Die beiden Wahl-Berliner und gleichzeitig Köpfe hinter Alex's Hand, Kellen Wills und Nic Barnes, schnappen sich fünf Brüder und eine Schwester im Geiste und holen zum nächsten Schlag aus, indem sie ihr bereits siebtes Album "KaTaTak" veröffentlichen. Ein schier wahnwitziges Album zwischen Avant, Jazz, Prog und RIO, und somit eigentlich mehr was für die Babyblauen Seiten. Die drei eigentlichen Songs, unterbrochen von zwei Electro-Störgeräusch-Interludes oder ähnlichem, probieren sich 44 Minuten im Klangexperiment aus, das durchaus auch mal seine smooth-jazzigen, ambienten und psychedelischen Momente offenbart. Im Ganzen ist das hier aber natürlich Musik für ausdauernde Hartgesottene. Muss auch mal sein.
Der Rocco hatte mich kürzlich zu einer "Poste 10 Tage lang ein Album für die Ewigkeit und nominiere dabei jeweils einen Freund, das gleiche zu tun"-Facebook-Aktion eingeladen, die ich allerdings aufgrund meiner kaum vorhandenen Facebook-Freunde ausschlagen musste. Tja, ich bin scheinbar so asozial, dass ich mir nicht mal falsche Freunde auf soziale Netzwerke leisten kann. Sei es drum. Hätte ich die Einladung angenommen, wäre das zweite und leider auch letzte Album "Love In The Fascist Brothel" von The Plot To Blow Up The Eiffel Tower wohl sicherlich dabei gewesen. Nicht etwa, weil sich darauf Punk-Hymnen en masse befinden. Es hat vielmehr einen nostalgischen Wert, weil mir die Band zur damaligen Zeit nicht nur die Tür zu einer eigenwilligen Musikergemeinde in San Diego öffnete, sondern vor allem auch zeigte, dass es so viel mehr gab als Mainstream-Punk. Zwar sind die ehemaligen Mitglieder mittlerweile in wesentlich zugänglicheren Kombos unterwegs (u. A. Crocodiles, Psychic Dancehall, Haunted Hearts, Wavves). Mit TPTBUTET hatten sie für mich damals aber ein Tabu gebrochen, indem sie einen Genre-Mix kreierten, der sich mir jeglicher Vergleiche entzog. Heute, einige hundert Bands abgestumpfter, würde ich es schlicht als jazzigen Math-Garage-Trash-Punk bezeichnen.
Dennoch: bis jetzt ist mir keine annähernd artverwandte Band unter die Ohren gekommen. Für Tipps wäre ich aber sehr dankbar.
"Wie konnten die Tage nur so sehr an Wert verlieren" - eine Frage, die mensch sicherlich auch auf die moderne Pop-Musik anwenden kann. Vielleicht ist ja Kartenhauskörper's Debüt-Album auch als Antithese auf die gegenwärtigen Umstände zu verstehen, in der Schönheit in jeglicher Hinsicht nunmal nicht Alles bedeuten muss. In diesem Sinne hat sich in den letzten Jahren im österreichischen Wien eine kulturell-freigeistliche, musikalische Szene gebildet, deren Anhänger bereits im Namen widerspenstig klingen und von Labels wie Schoenwetter und Problembär Records aufgefangen wurden.
Das Debüt des Wiener Duos Kartenhauskörper kann mensch mit seinem Namen aber tatsächlich so stehen lassen. "Wie konnten die Tage nur so sehr an Wert verlieren" kramt in einer verkorksten Beziehungkiste herum und offenbart dabei gegenläufige Interessen und Standpunkte der beiden Entliebten. Keine versteckte Botschaft oder hochtrabende Metapher, ganz schlicht. Eine Thematik, die sich natürlich dem ohrumschmeichelnden und -zuschmalzenden Indie-Pop geradezu anbiedert. Mit dem sentimental-triefenden "Freikopf" und "Schlau beide" finden sich zwei Songs auf dem Album ein, die dieses Klischee auch perfekt zu bedienen wissen. Dennoch beginnt der melancholische Reigen mit einem Song, der nicht nur mit einem Akustikriff startet, das sich auch hervorragend für einen Saufschlagerhit eignen würde, sondern mangt naiv-schmachtender Verse plötzlich eine Zeile wie "Fickt euch ihr miesen Schweine" unterbringt und zum Ende hin mit sämtlichen Gastinstrumenten eine frivole Schrammelorgie feiert. Der Opener "Rumliegen" soll aber kein Ausrutscher bleiben. Es ist vielmehr der Auftakt zu einer musikalischen Achterbahnfahrt durch Indie, Folk und Jazz, die sich fortan immer mehr in konturlosen Chanson und akustischen Singer/Songwriter-Rock auflösen. Doch neben kuriosen Höhepunkten wie dem psychotischem "Afraid of Taking Drugs" und dem kratzigem, free-jazzigem und etwas aus der Haut fahrendem "Du hast gesagt es ist Wahnsinn", bietet das Album mit dem fast schon Fun-Punk-tauglichen "Mein Name ist Dave" und dem poppigen, zwischen Rapbühne und Opernhaus pendelnden "Wo spielen die Kinder" allerdings auch einige eingängige Wohlfühlmomente.
