Sonntag, November 25

Platte des Monats 11/2018: Pogendroblem - Erziehung zur Müdigkeit



Kurzinfo:

Maaßen, Erdogan, Hambacher Forst und Chemnitz - allein die Miszstände und Fragwürdigkeiten der jüngsten Vergangenheit werfen unweigerlich die Frage auf, an welcher Stelle die menschliche Vernunft eigentlich vollkommen verloren gegangen ist. Es ist aber eben auch noch nicht alles, denn neben alltäglichen, radikalen Flüchtlingsheimrazzien und Räumungen links-alternativer Einrichtungen und Begegnungsstätten, die es nicht über die regionale Presse hinaus schaffen, herrscht noch immer eine ganze Menge Ungerechtigkeit und staatliche Willkür fernab des medialen Bombasts. Und wer sich auf dem vermeintlichen Erfolg des G20-Gipfels ausruht, hat vielleicht noch nicht selbstkritisch hinterfragt, mit wem man dort eigentlich so alles Seite an Seite demonstriert hat.
Keine Frage, die Gesamtscheiße ist mächtig am Brodeln. Mit ihrem Debüt-Album wirbelt die Band mit dem Prechtschreibroblem somit sicherlich keine neuen Fragen auf, sondern konzentriert sich vielmehr darauf, die richtigen zu stellen. Denn gerade zu Zeiten einer orientierungslosen Regierung, ist moralischer wie physischer Angriff die beste Verteidigung. So richtet sich der Appell von Pogendroblem nicht nur an die Marionetten in Staatstracht ("Gebrochen") oder dem gemeinen Hipster und Schnösel, sondern vor allem auch an die Philosophie des gemütlichen Widerstands der eigenen Szene ("Banden", "Schnöselpunx") - "Erziehung zur Müdigkeit".
Authentisch wirkt das, weil das Quartett aus Bergisch Gladbach seine Attitüde in herrlich aseligen Schrammelpunk packt, anstatt sie mit post-modernen Schnörkeln zu verkleiden. Ausflüge werden höchstens in eng benachbarte Genres wie dem Garage und Hardcore-Punk unternommen oder eben in die drei Jahrzehnte zurückliegende Punk-Vergangenheit. Für diesen Charme sorgt allein schon die herrlich kratzige Produktion von Lau Velthaus (u. A. HerrinGedeck und Reiche_Weiße_Cis_Männer).


Band: Pogendroblem

Titel/Release: Erziehung zur Müdigkeit/Album (500x Black Vinyl; Tape; Digital)

Label: In A Car (Vinyl), Zehnagel Records (Tape)

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Deutschpunk, Punk, Garage

FFO: Mühlheim Asozial, Urinprobe, Novotny TV

Links: Facebook\\//Bandcamp\\//Youtube




DL & Buy "Erziehung zur Müdigkeit"

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Dienstag, November 20

Knarre - Eiscafé Venezia



Kurzinfo:

Berlin hat in der musikalischen Historie schon so manche kuriose Band zum Vorschein gebracht und wird es wahrscheinlich auch in Zukunft sicherlich noch das eine oder andere Mal tun. Das musikalische Kontrukt hinter Knarre ist sicherlich nicht neu. Emo-Punk, der in seiner rauhen Art etwas am Screamo entlang schabt und zusammen mit dem post-punkigen Gesang ein paar übrig gebliebene Turbostaatler einsammelt, trifft auf melodische Indie-Punk-Gitarren á la Love A und Duesenjaeger, trifft auf die Reibeisenstimme und Pop-Affinität von Jupiter Jones. Wer das Hauptstadt-Quartett nach dem Opener "Umfallende Bierflaschen" allein aufgrund dieser Oberflächlichkeiten voreilig abschreibt, droht in den nächsten sechs Songs ihrer Debüt-EP "Eiscafé Venezia" viele überraschende Wendungen und einige klever ineinander verflochtene Reminiszenzen zu verpassen. Andersrum: wem genau diese Eingängigkeit und dieses Hitpotential zusagt, wird spätestens nach dem dritten Song genervt kapitulieren. Knarre spielen auf ihrem Debüt mit Gegensätzen und wollen es keiner Seite so richtig recht machen - Skramz-Pop eben, wie die Band ihren Stil selbst beschreibt. Vielleicht ist das ja die ursprüngliche, sogenannte Punk-Willkür, vielleicht auch bloß Hipstertum. Vielleicht einfach bloß Spaß am Experimentieren, wie es die Hälfte von Knarre bereits in der Rap-Screamo-Band Être? auslebte, was uns wieder zum Einstiegssatz zurückwirft. Das ist weder Pop noch Punk, kein bedingungsloser Schönklang und erst recht kein heilloses Durcheinander. Knarre setzen altbewährte Bausteine neu zusammen, begraben den Mainstream unter einer ordentlichen Schippe Rotzigkeit - und haben dann noch die Eier, zum Ende hin eine zart-schmelzende Trompete unterzubringen. Fast so schön, wie die leicht deformierte Eiskugelkreation auf dem Cover.


Band: Knarre

Titel/Release: Eiscafé Venezia/EP (500x Light Green Vinyl; Digital)

Label: Amöben Mit Sozialen Ambitionen

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Emo-Punk, Screamo, Post-Punk

FFO: Edgar R., Tiger Magic, Postford, Canine

Links: Bandpage\\//Facebook\\//Instagram




DL "Eiscafé Venezia"

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Sonntag, November 18

Der Bandcamp-Hardcore Vol. 41

Phantoms - Departed



Die Bremer Band Phantoms ist sicherlich keine Neuentdeckung, wuselt das Sextett um Mitglieder ehemaliger Jet Black, The Town Of Machine, Mallorys Last Dance, The Unknown Stuntman (ehemals Caveman) und weltraumraketenabschussbasis immerhin schon sieben Jahre durch den deutschen Hardcore-Punk-Untergrund. Da die Band aber gerade an neuen Songs tüftelt, könnte ein Blick auf ihr 2015 erschienenes Debüt-MiniAlbum "Departed" zumindest ein guter Einstieg und somit eine lohnende Wiederentdeckung sein - vor allem für diejenigen, die wehmütig noch weiter in die musikalische Vergangenheit zurückblicken. Zwischen Post-Hard- und Emocore, der sich für einige theatralische Momente nicht zu schade ist, sind es auch die eingestreuten, mathigen Twinkle-Gitarren wie in "Love Conditional" oder "Modulok", die Fans des Milleniumcores durchaus Freude bereiten könnten. Und auch, wenn "Departed" insgesamt recht professionel produziert klingt, schwingt den Songs ein wohliger und unbekümmerter Underground-Flair mit, der mich an - wenngleich Genre-mäßig nur bedingt vergleichbaren - Combos wie Paraquat, Cannon For Cordoba oder Ashes Of Pompeii denken lässt.
Die selbst-veröffentlichte CD im 3-Panel-Digipak kann noch immer über die Band selbst bestellt werden.



