitel wie "Bulle" oder "Arbeit" sprechen da sicherlich für sich und zeigen, dass
TSMD&DSDM keinesfalls zum Scherzen aufgelegt sind, auch, wenn die acht Songs durch teils erdrückend-monotone als auch frivol-umherspringende Synthies aufgepeppt werden und die Band somit in die schwammige Mitte zwischen weniger freakige
Ursus und mehr No-Wave-lastigere
Cold Kids katapultiert.
Stream & Buy Digitally "Verkackt bis in alle Ewigkeit Demo"
DL Rehearsal Room Recordings
Arbeitstitel: Bullenblut
Arbeitstitel: Bullenblut, kurz ATBB, melden sich zwei Jahre nach "Volxliter" mit ihrem "viel zu poppigen zweiten Album" zurück. Ein Titel, der in Anbetracht des hymnischen Vorgängers nicht all zu sehr überrascht und bereits im munter eröffnenden Liedermacher-"Intro" Wort hält. Keine Frage, das Freiburger Schlagzeug-Bass-Duo hat ein glückliches Händchen für tolle Melodien, die vor allem aber wegen ihrer stilistischen Willkür im Kopf hängen bleiben. So folgen mit "Opening Track" und "B" zwei oldschoolige Nummern zwischen chorverliebten Melodic-, Hardcore- und Deutschpunk, während sich "Dichotomie des Quadratmeterpreises" und "Bengalos" im Zeckenrap wiederfinden und der Closer "Outro" in Electrospielereien versinkt. Spätestens beim Pop-Punk-Track "Sing Along Sucks" angekommen, müsste eigentlich jede/r gemerkt haben, dass einem ATBB mindestens mit einem Augenzwinkern entgegnen. Das andere richtet seinen Blick wie schon zuvor auf aktuelle Probleme, vor allem aber ungewohnt scharf auf widersprüchliche Tendenzen und einkehrendes Hipstertum in der eigenen Szene, womit sie dem einen oder anderen "Punk" sicherlich auf die Füße treten werden. Punk muss manchmal eben auch wehtun.
DL Das viel zu poppige zweite Album
DL & Buy via Black Rose Records
ATBB Shop
Miese Mutanten
Auf ihren Shows weiß man nie so recht, ob sie dreiarmig oder mit Echsenbeinen die Bühne betreten oder Backstage einfach bloß grünen Schleim ausschenken.
Miese Mutanten haben erkannt, dass es neben der Musik auch noch andere Sachen gibt, womit sie ihre unheimliche Fanschar bei Laune halten können. Dennoch sind es vor allem ihre Songs, die sich unberechenbar so ziemlich jeder Klassifizierung entziehen. Das ist weder der von der Band angepriesene Disco-Punk, noch Punkrock im klassischem Sinne, als vielmehr eine Art schizophrener und labiler Indie-Chanson-Punk, wie er gerade im österreichischem Wien die Runde macht (siehe
Kartenhauskörper oder
Das Trojanische Pferd) oder auch des Öfteren in den Plattenkisten von
HANSEPLATTE zu finden ist. Sänger
Svenson Sørensen weiß dabei sein gesegnetes Organ über die volle Bandbreite auszureizen, indem er sich mal in schmachtenden Popmomenten verliert ("Mansich depressiv!") oder auch mal einen rauheren Ton anschlägt ("Gutemine, böses Spiel"), bis auf dem abschließenden Freak-Out in "Mies" aber stets in der Melodie bleibt. Die darf aber nicht nur eingängig, sondern gerne auch mal etwas mathig-vertrackt sein, wobei ihm seine drei Regensburger Hinterleute eine Steilvorlage nach der anderen servieren.
Überyou
Nachdem bei uns zuletzt vor allem freigeistliche Vertreter aus der Schweiz zur Ansprache kamen, wird es mit
Überyou nun wieder etwas geradliniger. Das Züricher Quintett lädt mit seinem straighten Punkrock geradezu zum Namedropping ein. So dürften Melodie-verliebte Skaterpunks um Gruppen wie
Gnarwolves oder
Iron Chic genauso auf ihre Kosten kommen, wie Verehrer des Whiskey-getränkten und rauhen Emo-Punks von
Hot Water Music,
Say Anything und
Jupiter ... ääh ...nee, lassen wir das mal lieber. Eingängige und druckvolle Hymnen, die selten die Komfortzone des Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain-Konzepts verlassen und reichlich Stadionluft atmen, womit die Band auf ihrer vergangenen Amerika-Tour immerhin schon im Vorprogramm von Größen wie
Alkaline Trio,
Dropkick Murphys und
NoFX landete. Zurecht!
DL Frontiers EP
Here &
Here
DL Üntergang LP
DL Split-EP w/
Nunca Inverno ->
A-Seite &
B-Seite
DL Revolütion LP
DL Süpremacy EP
Buy Here,
Here,
Here &
Here
In der Kürze liegt die Würze
DASVOID
Zwei Dudes aus Wiesbaden spielen hymnischen wie schrammeligen Indie-Noise-Post-Punk mit kratzigem Alternative-Gesang. Klingt nicht nur in der Theorie recht interessant und nach einer lohnenswerten Alternative für Fans von
Death From Above 1979 oder
Cloud Nothings. Mit letzterer teilten sich
DASVOID 2014 sogar die Bühne. Anfang letzten Jahres veröffentlichte das Duo seine selbstbetitelte Debüt-EP auf Bandcamp, seitdem verliefen ihre Spuren im Netz immer mehr im Sande. Auflösung? Pause? Neue Projekte? So viele Fragen und keine Antworten. Dabei wecken ihre vier EP-Songs eigentlich das Verlangen nach mehr.... Schade.
BATTRA//
Im Punk ist erlaubt, was Spaß macht. Und wenn sich die beiden Pennerviolencer von
BATTRA// eben im solidarischen (
Halle rollt!) Ambient-Noise-Drone ausprobieren wollen, dann können sie das gefälligst auch tun. Hat ja bei
Ancst auch niemanden gestört.
DL 気暴力 EP
Buy Here