Freitag, Juli 29

Video Kills the Radio Star Vol.3


East Indian Elephant


Ihre Debüt-EP "Columbus never had a bicycle" war ein buntes Potpourri verschiedener Stileelemente, die sich lose um das Hauptgenre Indie versammelten. Zwei Jahre später kündigt der Bochumer Vierer East Indian Elephant nun endlich seine zweite EP an, die scheinbar bereits Ende letzten Jahres von Nico Vetter im Rahmen seiner prettylivesessions. komplett aufgenommen wurde. "Wooden Bones" heißt der erste Vorreiter, der sich anfangs noch etwas Wave-lastig dahinschleppt, durch ein Cello einen melancholisch-trüben Anstrich verpasst bekommt und schlussendlich schließlich nochmal post-rockig explodiert. Macht auf jeden Fall neugierig.

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Kefka Palazzo



Ihre Debüt-EP "Wer du bist ist nicht genug" haben die vier Münchener Jungs von Kefka Palazzo ja bereits letztes Jahr über Midsummer Records veröffentlicht, aufgrund eines Label-Fauxpas' anfangs noch unter dem Titel "Kefka Palazzo". Kann passieren und ändert ja schließlich auch nichts an der Musik, denn wo Kefka Palazzo drauf steht, ist nämlich nach wie vor "Deathindieschlagercore" drin. Das lässt sich natürlich auch wesentlich weniger verstörend erklären, z. B. als eine gesunde und frische Mischung aus Alternative, Indie und Emo(core), die von Kurt Ebelhäuser und Philipp Welsing in die passende Form gepresst wurden.

K. Ate meint dazu übrigens: "Mit dem Sänger hab ich mal gepoppt. Singen kann er besser!" (zum Vergrößern und selber lesen auf's Bild klicken).

Zum Glück geht es uns nur um die Musik.




December Youth



Findet ihr's nicht auch langsam seltsam, dass in diesen Videobeiträgen das Label Midsummer Records ziemlich oft vertreten ist? Da läuft aber nichts, ich schwöre! Liegt vielleicht auch bloß daran, dass das saarländische Label nunmal in den letzten Jahren ziemlich viele, gute Bands an Land gezogen hat. December Youth zum Beispiel, die bei uns bereits mit ihrem Demo zur Ansprache kamen und nun ihren ersten Longplayer nachgelegt haben. "Relive" ist in Sachen Liebesbeziehung zwischen Melodic- und Post-Hardcore sicherlich nicht die Neuerfindung des Rades, dafür aber eine ziemlich intensive und souveräne Angelegenheit. Somit empfehlenswert für Genre-Fans, die dem Namedropping weniger kritisch gegenüber stehen. Welche Namen das sind, kann jeder/jede mit sich selbst ausmachen.



PAAN feat. BATTRA//



Ok, wenn die Progressive-Math-Hardcoreler PAAN und die Penner-Meth-Violencer von BATTRA// für einen Sommerhit gemeinsame Sache machen, dann kann mensch eigentlich mit so ziemlich allem rechnen, gewiss aber mit dem Schlimmsten. "Jeff Ray" lässt mich dennoch vor Ehrfurcht erstarren. Chapeau!


Montag, Juli 25

Platte des Monats 07/2016: Masada - Masada LP



Band: Masada

Titel/Release: Masada/Album (Black Vinyl, Digital)

Label: I.Corrupt.Records, Dingleberry Records, Ruined Smile, Rubaiyat Records, Upwind Productions & Zine, Dont Care Records

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Screamo, Hardcore, Punk, Emo(violence)

FFO: Louise Cyphre, Daïtro, Lilith, Lost Boys, Rêche

Links: Bandpage\\//Bandcamp



Kurzinfo:

Es gibt zwei Gründe, warum Masada's selbstbetitelte Debüt-LP zu überraschen weiß: 1. Da seit ihrem Demo fast genau zwei Jahre ins Land gezogen sind und sie zwischenzeitlich fast vollkommen von der Bildfläche verschwunden war, hätte mensch die Band aus Erlangen auch leicht aus den Augen verlieren können. 2. "Masada" kann mit ruhigem Gewissen wohl als eines der außergewöhnlichsten Screamo-Alben der letzten Jahre bezeichnet werden, da es immer genau dann die Richtung wechselt, wenn mensch nicht zwangsläufig damit rechnet.
"Uneindeutigkeiten", der Opener der LP, stellt dem zu Beginn grummelnden Bass eine quietschende Gitarre zur Seite und erzeugt somit schonmal etwas Aufregung, ehe es mit dem hektischen Schlagzeug und dem wüsten Gekreische auch schon ordentlich zur Sache geht. Erst langsam rückt aus dem Instrumentengeschreddere eine harmonische Wohlfühlmelodie in den Vordergrund, die den Song zum Ende hin völlig vereinnahmt und stellenweise sogar von melancholischem Gesang begleitet wird. Bis auf den cleanen Gesang, knüpfen Masada bis hierher an jüngere Heldentaten von kishote oder Piri Reis an, die ihre berstenden Emoviolence-Attacken ebenfalls mit reichlich Melodie-Gespür aufpolieren. Und trotzdem lässt sich das nur bedingt vergleichen, da das mittelfränkische Quartett dieses Hochgeschwindigkeitsgehacke nicht über das gesamte Album hinweg ausbreiten will. Ein Song wie der kurze, düstere Krachblizzard "Schwärzester Punkt" bleibt in seiner Kompromisslosigkeit eher die Ausnahme. Vielmehr zerlegt die Band auf "Masada" den scrEaMO in seine Einzelteile, indem sie überwiegend schnelle Krachorgien und gefühlvolle Passagen wohl dosiert kombinieren und deren Anteile von Song zu Song neu gewichten. Sicherlich lassen '00er-Bands wie RAEIN oder Daïtro aus der Ferne grüßen, aber irgendwie sind auch diese Screamo-Veteranen kein 100%-iger Vergleich. Wie gesagt, Masada haben sich mit einem außergewöhnlichen Album  zurück gemeldet, das trotz der langen Zeit für seine Vollendung, eben solche nicht unnötig verschwenden will. "Defeat" und "Fragments", die Quasi-Emo-Ballade der Band, tun es dem Opener gleich und verzücken zwischenzeitlich mit emotionalen Gesang und fast schon massentauglichen Melodien. Andere Genre-Vertreter würden an dieser Stelle vielleicht eine Chance wahrnehmen, ihren Bekanntheitsradius etwas zu erweitern. Nicht so bei Masada, die fast schon schizophren und willkürlich zwischen den Polen Screamo-Emo und chaotisch-plänkelnd umherspringen, als ob die Band urplötzlich aus einer Art Trance erwacht, ehe es zu gemütlich werden könnte. Gemütlichkeit ist eben keine gute Referenz für den Punk.