Buy CD via PM on FB



...And Its Name Was Epyon - S/T EP

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Bandname, Artwork und eigene Stilbezeichnung ("Mechacore") nehmen es bereits vorweg - hier gehen eingefleischte Anime-Freaks zu Werke. Der Rocki wüsste wahrscheinlich mal wieder genauestens bescheid und würde als Einleitung gar ganze Bände zum Gundam-Franchise verfassen. Mir jedenfalls gehen die drei Debüt-Songs der Band ...And Its Name Was Epyon auch ohne diese Vorkenntnisse ganz gut rein, auch wenn sich die Samples am Anfang und Ende des Openers so sicherlich mit anderen Ohren hören lassen. 
Auf  "...and its name was Epyon" spielen die drei Musiker_innen aus Kalifornien einen ausgeklügelten Mix aus Screamo, Skramz und Post-Hardcore, der inhaltlich eine Menge emotionalen wie gewissermaßen gesellschaftskritischen Zündstoff bietet und somit sicherlich auch seine Daseinsberechtigung im Punk begründet. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart, dass die drei Amis bereits einen enormen musikalischen Background vorweisen können - Feed Me The Forest, She Dreamt; She Was The Sea, Anamanaguchi, I Would Run That Stoplight For You und Without - , was auch die Solidität und produktionstechnische Raffinesse ihres Releases erklären dürfte. Mit letztgenannter Band, teilten sich ...And Its Name Was Epyon auch ihr erstes physikalisches Release. Das Split-Tape, das über Learning To Be Loved erschien und bereits restlos vergriffen ist, beinhaltet alle drei EP-Songs der Band.

DL "S/T" EP



Moss Rose

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Moss Rose ist eines der jüngeren Projekte vom umtriebigen Engländer Shaun Harrison-Hancock. Und da er sich, wie so oft, nur so richtig wohl in trauter Zweisamkeit fühlt, steht ihm erneut die Art-Designerin Yasmin Ensor zur Seite, die er bereits aus dem gemeinsamen Projekt Kodos und natürlich dem gemeinschaftlich betriebenen Label Adorno Records kennt. Nicht verwunderlich also, dass sich die drei bislang erschienenen Moss Rose-Veröffentlichungen nahtlos im Backkatalog des Labels zwischen Harrison-Hancocks zahlreichen anderen Bands wie Thisismenotthinkingofyou, Allé, YURI, La Nausée und DEORC WEG, wiederfinden.
Trotz minimalistischer Instrumentierung, gelingt es den beiden einen atmosphärisch-erdrückenden Sound zu kreieren, der seine Konturen irgendwo zwischen Blackened Screamo, Post-Rock und -Hardcore erahnen lässt. Melancholisch-anmutende Gitarren-Linien und die rudimentären Drums werden durch zerfahrene Schrammelorgien und aus der Ferne klagendem Wehgeschrei regelrecht weggepustet. Sehr episch, düster, beklemmend - und in dieser Art auch irgendwie genial.

DL "Moss Rose EP" Here & Here
DL "Council Of Rats"
DL Split w/ Caton & Orphelie, Duct Hearts & Child Meadow

Buy "4-Way-Split" Here & Here



The Cheeseburgerpicnic - Iodine

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Adorno Records zum Zweiten: Mensch könnte leicht in die Annahme verfallen, kennt man eine Technical Math-Grind-Band - oder wie es neu-hipstertümlich heißt, Sassgrind-Band - , kennt man alle. Auch das 2017 gegründete Projekt The Cheeseburgerpicnic, das mit drei EP's bereits einen ordentlichen Arbeitsnachweis abliefern kann, weist starke Parallelen zu Szene-Bands wie Asthma Atttaq oder SeeYouSpaceCowboy... auf. Der Clou allerdings ist, dass sich dahinter lediglich eine Frau verbirgt, die hier oben benannten Stil auf technisch höchstem Band-Niveau zelebriert. Einfach nur der pure Wahnsinn, wie sich messerscharf schneidende Gitarren, hyperventilierende Schlagattacken und wechselndes Geschreie und Gegrowle in einem kathartischen Grind-Gewitter entladen.
Live wohl eher unpraktisch, aber vielleicht findet die nicht gerade schüchterne Maya Chun in Ann Arbor noch ein paar gleichgesinnte Mitstreiter, die das Ganze bühnentauglich gestalten. 
Für einen Überblick ihrer bisherigen Solo- und Bandprojekte (u. A. Bonzo, Youth Novel, Monster Bad, Goodthink), lohnt sich ein Besuch auf ihrer Bandcamp-Seite "Music Is Really Dumb".

DL "Iodine" Here & Here



Knights Of Ganymede - Knights Of Ganymede


Adorno Records zum Dritten und Letzten: um genauer zu sein, eine Kollaboration zwischen den beiden Labels Adorno Records und Middle-Man Records und deren Köpfe Shaun Harrison-Hancock und Shawn Michael Decker (u. A. bei Coma Regalia, Plague Walker). 
Mit Knights Of Ganymede geben die beiden einen zeitlosen wie nostalgischen Schubser gen 90er-Midwest-Emo(core), der in seiner zwanglos-unbekümmerten Art nicht selten an Cap' Jazz, Piebald oder die Anfangsjahre von Cursive erinnert. Ihr Debüt zählt zehn Songs, die mit vielen wechselnden Riffs und Twinkle-Gitarren-Melodien immer wieder aus einem allzu starren Korsett ausbrechen. Alles kann, nicht's muss. Und dennoch bleiben die Songs vor allem wegen des emotional-geschrieenem, mehrstimmigen Gesangs und der frenetischen Chöre in einem überschaubaren Rahmen und wissen mitzureißen. Gefühlsmäßig eher aufwühlend, als die Tränendrüsen quetschend, wenngleich die amerikanisch-englische Band ein gutes Gespür dafür hat, das Tempo auch mal zu drosseln.