"Wie konnten die Tage nur so sehr an Wert verlieren" hangelt sich an einem simplen Gerüst entlang und zeigt, wie effektiv der monotone, akustische Indie-Pop zerlegt werden kann. Wohlgemerkt von zwei Leuten, die mit Mathias Krispin Bucher (u. A, HALF//HALF), Günter Lenart (u. A. Kelag BIGband und Carinthia Saxophonquartett) und dem Chor der Junggebliebenen natürlich etwas freigeistliche Hilfe aus der regionalen Jazzszene bekamen.
Glücklicher Weise haben wir hier bei Gerda nicht zwangsläufig den Anspruch immer auf den neuesten Stand zu sein. Deshalb können wir auch ganz unverfroren ein Release aus dem Jahr 2014 zur Platte des Monats April 2016 krönen.
Die Schweizer Band Soldat Hans ist seit 2013 aktiv und veröffentlichte ein Jahr später ihren Debüt- und bislang einzigen Longplayer "Dress Rehearsal". Ein Album, dass sich in seiner Komplexität und Intensität nur schwer vergleichen und in Worte fassen lässt. Auch die Band selbst stiftet mit ihrem Versuch "downtempo.jazz.folk.songwriter.doom" wohl eher Verunsicherung beim Hörer, was sich aber konsequenter Weise mit dem "Experimental-Jazz-Post-Stoner-Rock" der ehemaligen Band Verwaltzen von Gitarrist/Sänger Omar Hetata und Drummer Justin Harrison deckt. Letzt genannter spielte auch in der "Heavy-Petting Schäbi Metal Pop"-Band Tabe & Garriss. Ihr merkt, im Schweizer Ländle geht also der Freigeist um - oder einfach bloß ein paar Bands, die irrsinnig viel Spaß daran haben, sich bekloppte Bezeichnungen zu geben.
Auf Soldat Hans trifft eindeutig ersteres zu. Das Quintett + Sebastian Koelmann (u. A. Sebass) liegt mit seiner Bezeichnung auch gar nicht so verkehrt, nur, dass sich in ihrem Sound noch eine Menge anderes Zeug versteckt. "Meine Liebste; Sie zerbricht sich", der Opener, ist ein über 15-minütiges Epos, das sich mit ambienten Trompetenklängen und Keys nur bedächtig-schleppend in den Wahnsinn hineinsteigert, bis schließlich markerschütterndes Geschrei jedweilige Harmonie regelrecht wegfegt und schlussendlich fast schon in Muse'schen Falsett ausklingt. Das Schöne an derartig ausladenden Soundscapes ist, dass mensch nicht einmal zwangsläufig mit den Stücken von Mahler und Schubert vertraut sein muss, von denen einige Songs auf "Dress Rehearsal" inspiriert sind. Manchen reicht vielleicht schon ein zurückliegender Besuch der Stadt Winterthur aus, eine malerische Kulisse samt rundum liegenden, mystisch behangenen Bergen. Andere wollen vielleicht gar keine Vorgaben und kreieren sich stattdessen lieber ihr eigenes trügerisches und düsteres Szenario. Eine satanische Friedhofsmesse in etwa, die erst den Fürsten der Finsterniss herauf beschwört, urplötzlich von einer Horde Hippies gestürmt wird und in eine frivole Orgie umschlägt. Der imaginären Malerei sind in diesem Sinne auf "Dress Rehearsal" keine Grenzen gesetzt. So pendelt der Closer "Liefdesgrot" zwischen kauzigen Barjazz und monoton-hypnotischen Ufo-Geheule und findet ebenfalls erst jenseits der Zehn-Minuten-Grenzen zu einem homogenen Finale.
"Dress Rehearsal" ist der experimentelle und nostalgische Soundtrack zu cineastischem Retro-Trash und darüber hinaus ein Stück moderne Musikkunst, die mensch in dieser Form heutzutage wohl nicht mehr all zu oft antreffen wird.
Für das zweite Album seiner Band rekrutierte Adam Keil eine wahnwitzige Kapelle. Und - sieh an, was man aus Folk so alles machen kann.
Je tiefer man gräbt, desto mehr schleicht sich der Verdacht ein, Lowell im US-Bundesstaat Massachusetts ist der Nabel des D.I.Y-Folks. Klar, ein großflächiges Netzwerk kann nur mit Hilfe vieler uneigennütziger Mitstreiter gesponnen werden. Wer sich einen ersten Überblick verschaffen will, schaut am besten zuerst beim Nice-Bass-Kollektiv (Free Downloads HERE) vorbei oder stellt die Autoradiofrequenz auf 91,5 FM um, dem städtischen Underground-Radio WUML, wobei im Rahmen der April Fools Show im vergangenen Jahr prominente "Gäste" wie The Strokes, The Kooks oder Taylor Swift (unbedingt mal beim Hit "Trouble" reinhören!) ihr massenfreundliches Antlitz verloren.