DL Masada LP Here & Here

Buy LP Here, Here, Here, Here, Here & Here or via Mail to: masadapunx@gmx.de


Freitag, Juli 22

...tot aus dem Wald - Adresse: Friedhof



Band: ...tot aus dem Wald

Titel/Release: Adresse: Friedhof/Album (Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Powerviolence, Noisecore, Hatecore, (Black-)Metal

FFO: ganz viel unausstehlichen Krach, Pressluftgehämmere, Turtle Rage, Motorsägen, Kotzen, Eichhörnchen

Links: Facebook\\//Bandcamp\\//Myspace\\//Youtube



Kurzinfo:

Fremde Menschen, die ihnen ihr Herz ausschütteln, über wahnwitzige Verlustängste philosophieren oder einfach nur einen Unparteiischen für ihre Beziehungsprobleme suchen. Und manchmal vielleicht auch ein paar hoffnungslose Fälle, die sich aus Angst vor vermeintlicher Überfremdung oder weil das Päkchen Kaffee mal eben wieder um ein paar Cent teurer geworden ist, am Rande ihrer Existenz gedrängt sehen. Keine Frage, um sich in diesem Maße mit den Problemen anderer herumschlagen zu können, braucht es sicherlich schon einiges an Geduld und dickem Fell. Doch wer therapiert eigentlich die Therapeuten? Für Falk Hummel alias ...tot aus dem Wald ist nach wie vor die Musik die beste Therapie, oder besser gesagt, ein Druckablassventil. Auch sein viertes Album "Adresse: Friedhof" ist ein kathartischer Orkan aus manischen, nihilistischen und misanthropischen Wahnvorstellungen, vielleicht spiegelt sich darin sogar etwas Satanismus wider. Dennoch ist es nicht der gehörnte Rothäuter, der hier seine hässliche Fratze offenbart, sondern vielmehr die seelischen Abgründe und die Neugier nach dem Bösen, das irgendwo in jedem von uns schlummert. Zumindest irgendwie.
Die 4. Sitzung dauert keine elf Mintuen, 1/5-tel davon in etwa vereinnahmt der Krimi-Nostalgiker gewohnt durch stimmiges Gesample. Die Mixtur seiner Raserei nistet auf einer soliden Basis aus Powerviolence, Noise- und Grindcore, von der aus er, grob überflogen, recht eingängige Songs von der Leine lässt. "Larvae, Du schwarzer Höllenwurm", "die Kunst abscheulicher Dinge" und "aus Deinen Augen fließt Absinth" machen in diesem Sinne kurzen Prozess und schneiden sich mit messerscharfen Riffs durch den Gehörgang. Wesentlich sadistischer für den geneigten Stilpuristen zeigt sich da schon die zweite Albumhälfte, mit der "Adresse: Friedhof" mehr am experimentellen Vorgänger "Rendezvous der Finsternis" anknüpft, als an den beiden davorigen Alben. "triebhaft und bigott" ist ein exzessiv-psychotischer Freak-Out, ähnlich wie die Vorstellung, auf dem Mond herumzuspazieren, nur andersrum (??), und "hässlich sind die Menschen" mündet nach anfänglicher Stahlwerkidylle doch noch in einer rockigen Melodie. Zum Abschluss gibt's  mit "den Seinen gibt's der Herr im Schlaf" noch eine kleine Cybergrind-Einlage, während sich der Closer "die Nacht hat tausend Augen" mit einigen Downtempo-Ausflügen nochmal richtig Zeit lässt. Also, 1:38 min., was für die Verhältnisse des Kölners fast schon episch ist. Schön, dass du noch nicht explodiert bist, Falk.

