Samstag, Oktober 11

Der Bandcamp-Hardcore Vol.26

Subversion



Selbst ein scheinbar hypermodernes Subgenre wie der Technical (Death-) Metal ist mittlerweile randvoll gefüllt mit vertretenden Bands. Klar, während einige von ihnen progressive Ausflüge unternehmen, versuchen andere widerum das Ganze mit Jazz-Einlagen aufzupeppen. Letztendlich ist aber alles irgendwie schon mal da gewesen, sodass sich junge Bands nicht an der Neuerfindung des Rades aufhalten, sondern vielmehr die Frage stellen sollten, wie man aus der breiten Masse herausstechen kann.
Subversion aus der geschichtsträchtigen, englischen Grafschaft Kent überzeugten bereits auf ihrem selbstveröffentlichten Debüt-Album "Lest We Forget" (2010, auch als CD über den Bigcartel-Shop erhältlich) mit einem enormen Songverständnis und Kreativität. Ende 2013 legte das Quintett eine EP nach, auf der sich mit "Butchered" und "What We Are Entitled" zwei Redux-Versionen ihres Debüts und zwei neue Songs wiederfanden, die die Marschrichtung für das 2014 angekündigte zweite Album vorgeben sollten. Doch trotz der besseren, druckvolleren Produktion der vier Tracks, die zweifelsohne für oberbegriffgebenden Metal angemessen, wenn nicht sogar notwendig ist, fügt sich die Band mit ihrem zweiten Release eher dem Klassendurchschnitt. Damit kann man sich durchaus zufrieden geben (Fans werden ohnehin eine andere Meinung vertreten), zumal Subversion mittlerweile auf eine solide Fanbasis blicken können. Fiese, harte Doublebass- und Blastbeats-Attacken lassen Genreherzen im gewohnten Takt schlagen, während hintergründig unterkühlte und sphärische Synthies schweben. Der Wechsel vom, von Neumitglied Karl Harrigan entfachten, Growlgewitter und Kai Giritli's herzzerreißenden, manchmal vielleicht etwas zu dick aufgetragenen, cleanen Gesang, formen "Transcend" endgültig zum standesgemäßen Genrewerk. Ob das reicht, wird sich mit der Zeit sicherlich zeigen. Gelegenheit dazu bietet das Label Rogue Records America, mit dem Subversion kürzlich einen Vertrag über zwei Alben aushandelten.

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DL Transcend EP




Oak

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Unter dem ursprünglichen Bandnamen Anchors & Roses debütierten die drei Schweden von Oak Ende 2011 mit der EP "Distance", die nicht nur wegen der Liveaufnahme noch wesentlich wüster und chaotischer klang, als die zwei folgenden Releases unter dem neuen Namen. Den Hintergrund des Namenwechsels konnte ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen, auch wenn ein recherchierender Gedanke ausgeschlossen werden kann. Stieß man vorher bestenfalls auf einschlägige Tattooseiten, muss man nunmehr genauer hinschauen, ob einem die Suchmaschine nicht doch Ergebnisse zu einer deutschen oder französischen Post-Rock-Band gleichen Namens aufzeigt. Wie auch immer. Über ihre zweite EP "Chapter III" bis hin zum jüngst erschienenem, selbstbetitelten ersten Longplayer haben Oak weiter an ihrem Sound gefeilt und sich eine breite Basis geschaffen, auf der sich die Band schizophren zwischen Chaos-, Noise- und Mathcore, Punk und sludgigen Post-Hardcore austoben kann. All diese Stilelemente finden sich formvollendet und in drei Chaptern gegliedert auf ihrem Album wieder. Mit dem morbide klimpernden und düster fidelnden "Galanty Shows", in dem die beiden Filur-Violinistinnen Alma Eriksson und Gabriella Josefsson zu hören sind, und dem akustischem "The World", hält das Album zudem zwei Ausreißer parat.
"Oak" ist als blau-weiß-gespränkeltes und schwarzes Vinyl über das beheimatete Label HoboRec und dem süd-deutschen Partnerlabel Woodhammer Entertainment erhältlich, sowie als limitiertes Tape über Miss The Stars Records.