DL & Buy "Knights Of Ganymede" Here & Here

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(ache/emelie) - (ache/emelie) EP

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Um den kleinen Rundgang durch beide Labels zum Abschluss zu bringen, hier noch mal ein kurzer Blick in den Backkatalog von Middle-Man Records:
Wenn es nach mir ginge, könnten Streichinstrumente ruhig zum Hauptbestandteil des Screamos/Emos werden. Mononoke, Recreant, I Would Set Myself On Fire For You - die Liste an tollen Genre-Vertretern wird umso länger, je tiefer man in den musikalischen Untergrund abtaucht. (ache/emelie) - oder auch ache:emelie - waren irgendwie und in wechselnder Besetzung um die Jahre 2004/2005 aktiv und veröffentlichten neben der selbstbetitelten Debüt-EP noch eine weitere namens "Because That For Which I Exist" (7" war geplant, von denen allerdings nur die Test Presses das Presswerk verließen). Natürlich mischte auch hier wieder Label-Chef Shawn mit, der bekannte Label-Gesichter aus Coma Regalia, kaki.o.badi., John Q Public, Charlie McArthur von The Golden Rules und Bears, und, wie später auch bei Hex Lariat, seine Frau Lauren Decker, um sich versammelte.
Ihr Mix aus wilden Screamo-Attacken und mitreißenden Emo-Melodien, gepaart mit melancholischen Violinen- und Keyboard-Passagen, hätte sicherlich noch das eine oder andere Release und eine größere Aufmerksamkeit verdient gehabt.
Die CD-r zur S/T-EP ist bereits vergriffen, der Download seit je kostenlos.

DL "(ache/emelie)" EP



Soccermoms - Live Recordings #1

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Fußball, Mütter, Grind und Stoner - klar, dass passt wie Arsch auf Eimer. Haben sich auch die zwei Kerle und Frontfrau von Soccermoms gedacht und dieses Konzept in die musikalsiche Praxis umgesetzt. Zumindest ohne die ersten beiden Attribute, vermute ich mal, denn aufgrund der ziemlich roughen Vocals-Aufnahme lassen sich die dargebotenen Texte vorerst nur anhand der Song-Titel erahnen. Die sieben Songs ihrer ersten Live-Aufnahme könnten demnach um Themengebiete wie Sexpraktiken, Mini-Jobs, Faulenzertum, Gras, Riesensterne, kriegerische Elfen und moralisch-umstrittene Luftwaffen-Kommandeure kreisen. Wahrscheinlich sind aber auch angriffslustige Tiere und konservative Wut- und Spießbürger Ziele ihrer galligen Attacken. Würde nämlich gut zum anarchischen Charme der Leipziger Band passen. So stehen vor allem das klangvoll-umherwirbelnde Schlagwerk und die molligen Baszschläge im Rampenlicht des Debüts.
Die ersten 50 Tapes ihrer "Live Recordings" haben sie bereits an die Hörerschaft gebracht, was also heißen könnte, dass hier etwas Großes heranwächst. Wer die Tape-Edition ihres angekündigten zweiten Releases nicht verpassen will, kann sich mit "Witch Hunt" schonmal einen ersten Eindruck verschaffen und gespannt auf die nächsten Band-News warten.

DL "Live Recordings"



Götterfunken - Götterfunken


Ausgerechnet nach der Veröffentlichung ihres grandiosen Albums "Tear Room", entschieden sich die vier Emocoreler von Pride and Ego Down Ende 2015 ihr gemeinsames Bandprojekt zu beenden, obwohl kurz vorher noch die Hoffnungen auf eine neue EP geschürt wurden. Vielleicht fanden diese unveröffentlichten Songs ja ihre musikalische Vollendung in Sänger Niklas' folgenden Solo-Projekt Skinrise (ursprünglich You ≠ Me), die er auch später im Set seiner PAED-Solo-Akustiktour aufnahm.
Mit Götterfunken, das zumindest auf den ersten Blick nichts mit Beethoven oder Schiller zu tun hat, hatte sich auch Lukas Wever nach einer halb-jährigen Umzugspause nach London wieder zu Wort gemeldet. Für sein Emo-Post-Punk-Screamo-Projekt, das im Gegensatz zu dem von  Niklas' recht kühl und minimalistisch wirkt und zwischen Band-Vibe und tristen Abgesang pendelt, knüpfte der ex-Kölner gleich prominente Kontakte zu Jack Daley (Fat Tank Studios) und Silver Snakes-Sänger Alex Estrada (The Earth Capital), die der gleichnamigen Debüt-EP eine standesgemäße Aufnahme und Kontur verpassten.
Auf Lukas' Soundcloud-Seite gibt's die Songs, nebst zwei Non-EP-Tracks, als Rough-Mixes zu hören.

DL "Götterfunken"


Freitag, November 16

Bria Tharen - Axolotl



Kurzinfo:

Ein Star Wars-Fan mit Faible für Schwanzlurche? Mitnichten, denn schon früh wird klar, dass Bria Tharen ein sehr ernstes, tief-emotionales und vielleicht sogar notwendiges Band-Projekt ist. 
Mit Torpedo Holiday gewährte er erste Einblicke in seine Gedankenwelt, in Moro brachte er unangenehme Themen zur Sprache und mit Kaywinnet fing er erstmalig an, sich mental zu entblößen. Bria Tharen ist die logische Konsequenz seiner chaotischen und einengenden Gefühle, ein Zugeständnis und Ventil zugleich. Keine Katharsis, aber eine Offenlegung, in der die titelgebende Rebellin eben nicht nur die triviale Statistin in einem epochalen Weltraumspetakel ist, sondern eine emotional-erstarrte Seele, die ihren Mitmenschen mehr Schein als Sein vorlebte; der Axolotl keine ulkig aussehende Amphibie, sondern ein geheimnisvolles Individuum, das bis zum Lebensende in seinem jungen Körper gefangen ist.
Torsten kämpft offen mit seinen Gefühlen, muss diese schier aussichtslose Schlacht aber nicht alleine bestreiten. Für seine Liedtexte und sein musikalisches Konzept erhält er vielerseits Hilfe von befreundeten Musikern, Grafikern und Tontechnikern, wie Anaïs (thefish.and.thepearl, ALLE), Fabian (Sunsetter Recording Studio), Benny (Druckwelle, Interceptor Editions), Haukel Henkel (Songwriting 1. Song) oder FARCE (Songwriting 2. Song), weshalb Bria Tharen auch mehr als kollaboratives Projekt anzusehen ist. Der Sound hingegen ist recht minimalistisch gehalten. Schlängelt sich der Opener "Die Treppe von Flakturm IV" noch bedächtig durch mehrere Etappen und transportiert mit den programmierten Drums etwas mehr Vielfalt, kommt der zweite Song "Heute Abend klingt besser als irgendwann" fast ausschließlich mit e-orgelnden Tönen und Torsten's Schrei-Sprech-Sang aus, was die ohnehin schon düstere Thematik wie ein Abgesang ausklingen lässt.


