Sonntag, September 15

10 Jahre LYGO Tourabschluss w/ Mr. Linus [Konzertbericht]



Am Samstag spielte die Gruppe LYGO das letzte Konzert ihrer Mini-Tour anlässlich ihres 10-jährigen Bandbestehens im Badehaus Berlin. Damit feierten sie nicht nur ihr Jubiläum, sondern auch das vorerst letzte Konzert für eine ganze Weile. Ein trauriger Moment für den Musikliebhaber und -Journalisten in mir, so schrieb ich doch 2015 eines der wenigen ersten Reviews zu der damals noch unbekannten Band - damals noch als Gastautor für ein befreundetes Zine. Daher musste ich dieses besondere Konzert unbedingt mitnehmen.
Da wir Tanzcafé-Autoren uns irgendwie auch verabschieden wollen, gab uns dieses Abschiedskonzert den passenden Anlass darüber zu berichten. Nebenbei bemerkt, ist dieser Text aber auch ein Neuanfang und stellt meinen ersten Konzertbericht überhaupt dar.

Wenn ich das Konzert in einem Wort beschreiben müsste, wäre es schlicht: Erstaunlich. Denn mir wurde erst während des Konzerts die krasse Bedeutung und Entwicklung der Postpunks klar, was ich von diesem Genre bisher gar nicht so kannte. Die Band hat die Menge angeheizt. Es gab eine tobende Crowd und selbst Menschen jenseits der 2-Meter-Größe, die man sonst nur am Rande zusehend oder auf einem Hardcore-Konzert erwartet, gaben ihr bestes im ausverkauften Badehaus. Dass die Band Songs von allen ihren Releases gespielt hat, sogar von ihrer 12-Minuten-EP (2012!), gab aber auch allen Grund zum ausrasten. Zwischendurch gab die Band den Hinweis, dass ihr brandneuer Track Kloß im Hals auf 7" Vinyl und Zeit für dich (Song der Demo-EP) auf der B-Seite neu veröffentlicht werden soll. Da man an die Demo-Aufnahmen kaum noch rankommt, darf man hier sehr gespannt auf die Neuvertonung sein.
Da es zu Lygo ansonsten bereits Reviews en masse gibt, endet mein Bericht an dieser Stelle für den Lygo-Part.

Komme ich also zur grandiosen Vorband Mr. Linus. Anna und Rebecca an Gesang und Gitarren, Dave am Schlagzeug. Eine interessante Konstellation für dieses Genre. Female vocals sind da eher untypisch, klingt aber herrlich emotional. Und so vergoss ich auch meine Träne in der Crowd. Die Musik ist ähnlich schwermütig wie Lygo, tiefe und hohe Geschreie durchbrechen den sanften Sprechgesang der jeweils anderen Frontfrau. Dazu passend verzerrtes Gitarrenspiel mit, die Visions beschreibt es als, "vertrackte Rhythmusverschiebungen". Das geht unfassbar schnell ans eigene Gemüt. Mit Revue bringt die Band sogar bereits eine erste EP auf 12" mit, die einen ersten Eindruck von dem Konzerterlebnis widerspiegelt. Solltet ihr unbedingt mal anhören.


Band: Mr. Linus

Titel/Release: Revue

Label: DIY

Erscheinungsjahr: 2019

Genre: Postpunk

Links: Facebook

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Montag, September 9

Egotronic - Ihr seid doch auch nicht besser



Wo sind all die Linksradikalen mit dem Schießgewehr
und wann schießen Sie auf Nazis? Schala oh yeah!


"Ist das der nächste geplante Terror-Akt dieser linksversifften Gewalttäter?" denkt sich womöglich der Großteil der sächsischen Bevölkerung nun. Die Aggression des neuen Egotronic-Longplayers Ihr seid doch auch nicht besser ist das mindeste was die braune Brut verdient. Er ist Sinnbild dessen, was hierzulande in der Politik richtig schief läuft. Medien und Verfassungsschutz schlüsseln die geheimen Aktivitäten rechter Strukturen Tag für Tag auf. So werden Waffendepots in Nazidörfern ausgehoben und bei Personen mit gutem Draht zu Politikern in AfD-Kreisen 'Todeslisten' sichergestellt - und trotzdem werden linke Aktivitäten zum lebensbedrohlichen Politikum in Deutschland gemacht. Ich persönlich verstehe gar nicht, wie das überhaupt verargumentiert werden kann. Für meine Person besteht nicht mal ein Hauch Zweifel an das durch und durch Kriminelle im rechten Spektrum. Genau so sehen das auch Egotronic und pfeffern vor Wut mit ihrer ersten Single Linksradikale so viel Dynamit auf die rechte Alltäglichkeit, dass das Album der Indizierung nur knapp entkam. Schade eigentlich, denn ein indiziertes Album einer Band, die das Fingerzeigen der Politiker und das Ermitteln der Verfassungsschutzes gegen Linke kritisiert, hätte die Platte auf so vielen Ebenen interessanter gemacht.


Grund genug also, dass mit Hundesohn und Der Bürgermeister zwei ganz bestimmte deutsche Politiker höchstpersönlich beleidigt werden müssen. Passend dazu, aber im gesamten Album präsent: Frontmann Torsun überlässt fast durchgängig seiner Band die Gesangspart und schreit fast durchgängig ins Mikro. So wird aus Garagenelektro wütender Punk, der durch verspielte Synths dann doch zum Tanzen animiert. Für die Fans liefern Egotronic quasi nur das beste ihrer bisherigen Musikkarriere und zaubern eine Mischung aus ihrem Erstling ...die richtige Einstellung und Keine Argumente!.
Die zweite Single Kantholz, zu der es auch schon ein Video gibt, steht für diesen speziellen Sound Parade und reitet geschickt zwischen Ehrlichkeit und Ironie.


Kantholz ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Songs des Album, weil er die braune Suppe mit seiner eigenen perfiden Denke konfrontiert. Deutlich sichtbar an den zahlreichen Hass-Kommentaren Rechter:


Alleine beim Kantholz-Video finden sich mehr als 1.000 rechte Kommentare. Jedes davon wurde im Schnitt 50 Mal geliked. Alleine gestern fand ich 200 Nutzerkommentare mit direkter Morddrohung oder antisemitischen Inhalten (Kein Screenshot davon, da heute bereits gelöscht. Danke Youtube!). Auch wenn dies kein Indiz für die Qualität des neuen Egotronic-Knallers ist, so zeigen die Zahlen doch deutlich die Verhältnisse in Deutschland und die Wichtigkeit des 9. Langspielers.

Wie es im Elektropunk und für Egotronic üblich ist, gibt es weiterhin wieder ein paar nette Feature-Gäste, eine Coverversion eines Punkrock-Kultsongs und noch so manch andere "Gemeinheiten", die dieses Album perfekt abrunden. Alles andere müsst ihr nun aber wirklich selbst herausfinden.


(- Demo-Version für die Antikörper Radiosession -)

Links zum kaufen und anteasern findet ihr alles auf der offiziellen Seite bei Audiolith.
Release ist schon dieser Freitag der 13te. Für Nazis ist dieser Tag der Horror.



Band: Egotronic

Titel/Release: Ihr seid doch auch nicht besser

Label: Audiolith Rec.

Erscheinungsjahr: 2019

Genre: Electro, Garage, Punk

Links: Bandpage\\//Facebook\\//Audiolith Rec.

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