DL S/T 12" Here, Here & Here
DL Chapter III EP-Tape
DL Distance CDEP Here

Buy Here, Here, Here & Here


Given Chain

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Dass sich Tool in diesem Jahr tatsächlich nochmal mit einem neuen Album zurückmelden wollen/werden, konnten Given Chain im Jahr 2010 ja nicht wissen. Scheinbar etwas voreilig haben die vier Hannoveraner nämlich schon die langsam schwindenden Fußstapfen der amerikanischen Progressive-Metal-Ikonen besetzt. Eine extravagante Band wie Tool lässt sich nun aber sicher nicht 1:1 kopieren, und auch wenn sich Given Chain verdächtig nahe am Sound ihres großen Vorbildes bewegen, so setzen sie dennoch genügend eigene Akzente, um nicht als bloßer Abklatsch in die Ecke abgestellt zu werden. Die Band ist redlich darum bemüht der Eingängigkeit zu entfliehen. So beginnt ihre Debüt-EP "Cycle of Excuses", von der sie in Eigenregie eine limitierte Auflage an CD's pressen ließen, mit dem recht düster doomigen "Thinking Sun", gefolgt vom riffverliebten "Clayboy", dass sich im Mittelteil erst durch einen manischen Monolog quält und zum Ende hin über den wütenden Ausbruch entlädt. Und während "Manimal" fast schon am Rapcore kratzt, zeigt sich die Band im acht-minütigen Schluszsong "Cripplecism" noch mal von ihrer verspieltesten Seite. Hier allerdings deutet sich auch schon Given Chains größte Schwäche an, nämlich wenn Frontmann Conny Thees eine fast schon leiernde Art Mönchsgesang zelebriert. Besonders schräg klingt das dann im Endspurt des Songs "Capacity" ihrer zweiten EP, die schon mal einen Vorgeschmack auf das geplante Album geben soll. Dann doch lieber energisch, verbissen und trotzig.

DL Capacity/NoNoah EP
DL Cycle of Excuses EP

Buy CD via Mail to: givenchain@gmx.de


 Souls For Sale

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Wer sich noch vage an unseren ersten Sampler erinnern kann, der dürfte auch was mit dem Namen Souls For Sale anfangen können. Den Song "Zielenvisserij" steuerte uns das Bielefelder Quintett damals noch vor dem offiziellen Release ihres ersten Longplayers "Scavenger" bei, was mich zugegebener Maßen noch heute mit Stolz erfüllt. Die Band spielt punkaffinen Hardcore mit Metalbreitseite. Kompromissloses Geschreie zu nicht weniger kompromissloses Gezimmere, egal, ob der Song nun an der Vier-Minuten-Marke kratzt oder keine zwei Mintuen durchhält. Gitarre, Bass und Schlagzeug bilden dabei eine wummernde Masse, die sich entweder im Gehörgang einmeißelt oder bis zur Grenze zum Sludge schleppend voran quält. Dass sie dem näheren und düsterem Umfeld des AJZ Bielefeld entsprungen sind, kann man ihnen jederzeit anhören, denkt man beispielsweise an ähnlich fiese und finstere Gruppen wie Ruins oder Sickmark. Den entsprechenden druckvollen Sound ihrer Debüt-LP lieferte die Tonmeisterei Oldenburg, wo sich die Band auch im Juli dieses Jahres erneut einnistete und acht Songs für das geplante zweite Album aufnahm.

DL & BUY Scavengers LP
DL & BUY All My Favorite Love Songs Are By Cannibal Corpse EP

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Distemper (IT)

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Das Trio Distemper aus dem italienischen Genua ist derzeit eine der umtriebigsten und aktivesten Punkcombos Italiens, sowohl auf als auch abseits der Bühne. In ihren meist relativ kurz gehaltenen Songs verbindet die Band old schooligen Hardcore-Punk mit Fastcore, der - trotz Sprachbarriere - extrem wütend und giftig aus den Boxen schnellt. Keine Frage, mit den drei Jungs ist nicht gut Kirschen essen - zumindest als Rassist, Sexist oder ein anderes, artverwandtes Arschloch. Ihre Diskografie ist bislang mit zwei Alben und einer Split bekleidet, die die Band in den Jahren 2011 bis 2013 mit Hilfe diverser D.I.Y.-Labels (u. A. Obdura, Laterna Pirata) veröffentlichte. Mittlerweile unterhalten 2/3tel Distemper sogar ihr eigenes Label (Cimurro D.I.Y.) oder haben sich in regionale Szenekollektive wie Kalashnikov etabliert. Das ist wichtig, nicht nur zuletzt um zu zeigen, dass Italien nicht nur rassistische Hooligans beheimatet.