Band: Bria Tharen

Titel/Release:Axolotl/EP (Digital; Tapes in Planung)

Label: DIY/Bandcamp, Interceptor Editions (Tapes)

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Singer/Songwriter-Emo, Screamo, Sadcore

FFO: Skinrise, Angel's Eyes, The Scarabeusdream

Links: Facebook\\//Instagram






DL "Axolotl"

Mittwoch, November 14

Pigeon - Bug



Kurzinfo:

Die Veröffentlichung ihres ersten Longplayers liegt noch nicht einmal ein halbes Jahr zurück, da meldet sich das umtriebige Quartett Pigeon auch schon wieder mit einer neuen EP an. "Bug" enthält fünf Songs, die nahtlos mit dem zuletzt kühler gewordenen Sound der Band verschmelzen. 
"Concern" balanciert gleich zu Beginn auf einem unangenehm stechenden Nagelbrett. Die schneidenden Gitarren, der tief-kratzende Bass, die harten Schläge der Drumsticks und der wie in einer großen, leerstehenden Lagerhalle umher irrende Hall-Gesang von Denes Bieberich - alles klingt nach mühselig-schleppender und schweißtreibender Schwerstarbeit. Auch das folgende "Ideal" startet eigentlich mit einem recht zugänglichen Riff und schraubt den Noise-Anteil etwas hoch. Doch trotz einiger höherer Anschläge, schafft es auch dieser Song nicht vollkommen aus seiner grund-düsteren Aura auszubrechen. Erst mit dem instrumentalen Titeltrack treibt die EP allmählich aus der Melancholie und mündet schließlich im fast schon ausgelassenen Closer "Hoisin".
Nach ihrem externen Labelausflug, erscheint "Bug" als Tape über das vom Flennen-Kollektiv supportete Leipziger Klein-Label Tortellini Records.


Band: Pigeon

Titel/Release: Bug/EP (50x Tape; Digital)

Label: Tortellini Records

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Post-Punk, Wave, Noise, Alternative, Industrial

FFO: The Jesus Lizard, Milemarker, No Trend, Sonic Youth

Links: Facebook\\//Bandcamp\\//Blog\\//Flennen




DL & Buy "Bug" Here & Here


Montag, November 12

Migal - Migal



Kurzinfo:

Im Norden Deutschlands hat die musizierende Bevölkerung noch immer kräftig Spaß am Splitten und Fusionieren. Eines dieser neueren Freundschaftsprojekte hört auf den Namen Migal, die sich auch gar nicht lange feiern lassen wollen und gleichmal mit ihrem ersten Output daher kommen. Auf dem gleichnamigen Debüt sticht sofort der markante Gesang bzw. das gutturale Geschreie vom ex-Chuck Bass-Sänger Felix ins Ohr. Zusammen mit den dynamischen Melodien ehemaliger Reasonist und den verspielten und spontan rhythmuswechselnden Gitarrenläufen einstiger Torpedo Holiday und Bijou Igitt, haben die vier Jungs aus Hamburg und Kiel schnell eine gemeinsame Basis für die ersten vier Songs gefunden.


Band: Migal

Titel/Release: Migal/EP (Digital; Tapes in Planung)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Screamo, Post-Hardcore

FFO: Masada, The Tidal Sleep, Todlowski

Links: Facebook




DL "Migal"

Freitag, November 9

SHRIMP - SHRIMP EP



Kurzinfo:

Ende 2016 musste die All-Grrrl-Band Ball Torture den Abgang ihrer Gitaristin verkraften, was mit der folgenden Suche nach adäquaten Ersatz schließlich den ersten Kerl in die Band spülte. Da der vorher praktizierte "Schwanzrock" (Quelle: FB/Torture Ball) somit scheinbar mit einem Verlust der Glaubwürdigkeit einhergehen würde, setzte die Aachener Band lieber gleich auf einen Neuanfang - hallo SHRIMP. Mit einem zusätzlichen Keyboarder an Bord, huldigt das angewachsene Quintett nunmehr dem "Überschrimp" oder hat sich der Suche nach einem solchen verschrieben, was weiß ich. Anarchistischer Spaß steht jedenfalls weiterhin ganz weit oben auf dem Programmzettel der Band, der auf der selbstbetitelten Debüt-EP in sechs eingängige Punkrock-Nummern mit viel Rockröhren-Appeal mündet. Und je nach Lust und Laune der Sängerin, rücken die überschaubaren Akkorde dann auch mal gerne an die Ränder zum Garage, Hardcore- und Streetpunk. Alles tanzbar, nicht's muss!
Und weil das nunmal so ist, hat die Band kürzlich den Restbestand ihrer selbstproduzierten, Cover-losen Tapes nochmal schnell ein Artwork zurecht gebastelt - mit einem Bild vom Tape. Klasse!


Band: SHRIMP

Titel/Release: SHRIMP/EP (Tape-Edition without Cover; last Copies w/ Cover; Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2017/2018

Genre: (Hardcore-)Punk, Riot Grrrl, Synthie-Punk

FFO: Ball Torture, Inner Conflict, Til Schweiger Must Die & Die Sky Du Monts

Links: Facebook\\//Bandcamp




DL & Buy "SHRIMP"

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Mittwoch, November 7

Ebisu - Paris/Berlin



Kurzinfo:

Sucht mensch im Netz nach dem Begriff "Ebisu", könnte er/sie auf ein chinesisch wirkendes, sich allerdings als japanisch herausstellendes Restaurant in Frankreich stoßen. Das ist toll, aber irgendwie auch wenig hilfreich. Geht die Suche weiter, stolpert mensch unweigerlich über die shintoistische Gottheit Ebisu, dem Geist der Fischer und des Glücks, womit mensch der hier avisierten Sache schon etwas näher kommt. Der japanischen Mythologie nach, wurde Ebisu als Krüppel geboren (ohne Knochen), weswegen ihn seine Eltern in einem Boot aussetzten. Als er an den Strand einer japanischen Insel angespült wurde, erwachte er zu neuem Leben. Genau dort will das gleichnamige französisch-deutsche Duo musikalisch ansetzen - laut, krachig, imposant, impulsiv. Kein Wunder also, dass Ebisu, The Band, in ihrer experimentellen Vielfalt nicht selten an die japanischen Zeuhl-Götter Ruins erinnert. Und so trudelt der Opener "Le Concert" auch fast schon majestetisch ein und irrt folgend in seinen knapp acht Minuten Spielzeit zwischen trashigen 70er-Jahre-Keyboardsounds und wild umher hüpfenden Avant-Jams.
Ebisu ist ein Nebenprojekt von Jean Jacobi (Guts Pie Earshot, Tecbilek, Subvasion) und Emmanuel Aldeguer (42 The Band, AL°R), den ich seit H.O.Z. schon etwas lieb gewonnen habe, ohne mich jetzt komplett als Groupie entblößen zu wollen. Eben jener leiht dem folgenden El Machetti-Remix des Openers auch seine Stimme, was den Wahnsinn in eine ganz andere Ecke drängt. Den letzten A-Seiten-Song, ein Idiot Saint Crazy-Remix des Openers, will ich an dieser Stelle nur mal höflichkeitshalber erwähnen.
Die B-Seite setzt die wilde Odyssee zunächst über drei Songs verteilt in Berlin fort. Vom Prenzlberg über F-Hain bis nach Lichtenberg, schafft es das Duo trotz minimalistischer Instrumentierung und ohne Gesang, die Hektik und Tücken der Großstadt einzufangen und in eine fast schon Noir-mäßige Verfolgungsjagd durch die 70er ausarten zu lassen. Auch wenn die eingesetzten Stilmittel sicherlich begrenzt sind, gestalten sich die Songs vor allem durch die vielen Rhythmuswechsel als äußerst spannend, die nie im unüberschaubarem Chaos enden. Dass die EP dennoch im noisig-überlagerten "St. Petersburg" ihr knirschendes Finale findet, rundet das Gesamtbild eines, im wahrsten Sinne des Wortes, internationalen Releases ab.