DL Adresse: Friedhof


Dienstag, Juli 19

Gesplittet, Teil 13


te:rs & Tempano Split-7inch



Scheint da etwa zwischen Koepfen und der spanischen Gruppe Tempano eine neue Liebe entflammt zu sein? In Planung steht nicht nur ein Diskografie-Tape, das die Songs der beiden Split-LP's mit ihren Landsmännern La Tumba de Nicolas Cage und Eros+Massacre vereinen soll. Erst kürzlich erschien über dem Wiesbadener Label (u. A. noch Dingleberry, lifeisafunnything und Pifia Records beteiligt) auch die Split-EP mit den Göttinger Jungs und Mädels von te:rs, die jeweils einen neuen Bandsong parat hat und auf grüner Kurzrille in drei verschiedenen Cover-Farben (100x cream/light brown, 100x coconut/dark brown & 347x old grey) daherkommt.
Auf der vorangegangenen Split mit den Madrilenen Eros+Massacre kam das Trio aus Torrelavega bei den Kritikern nicht ganz so gut weg, vielleicht auch, weil sich beide Bands in unterschiedlichen Ecken des Post-Hardcores austoben. Kein Grund, den Kopf voreilig in den Sand zu stecken, denn mit ihrem Song "Pasajes de desencanto" zeigen Tempano erneut, dass ihnen Konventionen relativ weit am Hinterteil vorbeigehen. So stürmt der Song mit fiesem Duett-Gekeife und düsterem Geschrammel gleich zu Beginn mit der Tür ins Haus und zieht Elemente des Emoviolence, Screamos und Black Metals gehörig durch den Fleischwolf, ehe mit bedächtigen Post-Rock-Geplänkel der finale Ausbruch eingestimmt wird.
Mit dem niedersächsischen Vierer te:rs in der Konstellation Männer-Frauen halb und halb, haben sich Tempano diesmal einen Split-Partner geangelt, der den Post-Hardcore/Screamo in einer ähnlich a-puristischen Weise angeht. Im Gegensatz zum spanischen Song, wirkt "Melodies & Crazes" weitaus subtiler. Ein sehr stoisch instrumentierter Song, der selbst in den Phasen, wo Sängerin Nora inbrünstig aus ihrer Haut fährt, nicht die Kontrolle über das melodische Gitarrenspiel verliert.

te:rs: Facebook\\//Bandcamp

Tempano: Facebook\\//Bandcamp

DL Complete Split-EP Here & Here

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Temple Steps & Wreck

Temple Steps aus dem englischen Lincoln und die Landauer Wreck trotzen dem Brexit und beweisen zumindest musikalische Einigkeit. Zu hören gibt's zwei Variationen des Doom-/Sludge-Metals, die uns schonmal hervorragend auf die bevorstehende dunkle Jahreszeit einstimmen und sich durch finstere Abgründe schleppen.
Den Weg hinab ebnet uns das englische Duo Temple Steps mit knapp fünfzehneinhalb Minuten düsterem Songmaterial. Dessen Schlagzeug spielende und growlende Hälfte Mike Shields ist ein umtriebiges und äußerst aktives Mitglied der regionalen Hardcore-Szene, spielte u. A. schon bei den Post-Metallern Flatlands und den trompetenden Post-Hardcorelern The Slow Blade, hilft beim organisieren von DIY-Shows und ist einer der Hauptakteure bei Ninehertz. Viel Erfahrung also, die sich auch im routinierten Sound von Temple Steps widerspiegelt, wobei die provozierte, düster-flächige Monotonie immer wieder von dezenten Post-Metal-Anleihen und groovenden Stoner-Gitarren aufgerissen wird.
Ein Geduldsspiel liefert auch das pfälzische Trio Wreck ab, deren zwei Songs etwas mehr als dreizehn Minuten abverlangen. Ihr Opener "On the Gallows" ist zwar nicht darum bemüht, die dunkle Grundstimmung aufzulockern, wirkt mit hartem Riffing und vollerem Gebrülle dennoch etwas kolossaler und vielschichtiger. Hier dringen am Ende des Songs nicht nur die Abwechslung bringenden Synthezizer durch, sondern auch ihre Referenzen zu 80er-Jahre-Death-Metal-Bands. Das depressive, fast schon misanthropische "Unleash the Drones" läutet schließlich endgültig den Herbst ein. Schon verrückt, diese Wetterschwankungen.
Tolles, unheilvoll-kryptisches Cover-Artwork vom Band-Bassisten Rainer Steve Kaufmann (u. A. für The Necronautics) übrigens, das eigentlich ausgedehnt auf LP-Format gehört. Vorerst aber erscheint die Split auf Tape in drei verschiedenen Farben: 75x gelb über Wreck; 75x schwarz über Temple Steps; 50x grün über Vetala Productions.

Temple Steps: Facebook\\//Bandcamp



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East Sherman & Déformer Split-EP


Ein Déformer<->East-Sherman-Split-Release macht nicht nur Sinn, weil beide Knüppeltruppen aus Spokane, WA stammen, sondern auch, weil sich einige Mitglieder noch aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Bad Hex kennen. Glücklicher Weise ist das beiden Bands nicht anzuhören, was ihr Split-Tape zu einem abwechslungsreichen, wenngleich kurzem Vergnügen werden lässt.
East Sherman sind auf der A-Seite mit einem Song vertreten, der nach anfänglicher Black-Metal- und Crust-Raserei plötzlich die Notbremse zieht und fortan durch düsterem Downtempo-Hardcore und Doom mäandert. Für mehr Vielfalt sorgt der wechselnde Growl-Kreisch-Mix von Katharine Cheevers, die ansonsten gerne auch mal mit ihrem Cello bei artgenössischen Gruppen wie die eingangs erwähnten Bad Hex oder A God or an Other aushilft, und Avery Strobel (u. A. Vociferii), die beide nebenher noch ihr Pagan-Folk-Projekt Crow's Head unterhalten. 
Déformer orientieren sich mit ihren zwei Songs auf der B-Seite an vergangene Screamo-Legenden wie Daïtro, Hot Cross oder La Quiete. In schöner DIY-Manier schrammelt sich das Gitarre-Schlagzeug-Duo durch aufgeregte Melodien, die redlich darum bemüht sind, mit möglichst vielen Taktwechseln für etwas Unruhe zu sorgen. Screamo ist eben nichts Couch Potatoes.