DL & BUY Sed Non Satiata LP
DL & BUY Dritto Nel Nulla CD

Split /with Rauchers ->Höre A-Seite//DL B-Seite

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Chevin

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Play fast, live short, die loud - oder so ähnlich... . Beim Dresdner Quintett Chevin geht alles irgendwie drunter und drüber, manchmal auch einfach nur direkt mittendurch. Die Band prügelt sich durch pfeilschnellen, asozialen Fastcore und Hardcore-Punk-Trash und schlägt somit in die gleiche Kerbe von nicht weniger durchgeknallten Combos wie Henry Fonda, WØLFENSTEIN, Nihil Baxter oder Derbe Lebowski. Während ihres bislang drei-jährigen Bestehens brachten es Chevin auf 38 veröffentlichte Songs, verteilt auf vier Releases und mit einer Gesamtspielzeit von nicht einmal 26 Minuten. Mehr muss, glaube ich, gar nicht erwähnt werden.

DL Split-Tape w/ Anxiety Attack Here & Here //\\//\\ Buy Here, Here & Here

DL Split-7" w/ Huffin' Paint Here & Here \\//\\// Buy Here, Here & Here

DL The First Year Tape

DL Das wilde Dutzend und ein Happen Pferdefleisch Demo


Dead Hand

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Samurai Tod - lang lebe Dead Hand! Naja, zumindest im feisten Fastcore- - oder wie die Band ihren Stil selbst umschreibt "Blackened Chaos Punk" - Herz und in zwischenzeitlichen und aktuellen Bands wie Unru, Pttrns, We Now Walk, Make Out, BÆRKOTZKI oder Equality. Ende 2011 veröffentlichten die vier Braunschweiger/Dresdner/Bielefelder mit "Junge Menschen und ihr Sport" ihren bis dato letzten Song. Neben einigen Demos, was hinsichtlich des allgemein rauhen und rohen Proberaumsounds der Band eigentlich eine unnötige Herabwürdigung darstellt, konnte sich die überschaubare Anhängerschaft zuvor über das "Gutfried Youth" Tape (40x pissgelb über Gafas del Rigor Cassesttes + Nachpressung) und die Split-CDr (50x handnummeriert als limited Tour Edition) mit der Leipziger Knüppel-Gang Pissed Goats, die im Zuge der gemeinsamen Israel-Tour 2010 entstand, freuen.


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Wanderer

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Ein taufrisches Inzestprodukt, gezeugt in den Untiefen des schwedischen Undergrounds. Fünf finstere Gesellen beherbergt die Band Wanderer aus Örebro, die beispielsweise aus mehr oder weniger bekannten Hardcoregruppen wie Concubine, Of Humanity's Demise, Luftfärd und Celestica zusammengekommen sind. Was sich die fünf da gemeinsam vorgenommen haben, lässt sich anhand der ersten beiden Songs des "MMXIV"-Demos bislang nur grob erahnen. "Black Storm" wühlt sich schleppend durch Downtempo-Hardcore der Marke Brutality Will Prevail oder Red Apollo, während das ausdauerndere "Lone Wolf" zwischenzeitlich mit dem Post-Rock liebäugelt. Ob diese zwei Komponenten stellvertretend für den zukünftigen Sound der Band stehen werden, wird sich wohl erst noch zeigen. So long...gilt, dass träger und rauher Post-Hardcore vorerst den kultträchtigen Sweden Hardcore im Untergrund abgelöst hat.