"Paris/Berlin" wurde ursprünglich als Crowdfunding-Projekt über Indiegogo gestartet, das sein Mindestziel allerdings nicht erreichte. Emmanuel Aldeguer finanzierte das 10"-Vinyl-Release daher kurzerhand aus eigener Tasche mit Hilfe von Broken Silence und dem Major Label. Wer eine Scheibe haben möchte, wendet sich somit ungeniert an dem Franzosen.


Band: Ebisu

Titel/Release: Paris/Berlin / EP (Black 10"-Vinyl; Digital)

Label: DIY

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Noise-Rock, Experimental

FFO: Mike Patton, Ruins, Rotor
                        _               _
         Links:     \_(°_°)_/


Buy via PM on FB to Emmanuel Aldeguer or Mail to: manuhoz@gmail.com





Montag, November 5

Chambers - Depart\\Disappear



Kurzinfo:

Täglich erreichen uns neue schockierende Nachrichten über Hass, Angst, Tod und Elend aus aller Welt, während Patrioten, rechtsoffene und besorgte Büger zu verunglückten Flüchtlingsbooten applaudieren und sich gleichartige Politiker Abschiebungen zum Geburtstag schenken. Keine Frage also, dass der Black Metal dieser Tage gewiss nicht mehr auf satanische Kulte angewiesen ist, denn die Hölle auf Erden erreicht uns jeden Tag aufs Neue. 
Eben jene nihilistische Energie bündeln Chambers für ihren düsteren Sound, der sich verteilt auf sechs Songs auf ihrem Debüt-Album "Depart//Disappear" ausbreitet. Nicht menschenverachtend, aber vielleicht als mahnende Dystopie zu verstehen, in der ein Miteinander mit so viel emotionaler Leere auf Dauer nicht gut gehen kann. Der melancholische Einstieg des Openers "Wretchedness" könnte fast über diesen Umstand hinwegtäuschen, zumindest solange, bis das Gekeife einsetzt. Was verteilt über den folgenden 33 Minuten folgt, ist ein a-puristischer Ritt durch morbiden Düster- und Post-Hardcore, der mit furiosem Black Metal-Geballere in die Sporen geht und durch post-rockige Soundscapes trabt. Zwischendurch gilt's den einen oder anderen Ausflug in den Blackgaze zu entdecken, wie z. B. in "End Transmission". Selbiger Song erinnert mich mit seinem morbide-brummenden Intro stark an den Score des Netflix-Films "Wolfsnächte" (solltet ihr euch mal geben, passt auch insgesamt ziemlich gut zum Thema hier).
Insgesamt ein tolles Album, das bislang leider nur digital erschienen ist, und eine klare Empfehlung für alle Schwarzmaler.


Band: Chambers

Titel/Release: Depart//Disappear/Album (Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Black Metal, Blackened Hardcore, Post-Hardcore

FFO: Der Weg Einer Freiheit, Hexis, Thurm

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Stream & Buy Digitally "Depart//Disappear"



Freitag, November 2

Schelm - Ein bisschen mehr...



Kurzinfo:

Mensch könnte auch meinen, dass eine Platte, die es bereits in den Vertrieb von Saturn, Mediamarkt, Weltbild & Co. geschafft hat, normaler Weise schon zwei Ligen zu hoch spielt für unsere kleinen Blogseiten. Dabei läuft bei der schweizer Band Schelm noch vieles in Eigenverantwortung ab. Nach der Split-EP mit Die Braunen Raketen im Jahr 2016 und einer Deutschland-Tour, veröffentlichte das Baseler Quartett nun auch sein Debüt-Album "Ein bisschen mehr..." in Eigenregie. Die Aufnahme und Produktion lief abermals im heimischen Proberaum ab, den Mix und Master übernahm Nico Vetter (prettylivesessions, Lygo, uvm.), der sich ja Gerüchten zufolge mit solch einen D.I.Y.-Kram ganz gut auskennen soll.
Mit ihrem Clip zur Vorab-Single "Schallalala" hatten wir die Band bereits auf dem Schirm und sie vor allem Fans ehemaliger Muff Potter nahegelegt. Daran hat sich im Grunde auch auf Albumlänge nichts geändert. Angeführt vom stark eintrudelnden "Mühlen", knallen uns die Schweizer zehn emotionale und eingängige Songs vor den Latz, die sich strikt im Spannungsfeld zwischen Emo- und Indie-Punk bewegen. Naja, ausgenommen der Song "Nein sagt schon sollen wir", der mit viel Wohlwollen auch im Deutschpunk verortet werden könnte, wenn mensch die Band dort unbedingt sehen möchte. Das aber nur als Randnotiz, denn insgesamt besticht das Album vor allem durch seine intensiven bis erschöpfenden Gefühlsschwankungen, die fast im Alleingang von Sänger Fabian's wechselnden melancholischen Gesang und Reibeisengedresche hervorgerufen werden. Erstgenantes kann bisweilen bekanntlich auch ziemlich unangenehm werden, etwaige Beispiele kann sich jede/r selbst aus dem deutschsprachige Mainstreamsektor heraussuchen. So ist das nunmal: wo persönliche Texte, da eben auch Melancholie. Doch zum Glück versickern Schelm selbst mit ihrer Quasi-Ballade "Wofür du brennst" nicht all zu tief im seichten Pop. Das ist gut. Es wäre ja auch ein Jammer, dieses tolle Kehlchen für belanglosen Mainstreamkitsch zu verschwenden, wie es die Fronttypen von AnnenMayKantereit oder Jupiter Jones ja gerne machen.