East Sherman: Bandpage\\//Facebook\\//Bandcamp

Déformer: Facebook\\//Bandcamp

Wer A-SEITE sagt, muss auch B-SEITE sagen

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Space Camp & Dérive COLLAB-EP


Die beiden amerikanischen Bands Space Camp und Dérive sind nicht nur in ihrem jeweiligen Experimental-Sound außergewöhnlich, sie gehen auch ihr gemeinsames Release anders an, als die vorstehenden Vertreter. "COLLAB" ist, wie der Titel bereits verrät, eine Kollaboration, bei der zwei Songs von den insgesamt acht freigeistlichen Mitgliedern beider Bands zusammen ausgetüftelt wurden und im Anschluss jede Band jeweils einen Song der anderen covert. Das mag hier zwar wie die Faust auf's Auge passen, da beide Gruppen in etwa einen irrwitzigen Genre-Mix aus Art-Noise-Punk, Avant-Funk, Indie und Post-Hardcore fabrizieren. Bei dermaßen vielen Einflüssen, lässt sich bei den gemeinsamen Songs aber auch recht schlecht herausfiltern, welcher Anteil von wem kommt. Was zum Beispiel bei Isis und Aereogramme auf ihrer "In the Fishtank"-EP wunderbar miteinander harmonierte, führt das bereits vorherrschende verrückte Durcheinander von Space Camp und Dérive nur noch auf einen neuen Höhepunkt. Auch beim gegenseitigen Nacheifern geht's ausschließlich darum, einen bereits kaputten Originalsong den Rest zu geben. Absolut schwer verdauliche Kost.

Space Camp: FCBK\\//BNDCMP\\//TWTTR\\//LSTFM

Dérive: AAE\\//AEOO\\//AA\\//IE

DL Split-EP Here & Here

Freitag, Juli 15

Viaticum - Kosmikrock LP



Band: Viaticum

Titel/Release: Kosmikrock/Album (500x Double Black Vinyl, CD, Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2014

Genre: Space Rock, Post-Rock, Psychedelic, Progressive, Stoner

FFO: The Cosmic Dead, Dear John Letter, Spiral, Radar Men from the Moon

Links: Bandpage\\//Facebook\\//Bandcamp\\//Soundcloud\\//Myspace



Kurzinfo:

Einmal in der Schweiz festgefahren, kommt mensch nicht mehr so schnell davon. So ist das halt, wenn sich einem/einer eine vollkommen neue kulturelle Szene offenbart. Angefangen bei den progressive Folklern Soldat Hans, bin ich nun bei der nicht weniger anspruchsvollen Band Viaticum gelandet, in der sich beispielsweise Mitglieder von The Sunwashed Avenues und Insomnia Utopia tummeln. Und ich kann euch jetzt schon versprechen, dass da in den kommenden Wochen ab und an noch ein weiterer kurioser Nachbar auf unserem Blog auftauchen wird.
Ich weiß nicht, ob Viaticum vor den Arbeiten zu "Kosmikrock" bereits ihre Wegzehrung (lat. für Viacitum, siehe auch Sterbekommunion) zu sich genommen haben. Fakt ist, dass sich die Band mit ihrem zweiten Eigenrelease auf eine epische Reise durch Raum und Zeit begibt. Klar, dass sind "nur" 75 Minuten Spielzeit, verteilt auf acht Songs. Der Entstehungsprozess und vor allem die Gedanken, die mensch zu derartiger Musik entwickeln kann, sind darauf allerdings noch nicht angerechnet.
Dass das Quartett aus Winterthur sein Album ausgerechnet und fast schon labidar "Kosmikrock" betitelte, ergibt spätestens mit dem zweiten Track "Fat Heart" Sinn, ein Song, der sich soundflächig über altehrwürdigem Psychedelic und modernerem Space Rock ausbreitet. Es ist der Auftakt einer fortdauernden, futuristischen Retrospective, die keinesfalls darum bedacht ist, allzu sehr in der Vergangenheit zu versinken, denn das Präfix "Post-" schwingt nicht nur im "Rock"-Anteil des Albums mit. "Kosmikrock" stellt den/die Hörer/in aber nicht nur vor eine Geduldsprobe. Mit dem Opener "Colonize Me Gently" und "Entity" platzierte die Band auch zwei dynamisch-groovende Nummern zwischen Stoner und Heavy Rock, die auf das Nötigste reduziert sind. Im Kosmos von Viaticum bedeutet das aber immer noch eine Kompression auf mindestens fünf Minuten. Es sind auch die einzigen beiden Songs, in denen der Gesang mit den instrumentellen Parts ungefähr gleichgestellt ist. Die übrigen sechs bieten vor allem die Möglichkeit zum gedanklichen Ausstraffieren oder stiften etwas avantgardistische Unruhe wie am Ende von "Shittle-12 Hates People", in dem sich auch ein völlig kaputtes Saxofon (???) eingeschlichen hat, das sogar den Free-Jazz an seine Grenzen führt.

DL & BUY Kosmikrock LP



Montag, Juli 11

Kepler - S/T EP



Band: Kepler

Titel/Release: Kepler/EP (50x Tape, Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Punk, Emo, Hardcore, Screamo

FFO: PSSGS, Karina Kvist, Morla, Manku Kapak

Links: Facebook



Kurzinfo:

Mit Manku Kapak und Morla hat unsere Undergroundszene zuletzt leider zwei tolle Screamo-Punk-Vertreter ziehen lassen müssen. Vielleicht liegt darin aber auch die Motivation von jüngeren Combos wie Karina Kvist und Kepler, an eben jenem Scheideweg den Schritt zurück zu wagen, wo andere sich lieber in neuen Richtungen entfalten wollen.
Das Mülheimer Quartett Kepler bedient sich auf diesem Wege sicherlich altbewährten Strukturen. Der Opener "Invisible" ihrer selbstbetitelten Debüt-EP beginnt leise bedächtig, ehe der Song von einem Riff und angestrengtem Schreigesang zu einer plänkelnden Emo-Melodie samt Backchören überführt wird. "Home" kommt da schon wesentlich schneller auf den Punkt, zeigt aber auch, dass man bei Kepler allein mit dem Begriff Screamo-Punk nicht weit kommt. Vielmehr kommen einem/einer da Referenzen aus dem 90er-Emo und Post-Hardcore der Marke At the Drive-In in den Sinn. Herrlich kratzig und rauh, durchaus die Nähe zur Melodie suchend, allerdings auf das künstlich aufgeblähte Drumherum und die Hochglanzpolitur verzichtend, wie es später in den 00ern gerne mal der Fall war. Bei Kepler stehen die Emotionen im Vordergrund, die durch variable Rhythmen, das aufgewühlte Geschreie und dem melancholischen cleanen Gesang, der mich etwas an Timothy Booth von der englischen Alternative-Band James erinnert, zu treibenden Songs geformt werden, die wahrlich unter die Haut gehen.