DL Demo MMXIV Demo


Außerdem


Punch

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Trashcore aus Kalifornien? Was nach eindeutigem Three-One-G-Etikett klingt, trägt in Wahrheit das Deathwish-Gütesiegel. Vielleicht hatte Justin Pearson einfach bloß zu viel um die Ohren mit seinen zahlreichen, parallel laufenden Projekten und das Quintett aus San Francisco somit spurlos an ihm vorbeizog. Die garstige, radikale und erbitterte Attitüde von Punch und insbesondere die ihrer Frontfrau Meghan jedenfalls, war zuletzt auch auf Retox' zweiter LP "YPLL" zu hören, vom pfeilschnellen und auf's Nötigste reduzierten Trash-Punk ganz zu schweigen. Punch sagen, was gesagt werden muss und darüber hinaus, was tief in ihrem Inneren brodelt. Das kann man vor allem der krächzenden Meghan anhören, die sich aus tiefster Inbrunst heraus über allgemein bekannte Probleme erbricht. Klar, das ist nicht neu und schon zig-fach wiedergekäut. Die fünfzehn Songs ihrer dritten LP "They Don't Have to Believe" dienen daher wohl auch mehr als Ablassventil. Dennoch entladen sich die Songs nicht nur in sturem Gebolze und entlarven trotz ihrer Kürze und durchgetretenem Gaspedal - der Kürzeste dauert gerade mal fünf Sekunden, der Längste immerhin fast zweieinhalb Minuten - immer wieder dezente Melodien und mitnickbare Riffs. "They Don't Have to Believe" ist somit nicht nur ein engagiertes, sondern vor allem kurzweiliges Album geworden, dass selbst in dem schwer definierbarem und relativ eintönigem Subgenre Trashcore/-punk heraussticht. Bemerkenswert!

Stream & Buy Digitally "They Don't Have to Believe" LP Here & Here

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The Tidal Sleep

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Das Musikbusiness kann manchmal wahrlich kurios und ungerecht sein. Selbst mit einem - in meinen Augen, und ich weiß, dass ich mir mit dieser Aussage sicherlich einige Feinde machen werden - mageren Album wie "Boombox" ernteten die Beatsteaks viel zu viele Lorbeeren ein, während die Ärzte ohnehin ihre Narrenfreiheit exzessiv im Radio ausleben dürfen. Versteht mich nicht falsch. The Tidal Sleep spielen sicherlich in einer ganz anderen Liga, ganz davon abgesehen, dass Post-Hardcore auch in den kommenden Jahrzehnten kein radiotaugliches Format annehmen wird.  Es ist nur so, dass man dem sympathischen Mannheimer Quintett einen mindestens genauso großen Fanradius wünscht, wie beiden eingangs erwähnten Bands, unabhängig davon, ob TTS das nun wollen oder nicht. Wie wär's 94,3 rs2, vielleicht Bock einen Song wie "Angst" wenigstens in eurem Nachtprogramm unterzubringen? Nein? Ok, Band samt Anhängerschaft werden es verkraften können. Da wollen sie ja auch gar nicht hin und die treue Stammkundschaft hat sich ohnehin schon spätestens seit dem Debüt-Album als sechster Mann hinter der Band postiert.
Auf ihrem zweiten Longplayer "Vorstellungskraft" machen TTS aber nun etwa nicht einfach bloß da weiter, wo sie 2012 mit wütendem Post-Hardcore und Hardcore-Punk aufhörten. "Vorstellungskraft" schepperd immer noch ordentlich, ist besser produziert und - als größtes Veränderungsmerkmal - wesentlich mehr auf Atmosphäre getrimmt. Zwar beschert der Opener "Old Youth" dem Album einen ebenso krachenden, alles niederberstenden Einstieg, wie es zwei Jahre zuvor bereits "Serpent Hug" tat. Aber bereits der zweite Song "Thrive and Wither" zeigt mit einer fast schon eingängigen Rockline, stetigen Ausbrüchen, post-rockigen Soundscapes und flirrenden Shoegaze-Gitarren, dass sich TTS nur schwer auf den Punkt genau beschreiben lassen (wollen). Das weckt natürlich Erinnerungen und lässt die Band unfreiwillig ganz oben auf jener "Welle" zwischen Touché Amoré, La Dispute und Pianos Become the Teeth surfen. Und auch, wenn dieser Bewegung mittlerweile ein fader (Hipster-)Beigeschmack inne wohnt, so lässt sich mit ihr nunmal am deutlichsten der Rahmen abzeichnen, in dem TTS stilsicher, selbstbewusst und stets unberechenbar hin und her, auf und ab springen. Mit "Vorstellungskraft" ist ihnen aber nicht nur ein würdiger Nachfolger gelungen. Es zeigt auch, dass TTS zu einer Band von internationalem Format gereift ist und die sich trotz aller Vergleiche mit einem eigenständigen Sound integriert hat.

"Vorstellungskraft" gibt's als Digipak-CD und auf weiß-blau-marmorierten Vinyl über das Münsteraner Label This Charming Man oder als limitiertes Tape (100 St.) in hand-besiebdruckter Pappe über Fear of Heights Records.

Stream & Buy Digitally "Vorstellungskraft"

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