Band: Schelm

Titel/Release: Ein bisschen mehr.../Album (50x Ltd. Numbered Black Vinyl Edition w/ Screenprint from Dani Mahrer; Regular Black Vinyl Edition; Digital)

Label: Sportklub Rotter Damm (Digital)

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Emo-Punk, Emo-Pop, Indie-Punk

FFO: Muff Potter, Jupiter Jones, Matula

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Mittwoch, Oktober 31

DEW - Dew-Stortion//Dew-Morgen



Kurzinfo:

Mit "Dew-Stortion//Dew-Morgen" legt uns die Oberhausener Band DEW ihr Debüt-Album vor. Und was für eins! Das kryptisch veranlagte Trio, dem Mitglieder ehemaliger Powerpissed und Clarkys Bacon angehören, klingt mit seinem apokalyptischen Sound wie eine Dystopie der in den 70er-Jahren von Kraftwerk prognostizierten "Mensch-Maschine"-Beziehung.
Das Zusammenspiel der rumpeligen Drums, den molligen Saitenanschläge und dem gequälten Gesang, wirkt wie monoton-maschinelle Akkordarbeit, die eine düstere bis erdrückende Atmosphäre schafft. Die Proberaumaufnahme mit anschließenden Live-Overdub-Vocals, dürfte dem Gesamtbild dieses beklemmenden Kleinods sicherlich zu Gute gekommen sein.

Wer an eine CD-r in Vinyl-Look in selbstgebastelter Hülle (zwei Artwork-Varianten, siehe Bandcamp) interessiert ist, schreibt der Band eine Mail.


Band: DEW

Titel/Release: Dew-Stortion//Dew-Morgen/Album (Selfmade CD-r on demand; Digital)

Label: P.O.G.O. Records (Digital)

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Alternative, Industrial, Noise-Rock, Post-Punk, Wave

FFO: Gewalt, Pigeon, Vlimmer, AUS

Links: Facebook\\//Youtube





DL "Dew-Stortion//Dew-Morgen" Here & Here

Buy CD-r via Mail to: dewcentury@gmail.com


Montag, Oktober 29

Der Bandcamp-Hardcore Vol. 40


Opaque - Genuin



Mit ihrer Mixtur aus Post-Hardcore, Post-Rock, Sludge und Doom, sind Opaque genau der richtige schwer-verdauliche Happen zwischen den Hauptmahlzeiten Fjørt und Alteri. Auf ihrem Debüt-Mini-Album "Genuin", das wie bereits das ein Jahr zuvor erschienene Demo als schick aufgemachte Kassette über das Leipziger Label Bharal Tapes erscheint, beginnen die fünf Hamburger recht kompromisslos, indem sie im Titeltrack ihren zerfahrenen Post-Hardcore mit mathigen Rhythmuswechseln regelrecht zerhacken. "Zerfall" öffnet sich mehr der Melodie und wühlt mittendrin mit hektischen Trommelwirbeln auf, ehe die Band im folgenden epischen "Sink" ihr vielleicht schönstes Gesicht offenbart. Ein Song, der zwei Minuten durch post-rockige Soundscapes mäandert, ehe er Stück für Stück aus seiner düster-melancholischen Atmosphäre ausbricht und über fast schon Kammerspiel-artiges Geplänkel wieder in gewohnte Strukturen verfällt. Opaque sind keine blinden Metzler, wie auch das vierte Stück "Hope Gone" eindrucksvoll unter Beweis stellt, indem das hanse-städtische Quintett phasenweise sogar mit dem Melodic Hardcore liebäugelt.





Kora Winter - Welk EP
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Wer ab und zu eine Auszeit von den üblichen Post-Hardcore-Hörgewohnheiten braucht und gleichzeitig denkt, mit The Hirsch Effekt schon das Höchstmaß an deutscher Experimental-Innovation entdeckt zu haben, der darf gerne mal einen Lauschangriff auf die Berliner Band Kora Winter wagen. Zwischen einem Saxofon-Solo (in "Bluten") und einer weiblich vorgetragenen Akustik-Ballade ("∞"), bewegt sich das Quintett hauptsachlich zwischen progressiv-ausschweifenden Erscheinungen wie Protest the Hero und The Mars Volta, ohne dabei, trotz aller experimentellen Vielfalt, den Bezug zur musikalischen Raffinesse zu verlieren. Das muss Band erstmal so hinbekommen.




Left To Wither - Left To Wither

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So recht will ich noch nicht an einen Zufall glauben, dass sich Left To Wither ausgerechnet nach einen Song von Will Haven benannt haben. Die Band aus Lille birgt sicherlich nicht die große Erleuchtung im Postcore-/Post-Hardcore-Sektor, setzt ihr gleichnamiges Debüt-Album aber immerhin solide und routiniert in die musikalische Praxis um. Immerhin setzt sich das französische Quartett aus bewährten Underground-Musikern von Gruppen wie The March, Watch Your Six!, SunStare und Ira Caine zusammen und kann so schonmal eine Menge Vielfalt in den gemeinsamen, neuen Sound mit einfließen lassen. Bis auf das Intro "Wooden Mice", hält der Fünfer die Dezibelzahl ihrer epischen Songs über 42 Minuten fast konstant hoch, ohne dabei in a-puristische Experimente abzudriften. Muss auch mal sein!



Toadeater - Demo

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Wer es im Black Metal etwas weniger geradlinig mag, könnte an dem jüngst erschienenem Demo-Debüt der Band Toadeater gefallen finden. Drei rohe und ungeschliffene Songs, die neben dem konstant-düsterem Geschreie vor allem Ausflüge in benachbarte Genres wie Crust und Blackened Hardcore unternehmen und sich auch für die eine oder andere akustische Pause nicht zu schade sind.
Für das Demo der Osnabrücker/Bersenbrücker/Vechtarer Band, der u. A. Mitglieder von Misery Vortex und Urinprobe beiwohnen, ist demnächst ein Tape-Release geplant, das über Kellerasseln Records erscheinen wird.



Homes - Youth EP

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Für den bereits a-puristisch getrimmten Post-Hardcoreler hingegen, bietet die Debüt-EP "Youth" der Marburger Band Homes sicherlich keine neuen Aspekte. Wahrscheinlich ist das so aber auch gewollt. Unter dem leidenschaftlich geschrieenem Gesang des Frontmannes, breiten sich melancholische wie melodiöse Post-Rock-Gitarren aus, die sich überwiegend im Mid- und Downtempo-Bereich abspielen. Das Indie-esk vor sich hin plätschernde "Blue Into Grey", das sich zum Ende hin doch nochmal fast schon theatralisch im Melodic Hardcore verliert und das folgende, wesentlich dynamischere "Noble Thought | Miserable Action", bilden bis dato vielleicht den Höhepunkt einer noch jungen Band, die sich von unnötigen Gedanken über Plagiatsvorwürfe und Fahrwasser-Gequatsche nicht ausbremsen lässt.