Kepler's Debüt kann als Tape über die Band selbst ergattert werden. Die blauen, handbeschrifteten Tapes hausen in einer transparenten Plastikhülle mit Foto-Cover und gefaltetem, handnummeriertem Textblatt. DIY as fuck!

DL S/T EP

Buy Tape via PM on Facebook or Mail to: keplaerm@gmx.de

Donnerstag, Juli 7

Throatpunch City - Two Thousand and Punch: A Face Odyssey EP



Band: Throatpunch City

Titel/Release: Two Thousand and Punch: A Face Odyssey/EP (Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Progressive, Avant-Prog, Mathrock, Screamo

FFO: The Mars Volta, Coheed and Cambria, The Fall of Troy, Crows-An-Wra

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Kurzinfo:

Progressive Rock gibt es sicherlich nicht erst seit der Gründung von The Mars Volta. Mensch muss der Band aus El Paso allerdings zugestehen, dass sie das Genre mit ihrem Extraschuss Wahnsinn auf ein neues Level hoben. Seit jeher trauen sich nicht nur die experimentierfreudigen Bands aus ihren Verstecken, vor allem Ausnahmesänger Cedric Bixler-Zavala scheint das Selbstvertrauen in sämtlichen hoch-oktavierten Rockröhren geweckt zu haben, sich zügellos präsentieren zu können, egal ob in The Fall of Troy, Protest the Hero, Crows-An-Wra oder Chiodos. Selten allerdings war eine Band so nah am Ursprung, wie das englische Quintett Throatpunch City. Beeinflussung hin oder her - ich kam schon bei der Besprechung ihrer "Twinned With: Your Face"-EP, auf der erstmalig Sänger Pete Radcliffe zu hören war, nicht drumherum, die Band aus Berkshire als wohl dreistesten Mars-Volta-Ableger zu bezeichnen. Klar, was Radcliffe mit seiner Stimme auch auf der zweiten Band-EP "Two Thousand and Punch: A Face Odyssey" anstellt, verdient schon höchste Anerkennung, wobei die Schreimomente wohl noch am unspektakulärsten ausfallen. So entgleitet der Opener "Karate Stepdad" zur Mitte hin fast schon zur Opern-tauglichen Arie, während der Closer "Man Frank" mit seinem anfänglichen britischen Minnesang den Sprung ins Spätmittelalter wagt. Auch der restliche Gesang dazwischen ist Stimmakrobatik pur, die zusammen mit den melodischen Gitarren, stetigen Rhythmus- und Tempowechseln zu einem avantgardistischem Gesamtpaket geschnürt wird.
Dazu kann der geneigte Hörer nun stehen, wie er/sie will. Für mich sind Throatpunch City keine Fans, sondern fanatische Stalker. Und würden sie nun wenigstens ein eigenes Konzept um ihre Songs herum konstruieren, wer weiß, vielleicht könnten sie ja tatsächlich als würdige Erben von sich reden machen.

Übrigens scheint Pete Radcliffe die Musik mit Throatpunch City noch nicht progressive genug zu sein. Für seine eigenen instrumentalen Gitarren-Songs sucht er noch nach einigen Mitstreitern -> höre HIER (Solieis Folding).

DL Two Thousand and Punch: A Face Odyssey EP

Sonntag, Juli 3

Der Bandcamp-Hardcore Vol.34

Morla



Bereits vor und während ihres Bestehens, waren die Morla-Mitglieder in diversen Bands der Berliner Undergroundszene wie Easy Lover, Sleep Routine und der Legende nach (aber immer noch nicht bewiesen) auch in Henry Fonda involviert. Ob Morla, die nach drei-jährigem Bestehen im November letzten Jahres ihre Abschiedsshow standesgemäß im Berliner Tiefgrund spielten, von vornherein nur als kurzlebiges Bandprojekt angedacht waren, bleibt nur zu erahnen. Zwei Tapes kamen während dieser Zeit zustande, fast der komplette Erlös aus Konzerten, Tonträgerspenden und Merchverkauf floss in die klammen Kassen wohltätiger Einrichtungen. Somit verabschiedet sich die Band immerhin mit einem bleibenden Eindruck.
Ihre zweite EP "Nach nur einmal", die zum Zeitpunkt der Abschiedsshow veröffentlicht wurde, ist weder ein theatralischer Gefühlsausbruch, noch ein sentimentaler Abgesang. Morla knüpfen nahtlos an ihrem Vorgänger-Release an und sagen, was gesagt werden muss. Nach "Nur einmal" kommt eben "Nach nur einmal", so simpel ist das. Dennoch klingt die EP weniger nach Abschied, als vielmehr nach einem offenen Ende. Zwar sind es am Ende des Closers "lerne leben ohne" beide, die sterben, aber auch hier klingen Morla so herrlich aufgewühlt und verletzt, als könne das nicht der einzige Kompromiss sein. Zumindest der geneigte Hörer muss mit dem Kompromiss leben, in Zukunft ohne Morla in dieser Konstellation auskommen zu lernen. Und das kann schon recht unangenehm sein in Anbetracht zerreißender Songs wie das eröffnende Titelstück oder "das dorf". Diese unbändige Wut in "schmerztablette" oder die ernüchternde Spoken-Word-Einlage in "samstag nacht/sonntag morgen". Im Ganzen betrachtet, war es vielleicht nicht die Neuerfindung des Screamo-Punks, sollte es auch gar nicht sein. In einem Atemzug mit Bands wie Manku Kapak oder Torpedo Holiday genannt zu werden, kann sich schließlich auch hören lassen. Schade nur, dass "Nach nur einmal" nicht noch "Nach nach nur einmal" folgte.