Buy Physical Version via FB or Mail to: homesmhc@hotmail.com


Dinosaurier - Demos

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Kurzum: Dinosaurier sind offenkundige Fans von Bands wie The Fall Of Troy, A Lot Like Birds, The Hirsch Effekt und Adolar. Und natürlich von Zinnschauer (bzw. dessen Vorband And The Waves Will Carry Us Home), auf dessem Album "Hunger . Stille" drei der Jungs des ehemaligen Quartetts zu hören sind. 
Die zwei Demo-Songs aus dem Jahre 2014, die bislang als einziges Vermächtnis der Band aus Kassel auf Bandcamp ruhen, bieten in diesem Sinne dem geneigten Progressive-/Math-Hörer vielleicht eher wenige Überraschungsmomente an. So kurios das aber auch sein mag, erwecken Bandname, Cover und die beiden routiniert produzierten Songs Lust auf ein ganzes Album, dass sich mensch am besten auf dem Plattenteller rotierend zu Gemüte führen sollte. Wohl eher ein Wunschglaube, denn seit dem Abgang von Sänger Patrick ist es um die eingefleischte Nicolas-Cage-Fangemeinde recht ruhig geworden.

DL "Demos"


We've Got Muscles -  HÆLLSTRŒM

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Auch wir wagen ab und an das eine oder andere Experiment - und quetschen jetzt einfach mal eine Instrumental-Band in ein Hardcore-Volumen.
Das Kölner Trio We've Got Muscles kommt mit klassischer Intrumentenbesetzung (G-B-S) daher und schafft es auch ohne Gesang, die vier Songs der Debüt-EP "HÆLLSTRŒM" äußerst spannend und abwechslungsreich zu gestalten. Grundsätzlich dürfte die Band mit ihrem progressiven wie groovigen Mix aus Alternative, Math, Post-Rock und - um jetzt mal den Bogen zu spannen - post-hardcorigen Gitarrenwänden vor allem Fans von ASIWYFA und Long Distance Calling abholen. 
Wem das für eine Berechtigung in diesem Volumen nicht ausreicht, kann ja mal folgendes probieren: stellt euch zu den dynamischen Parts einfach mal theatralisch-cleanen Emo-Gesang im Wechsel mit gutturalem Gekeife vor. Und? Irgendjemand, der nicht sofort an Chiodos, Crows-An-Wra, Just Like Vinyl, usw. denken muss?

DL & BUY "HÆLLSTRŒM"

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Krachwalze - The Best Of John Bun Jovi

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"Föjetong" wäre wohl der bessere Einstieg gewesen, um euch die Band Krachwalze vorzustellen, ist es so ziemlich das einzige Release mit Albumcharakter. Feste Strukturen und Ordnung sind für die beiden Bremer Hans Sprungfeld (Simpsons-Fans hier??) und Kalle Stein-Hirth allerdings eh nur Schall und Rauch und lediglich dafür da, um aus ihnen auszubrechen. Halbwegs ernst angegangen, könnte man Fans von Gtuk, älteren Les Trucs, Kannibal Krach, Ursus und Lafftrak gleichermaßen eine Hörempfehlung aussprechen. Chiptune, Metal, Mathcore, Grind und Punk-Ironie, werden hier herrlich unbekümmert durch anarchistische Willkür gezogen. Wie auch schon bei ihren Vor- und Nebenprojekten Grünlich Grau und SchreiKrachBumm, muss das nicht jedem/jeder gefallen und trägt nicht nur einen beiläufigen Spaßband-Charakter.
"The Best Of John Bun Jovi" ist nun also auch noch eine lose Sammlung von albumlosen Songs aus den Jahren 2016 - 2018, die nahtlos am ersten Release "Ist Bambis Mutter auch wirklich tot, wenn niemand ein Bild von ihrer Leiche auf Facebook postet?" (sorry, aber es war mir ein inneres Bedürfnis, den Titel komplett zu benennen) anschließen. Die Band selbst drückte es in etwa folgender Maßen aus: Wenn das schon die B-Seiten sind, muss der Rest pures Gold sein. 

DL "The Best Of John Bun Jovi"


Samstag, Oktober 27

Heart Circle Part III - Sampler



Kurzinfo:

Einen Sampler zu gestalten ist mit einem enormen Aufwand verbunden, zumindest wenn man das Ganze halbwegs legal aufziehen möchte. Das liegt weniger an die Bereitschaft der jeweiligen Bands und Künstler, als vielmehr an den etwaigen Label-Ansprüchen und mafiösen Machenschaften der GEMA. Da schreiben wir aus eigener Erfahrung. Hat man diese Hürde erst geschafft, gilt es auch noch, die Songs in einer halbwegs homogenen und schlüssigen Reihenfolge zu setzen...
Die Facebook-Gruppe The 90s Screamo/HC/Emo/Indie-Rock Friends war mir bislang zwar ein Begriff, nur hatte ich mich weniger mit deren Inhalt auseinandergesetzt. Umso bitterer ist der Nachgeschmack, denn die Erlöse der Sampler-Reihe "Heart Circle" kamen dem an Herzinsuffizienz erkrankten Admin, Blogger, Outspoken Forum- und Pretty-In-Noise-Rezensenten Marc Köhler zu Gute, der seine letzten Gedanken und Wünsche auf dem Blog "Herzgeschichten" festhielt. Marc hat schlussendlich den Kampf gegen die Krankheit verloren. Und auch, wenn die Tränen der Trauer seiner Mitmenschen noch nicht vollkommen getrocknet sind, können sie inzwischen vielleicht auch mit einem Lächeln zurückblicken - oder eben nach vorne.
Kürzlich veröffentlichte die Gruppe den 84-Song (!!!) umfassenden Sampler "Heart Circle Part III", deren Spenden-Erlös ganz im Geiste des Verstorbenen zu 100% den gemeinnützigen Organisationen "Safe Gigs For Women" und "Agisra" zukommt. Eine große Geste, die sicherlich mit viel Kraft verbunden war und deren Resultat sich durchaus hören lassen kann. Neben zahlreichen mehr oder weniger bekannten, unabhängigen und internationalen Bands, hat sich abermals das Label Midsummer Records als äußerst "spendabel" erwiesen, das mit einigen Sprösslingen am häufigsten vertreten ist. Ansonsten gilt es hier eine Vielzahl an talentierten Gruppen oben genannter Genres zu entdecken. 
Meine Tipps: Boneflower, Ashes Of Pompeii, CATCATCAT, Cortarmao, Erai, Finte, Rivers & Tides, Varan - und natürlich alle anderen auch.


Band: V.A.

Titel/Release: Heart Circle Part III/Sampler (Digital)

Label: D.I.Y/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Emocore, Emo, Alternative, Screamo, Post-Hardcore, Punk

FFO: siehe Genre

Links: Facebook

 



DL "Heart Circle Part III"


Donnerstag, Oktober 25

Platte des Monats 10/18: Oat - Hardy



Kurzinfo:

Passend zum kürzlich veröffentlichtem DIY-Re-Release ihrer tollen Debüt-EP "Oatism", erschien noch kürzlicher Oat's zweite EP "Hardy", mit dem die Leipziger Stoner-Punks auf dem ortsansässigen Label Lala Schallplatten gelandet sind und somit auch auf ihr erstes Vinyl-Release zurückblicken können.
Im Vergleich zum experimentellen Vorgänger, startet das neue Werk mit dem Opener "Bernd" und dem folgenden "Ritalin" recht eingängig und erinnert mich stark an eine Mischung aus jugendlich-ausgelassenen wie drückenden Post-Millenium-Alternative-Emocore-Combos wie Element Eighty, Colour Of Fire oder Emanuel. Aber bereits der dritte Streich "Papaya" liebäugelt ungeniert und vielleicht auch provokativ mit Freestyler-Heavy-Rock, während "Meatbags" mit etwas mehr texanischem Wüstenstaub rumröchelt. Spätestens aber mit dem fünften Song "Young Blood" und dem Closer "Rogger Density", der standesgemäß mit einem Vocalensemble ausklingt, sind Oat wieder in ihrem eigenen, unberechenbaren Klang-Kosmos angekommen.
Ich laß am kürzlichsten in einer "Hardy"-Review, dass der Rezensent vor allem diese Inkonstanz nicht richtig einordnen könne. Nunja - abgesehen davon, dass besagten Online-Schreiberling scheinbar die Debüt-EP entgangen ist, würde ich an dieser Stelle mal behaupten, dass vor allem dieser spannende Mix aus hartem Groove, (Pop-)Punk-affinen Melodien, etwas Gossen-Rotzigkeit und willkürlichen Wendungen, den Reiz dieser Band seit jeher ausmachen.


Band: Oat

Titel/Release: Hardy/EP (Yellow Vinyl; Digital)

Label: Lala Schallplatten

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Stoner Rock, Punk, Alternative, Experimental

FFO: Colour Of Fire, Element Eighty, Cannahann

Links: Facebook\\//Youtube\\//Bandcamp




DL "Hardy"


Buy Here, Here or via Mail to: oaterspace@gmail.com


Dienstag, Oktober 23

0101 - 0101



Kurzinfo:

Gerdas Tanzcafé goes ARTE! Genau richtig, um unsere kunstbanausischen Blog-Seiten mal wieder mit etwas Kultur aufzupolieren, landete kürzlich elektronische Post vom bayerischen Label Hicktown Records in unserem Mail-Konto. Anfangs noch in der Annahme, in der Betreffzeile "Album 0101" die Katalognummer des angepriesenen Releases gelesen zu haben, stellte ich wenig später fest, dass es sich bei dieser Zahlenfolge tatsächlich um Band und Album gleichermaßen handelte.
Hinter 0101 verbirgt sich der Dokumentarfilmer und Fotograf Daniel von Rüdiger, der sich für die audio-visuelle Projekt-Idee Gitarrist Stefan Carl mit ins Boot holte. Entsprungen ist diese Idee Rüdiger's 2014 absolvierter Papua-Neuguinea-Reise, auf der er abegelegene Dörfer besuchte, die verschiedenen Kulturen wie auch (über)lebens-notwendigen Arbeitstechniken der jeweiligen Dorfbewohner begleitete und schließlich zur preisgekrönten Kurz-Doku "Kanu Belong Keram" zusammenfügte.
Musikalisch bewegt sich das Duo wohl grob im ambienten - oder wie die beiden Künstler es selbst nennen - cineastischen Post-Rock, basierend auf bedächtigen Gitarren-Loops, Drum-Samples und elektronischen Verzerrungen, die von den aus den Dokumentationsaufnahmen gewonnenen Field Recordings in einen besonderen Rhythmus geleitet werden und somit eine Eigendynamik entwickeln, die schlussendlich von einem beispiellosen und hypnotischen Sog eingefangen wird.
Auf dem Debüt-Album "0101" hausen zwei Songs, die sich die Gesamtlänge von 33 Minuten so ziemlich gerecht aufteilen. "Kanu" beschreibt den gemeinschaftlichen, kräftezehrenden Bau eines Einbaums und das erfolgreiche Zuwasserlassen, während "Sago" die Ernte und deren Bedeutung eines in dieser Region wichtigsten Grundnahrungsmittels thematisiert.
Laut Rüdiger und Carl, soll auf "0101" das Leben in einer post-industriellen Gesellschaft ("komplex und leicht"), der einer sich selbst versorgenden ("einfach und schwer") gegenüber gestellt werden. "Wertungslos", wohlgemerkt, wobei die beiden Begrifflichkeiten der Vernunft sicherlich schonmal mit einem kleinen Zaunpfahl zuwinken. Klar, eine Gesellschaft, deren Angst sich vor allem von dem vermeintlichen Verlust tonnenschwerer, unnützer Luxusgüter nährt, sieht sich nunmal ganz anderen moralischen Problemen ausgeliefert. Allein der Aspekt, dass Rüdiger von den Dschungel-Bewohnern freundlich aufgenommen und als oberstes Gebot nach dem einheimischen Brauch vor den dortigen Gefahren beschützt wurde, steht leider im krassen Widerspruch zu den Gewohnheiten der westlichen Länder.
Auch, wenn die beiden Musiker ausdrücklich darauf bedacht sind, "0101" ausschließlich als audio-visuelles Projekt zu betrachten, ist es ihnen gelungen, oben erwähnten Kontrast in einem organischen wie nachvollziehbaren Sound einzufangen. Die zwei Songs wurden live in einer Industriehalle aufgenommen, anschließend auf analogem Tape gemastert und schlussendlich auf Vinyl gepresst.


Band: 0101

Titel/Release: 0101/Album (100x Black Vinyl; Digital; Audio-Visuell)

Label: Hicktown Records

Erscheinungsjahr: 2018

Genre: Field Recordings, Cinematic Post-Rock, Instrumental, Ambient

FFO: Tim Kinsella, Danijel Zambo, Case Western

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Teaser & Buy "0101"


Jahres-Sampler