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DL "Nach nur einmal" Here & Here


I Recover

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Die Kölner Band I Recover gibt es, zumindest irgendwie, schon seit dem Jahr 2013 und da keiner der drei ursprünglichen Gründungsmitglieder wirklich gut singen konnte, sollte das Ganze eigentlich auch mehr in Richtung Fastcore-Punk gehen. Aus dem anfänglichen Gejamme kristallisierten sich zur Recordsession 2014 plötzlich eingängige Melodien heraus und ein Jahr später stießen sie doch tatsächlich noch auf einen Typen, der seine Stimmbänder etwas besser unter Kontrolle hatte. Also wurde alles nochmal über den Haufen geworfen und neu eingespielt, bis das erste Bandrelease schließlich in diesem Jahr stand. Das klingt vielleicht etwas chaotisch und naiv, dennoch verbergen sich hinter I Recover keine blutigen Anfänger, sondern erfahrene Musiker aus Gruppen wie Zosch, Blank, Kumulus, Schmutzstaffel und PUNCH.
All diese Strapazen sind der selbstbetitelten Debüt-EP des Quartetts zu keiner Zeit anzuhören. Genauso wenig, ist es ein künstlich aufgeblasenes Release geworden. Wie sollte es auch, immerhin hat Jack Shirley mit seinen rauhen Händen der zwischen Punk, Emo und D.C.-Hardcore pendelnden EP ihren Rohschliff verpasst. So sprinten die sechs Songs auf "I Recover" in ihrer Art recht unprätentiös und unaufgdringlich los. Eingängige, tolle Melodien wie die in "Breathe (I Recover)", "Where Am I" oder "A Cloud of Lies" muss eine Band erst einmal so locker aus dem Ärmel schütteln, und ich denke, dass es auch genügend gäbe, die diese Songs noch unnötig in die Länge gezogen hätten. Nicht so bei I Recover. Lediglich ein Song knackt die Zwei-Minuten-Marke, aber auch dieser endet ohne Schnörkel eben genau dann, wenn die Band mit ihrer Ansage durch ist. So simpel und gut kann das im Hardcore-Punk nunmal vonstatten gehen.

I Recover's selftitled EP erschien in einer limitierten Stückzahl von 323 schwarzen 7inches, die mit Druckwelle-Artwork daherkommen und vom Bandgitarristen Dan (Pressure & Ink) komplett von den Labels bis zur weißen Innenhülle besiebdruckt wurden.

DL & Buy S/T 7"

Buy Here, Here & Here


Rêche

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Erlangen? Da werden Erinnerungen wach, denn eine meiner schönsten Screamo-Entdeckungen hierzulande, Masada, entstammen der mittelfränkischen Großstadt. Ein Grund mehr also, um hellhörig zu werden, wenn nun von einem neuen Genre-Outfit aus diesem Örtchen die Rede ist, das zusätzlich unter die Fittiche von Miss the Stars genommen wird. Ja gut, zwei der vier Mitglieder von Rêche müssen einen Anfahrtsweg aus Frankfurt und Beilstein in Kauf nehmen, aber wollen wir mal nicht kleinlich sein. 
Ich weiß nicht, ob Rêche kultivierte Wappenkundler sind oder sich mit ihrem Bandnamen auf das französische Adjektiv ("rau", "kratzig") beziehen. Letztes wäre immerhin eine gute Umschreibung ihres Emotive Hardcores/Screamo-Sounds. Was ich aber mittlerweile weiß, ist, dass sich die Mitglieder nebenher bei diversen Gruppen wie I Refuse und Honeymoon austoben bzw. ausgetobt haben. Rêches Demo-Debüt klingt dennoch nicht nach dem Produkt einer typischen Underground-Supergroup, ebenso wenig ist es mit dem Sound der eben genannten Bands zu vergleichen. Und das ist gut so. Vielmehr scheint es so, als würde sich das Quartett in etwas Neuem ausprobieren wollen. Dem Opener "Niemals sehen" wird ein ca. ein-minütiges, ziemlich leierndes Classic-Jazz-Sample vorangestellt, ehe es nach etwas Gegrummel heftig zur Sache geht. Abgesehen von diesen Samples, die an einigen anderen Stellen als einleitende oder ausklingende Elemente wiederkehren, ist es vor allem die melodische, im Vergleich zum wüsten Gekeife fast schon stoische Instrumentierung, die die Band von ihren Screamoviolence-Kollegen abhebt. Hinzu kommen die emotionalen, verschachtelten Lyrics, die reichlich Poetry-Slam-Charakter in sich tragen (#poetryslamcore). Wie dem auch sei. Rêche haben hier ein beachtliches Debüt hingelegt, für das die Bezeichnung "Demo" eine ganz schöne Untertreibung ist.

Ein Tape-Release befindet sich derzeit noch in Planung und wird von der Band in Eigenregie erscheinen. Der malaysische Markt scheint übrigens auch schon Interesse zu zeigen. Kein Wunder.

DL Demo

Stream via Miss the Stars

Buy Tape via FB or Mail to: recherechereche@gmx.de


Cold War Everyday

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Vielleicht geht es ja nur mir so, aber vor allem im Melodic Hardcore-Sektor kommt es mir so vor, als ob Vieles nur aus der Schablone gepresst wirkt. Um hier aber keine Band in den Verruf zu bringen, nenne ich die Debüt-EP "B.L.A.M.E" des Kasseler Quintetts Cold War Everyday mal grundsolide. Solide-plänkelndes und behutsam einstimmendes Instrumental-Intro, kräftiges Schlagwerk und ein ebenso kräftiges Kehlchen, solide Melodien zwischen flirrender Post-Rock-Ästhetik und derben Moshparts. Das klingt nach einer Band, die ihre Hausaufgaben gemacht hat und sich weitgehendst innerhalb ihrer Genregrenzen bewegt, diese aber immerhin auch bis zum Rand ausreizt. So bekommt der Titeltrack einen schwarzen Anstrich verpasst, während das folgende "Two Times Lotte" erst mit einem ordentlichem Breakdown die Notbremse zieht, um anschließend mit einem NuMetal-Gedächtnis-Rap den 00er zu gedenken. Und nachdem "Cruel Hands" das Blut nochmal ordentlich in Wallung gebracht hat, heißt es im akustischen "thirtyfourone" erst einmal durchschnaufen und neue Energie tanken, die für den Schluszspurt in "Frozen Bridges" dringend benötigt wird.
Wie gesagt, vieles auf "B.L.A.M.E" klingt altbekannt. Das Melodic Hardcore-Rad ist nunmal bereits erfunden worden, die Nähe zu benachbarten Genres wie Post-Hard- und Metalcore schon längst ausgekundschaftet. Vielleicht ist es ja aber auch genau diese Geradlinigkeit, die die Beteiligten auch in ihren Nebenprojekten wie den old-schooligen Hardcore-Kids von SIC BOY und den Metal-/Post-Hardcorelern Blessed With Rage frönen, weshalb Cold War Everyday mittlerweile nicht mehr nur ein Geheimtipp sind. Trotzdem liegt ihr bisher einziges Release nun schon fast zwei Jahre zurück. Um die Fanschar bei Laune zu halten sollte es also zeitnah Nachschlag geben.

DL B.L.A.M.E EP

Bigcartel


The Autumn Levels

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Und weiter geht's mit den Dresdener Jungs von The Autumn Levels, die ihren Stil selbst als "Adventurecore" betiteln, um den geneigten Hörer etwas neugieriger zu machen. Derartige Tricks hat das Quintett aber eigentlich gar nicht nötig, denn die Band weiß mit ihrem Debüt "The Ghost We Called" vor allem dann zu überraschen, wenn mensch ihr mit dem Glauben gegenüber tritt, es mit einer herkömmlichen Metalcore-Band zu tun zu haben. Entgegen den o. g. Cold War Everyday oder auch den im letzten Beitrag erwähnten Anti Hero aus Dresden, gehen The Autumn Levels wesentlich a-puristischer zu Werke und erwischen den/die Hörer/in immer dann eiskalt, wenn er/sie sich eigentlich schon mit dem genre-üblichen Gemoshe abgefunden hat. So trudelt der Opener "What We See" mit seichten Elektrogeplänkel ein und offenbart die progressive Spielfreude der Band vorerst nur andeutungsweise. Auch der Brüllmarathon in "Emergency Entrance" könnte etwas blauäugig noch als vertrackter Ausreißer ausgemacht werden, der das rettende Genre-Ufer nicht aus den Augen verlieren will. Spätestens jedoch mit dem folgenden "Roadsigns" wird der gemeine Headbanger seine Probleme haben, das sprunghafte Tempo mithalten zu können, vor dem abrupt einsätzenden Jazz-Geplänkel, das sich die Jungs auch gut und gerne von ihren Berliner Kollegen War From A Harlots Mouth abgeschaut haben könnten, wird er vielleicht sogar kapitulieren. Nicht die einzige Blaupause der Band, denn mit dem im Mathcore verankerten "Balance in Asymmetry" und dem wieder mehr im Progressive abdriftenden und ebenfalls jazzig unterbrochenem "Creon", in dem auch Kai Müller von Seven Pranks zu hören ist, komplettieren The Autumn Levels ihre, aus der Sicht von sturen Stilpuristen gesehene, abenteuerliche EP.

DL & Buy The Ghost We Called EP


Endform

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Kanada hatten wir hier auch noch nicht allzu oft, dabei lässt sich allein schon an der jüngst gegründeten Band Endform eindrucksvoll belegen, dass auch dort eine gut entwickelte Szene existiert, die ihre Augen vor den globalen Problemen nicht verschließen will. Die vier Mitglieder von Endform sind bereits seit vielen Jahren in der kanadischen Hardcore/Punk/Crust-Szene unterwegs, Ripcordz, Hang Them All, Deadly Pale, Talk Sick oder AB IRATO, um nur einige Stationen zu nennen.
Das Cover ihres Debüt-Demos stimmt schonmal ganz gut auf den düsteren und misanthropischen Sound der Band aus Montreal ein. Anders als bei ihren bisherigen Bands, gestalten sich die drei Demo-Songs nun wesentlich ausladender. Obwohl ihre Einflüsse aus dem Punk und Crust unüberhörbar am neuen Sound hängen geblieben sind, scheint sich das Quartett im new-schooligen Hardcore ausprobieren zu wollen, was ihnen in Anbetracht eines Songs wie "Winter Shawl" äußerst gut zu Gesicht steht.
Ihr Demo haben Endform als kostenlosen Download auf Bandcamp geladen. Wer ein in Eigenregie veröffentlichtes Demo-Tape haben will, kann ja mal höflich über Facebook anfragen.

DL Demo


Todlowski & Lost Boys

Todlowski Facebook
Das Nürnberger Trio Lilith hielt sich zwar gerade mal zwei Jahre über Wasser, mit ihrem jazzigen Screamo waren sie dennoch eine variable Bereicherung für die hiesige Undergroundszene. Leider löste sich die Band Ende des letzten Jahres auf, kurz nach der Veröffentlichung ihrer zweiten EP und noch ehe diese ihren Weg auf's angekündigte Tape fand. Wie in der Musik allerdings üblich, bedeutet jedes Ende oftmals auch einen Neuanfang, im Falle der beiden ex-Liliths Nico und Oli nun sogar einen doppelten.
Zum einen wären da Todlowski, die von dem Duo allein unterhalten werden. Mit Schlagzeug, einer Gitarre und zwei Kreischestimmen lässt sich hier nur das Skelett ihrer Vorband erahnen. Todlowski besinnen sich wieder etwas mehr auf die Anfänge des Screamo, Songs wie "Kressebrot" oder "Schaumburg" haftet gar ein unbeschwerter Midwest-Emo-Charme an, denkt mensch beispielsweise an Cap'n Jazz & Co. Und so schwer es an manchen Stellen auch sein mag, lohnt sich das genaue Hinhören vor allem bei den ersten beiden EP-Songs "Qualle" und "Rucksack". Lest euch mal dazu die Bandcamp-Lyrics durch. Hammer! Legt mensch sich am besten als Tape zu, was über Facebook erfragt werden kann.

Lyrisch fordernd sind auch die Lost Boys (geiler Name übrigens, erinnert mich an den vielleicht coolsten Vampirfilm aller Zeiten), bei denen Nico und Oli durch Masada-Gitarrist Julian den Rücken gestärkt bekommen. Allerdings ist dieses Projekt noch dermaßen fest in den Startlöchern verankert, dass es derzeit (Stand: 10.05.) nicht einmal eine Facebook- oder andere Bandseite gibt. Klar, gibt ja auch wichtigeres, z. B. die Musik, um die es ja eigentlich geht. Die klingt im ersten Anlauf wesentlich zerfahrener als bei Todlowski, was aber auch am Live-Rough-Mix ihres Demos liegen könnte, gönnt sich wie im Anfang von "Kniefall" scheinbar auch ein paar "Masada Guitar"-Ausflüge. Apropos. Als Trio wollen Todlowski, Lost Boys und Masada demnächst etwas herumtouren. Letztgenannte haben nach ihrem 2014er Demo nun auch endlich ein Album (u. A. über I.Corrupt.Records) nachgelegt.


DL Todlowski - S/T EP

DL Lost Boys - Demo Rough Mix


Karina Kvist

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Gut zu dem oben genannten Trio passt auch die Bamberger Band Karina Kvist. Das Quartett veröffentlichte vor Kurzem ihre zweite EP, die entgegen der selbstgebastelten CDr der Debüt-EP, als Tape über Amator-Tapes (Vorsicht bei Google, dass mensch nicht ausversehen auf einer XXX-Seite landet) erscheint. Allerdings nicht nur wegen des wechselnden männlichen und weiblichen Geschreies, sondern vor allem auch, weil bei Karina Kvist der instumentale Teil stark ausgeprägt ist, können sich die Oberfranken etwas von der Konkurrenz absetzen. Die teils minutenlangen, plänkelnden Melodien, werden immer wieder durch mathige Breaks ausgebremst. Die Band selbst nennt es "Melancore", was mensch so auch stehen lassen kann. Mich erinnert ihr Screamo-Punk mehr an mittlerweile aufgelöste Bands wie Morla oder Manku Kapak, deren trauernden Fangemeinden ich hiermit eine Alternative vorschlagen möchte.

DL EP '16
DL EP '15

Buy Tape Here or via Mail to: karina.kvist@riseup.net


In der Kürze liegt die Würze


Fabrik Fabrik

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2x Nervöus, 2x Bomb Out, 1x Henry Fonda & Afterlife Kids - geht das noch als Underground-Supergroup durch? Böse Zungen behaupten, die neu zusammengefundene Band Fabrik Fabrik klängen wie eine Melange aus späten Slime, Lebensreform und Kommando Sonne-nmilch. Auch wenn sich das in seiner Komplexität noch nicht vollkommen in den ersten beiden Songs der Band widerspiegelt, könnte das durchaus stimmen, denn das Berliner Quartett versucht in "Fieber" und "Phantom" ziemlich viel unterzubringen. So galoppiert ersteres zu Beginn noch post-punkig/post-hardcorig in der Spur, bis es urplötzlich von einem, nunja, Raggae-Riff aus der Bahn geworfen wird und schlussendlich mit fast schon anmutenden, verhallten Gitarren ausklingt. "Phantom" dagegen leiht sich seine wave-lastige und post-punkige Gelassenheit bei den 80ern und fährt erst zum Ende hin schweres Post-Hardcore-Geschütz auf.
Wohin der Weg der Band auf ihren angekündigten 9-Track-Longplayer führen soll, lässt sich vielleicht erahnen. Mit Sicherheit wird mensch darauf aber so einige Überraschungen antreffen.

DL 2-Song Preview


ZilpZalp


Ich weiß nicht, ob es dieses Dortmunder Quartett noch gibt. ZilpZalp haben nachweislich im letzten Jahr einige Shows/Kleinstfestivals absolviert und zwei Demo-Hörproben auf Bandcamp hinterlassen. Punkt. Keine Bandpage, vielleicht auch, weil ihnen diese gemeine Sturmmöwe etwas zuvor gekommen ist. Auch die zwei Songs von ZilpZalp sind etwas zu wenig für ein frühzeitiges Plädoyer. Beide Songs schlängeln sich etwas vertrackt durch eine Art progressiven Screamo/Post-Hardcore, wobei die Band sowohl ruhige Saitentöne als auch klare Chöre mit unterbringt.

DL Demo
 

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