Auch die fünf, meistens sechs Mitglieder der Folk-Kapelle Root Juice trafen sich bereits zuvor in anderen Gruppen wie beispielsweise Durt Dog the Band, oder griffen Anderen aufnahme- und produktionstechnisch unter die Arme (u. A. Speed Trials, Little Corey). Das selbstbetitelte Debüt-Album friemelte Sänger und Multiinstrumentalist Adam Keil noch fast im Alleingang zusammen und bestellte sich Fiedler Dylan Smith sowie seine heutigen Bandkollegen, Posaunist Graham Clancy und Artworker Dave Garcia, lediglich als Gäste zu sich ins Studio.
Das zweite Album "Bucket Brigade" versprüht nun wesentlich mehr Straßen- als Studioflair, was vor allem an der äußerst frenetischen Holz- und Blechbläsersektion liegt. Das hat weniger mit beschwipsten Folk Rock zu tun, als das es vielmehr einer bedachten Improvisationssession gleicht, in der die Grenzen zwischen Brass, Jazz, Blues und Humppa marginal verschwimmen. Dennoch - oder glücklicherweise - bleiben die grundlegenden Songstrukturen weitgehendst erkennbar, sodass, ähnlich wie bei den Weirdo-Folk-Rockern Man Man, auch immer wieder verträumte, schwermütige, ausgelassene und vor allem tanzbare Melodien zum Vorschein kommen. Letztendlich muss man sich nur damit arrangieren können, dass der Freigeist im Nacken stets mittanzt.
Das belgische Netlabel 'The FRONT Agency' veröffentlichte vor einem Monat einen recht außergewöhnlichen Summer Sampler. Obwohl sich die Plattenfirma Post- und Metalcore auf die Fahne schreibt, finden sich auf ihrer Sommer Compilation 11 Künstler, die ein weites Spektrum des belgischen Musik-Undergrounds widerspiegelt. Bands die besonders hervorstechen:
FAITH IN FATE (Bandcamp) - Die 4 Jungs stehen auf harte Musik und können nicht ohne Saxophon. Deshalb versuchen sie sich in einer Mischung aus Freejazz (ein Muss wenn man das Saxophon beherrscht) und punkrock beeinflussten Hard-Rock Metal. Klingt sehr interessant.
INSIDE THE HAIL (Bandcamp) - Eine weniger emolastig klingende Band auf dem Sampler. Ihre Beitrag beginnt sehr atmosphärisch und steigert sich durch die E-Guit in melodischen Metal- und Postcore. Wem das nicht oldschool genug ist, kann sich auf deren Bandcamp auch ne limitierte CD für nen 10er ordern.
VERMILION (Bandcamp | Soundcloud) - Eine instrumentale progressive Djent-Metal Band. Gibts da noch mehr zu sagen? Hört einfach mal rein.
Hier gibts den kompletten Sampler im Bandcamp-Stream und zum PWYW Download:
Welche der vier Musiker zum tatsächlichen Line-Up von The Bear's Lair gehören, konnte ich leider nicht mehr in Erfahrung bringen, da die Zeit für die Vorstellung unserer Platte des Monats wieder einmal zu knapp bemessen war. Und nur noch mal als kleine Erinnerung. Ein wesentlicher Aspekt dafür stellt sicherlich auch das Außergewöhnliche einer Band dar. Natürlich nur, wenn sie sich auch im Rahmen der DIY-Statuten bewegt, versteht sich.
Die Besonderheit der Regensburger Band The Bear's Lair lässt sich bereits an der Vielseitigkeit ihrer Beteiligten erkennen. So tobt sich Sänger Tim Bleil nebenher bei der progressiven Stoner-Metal-Band KaLi aus, während sich Gitarrist Tobias Walter, wenn er sich nicht gerade die Füße im Himalaya vertritt, mit fire walk with me! und Lost my Gravity in sämtlichen Variationen des Post(core)-Rocks ausprobiert. Ob Jahmilia-Drummer Matthias Bodensteiner und Tausendsassa Johannes Molz - der sich vom Metal (SOYLVYBE) und Prog-Pop (Null) aus, über Indierock (Kellner), bis hin zur Hochzeitsband (Wolke7) in so ziemlich jede erdenklichen Richtung ausgedehnt hat - nun automatisch zur Stammelf gehören, bleibt wie eingangs erwähnt vorerst unklar. Klar dagegen ist, dass Nils Wittrock (The Hirsch Effekt, Weser Gitarrenduo) eine solch freigeistliche Sause selbst dann gewittert hätte, wäre sie in den eisigen Höhen des Himalaya gefeiert worden. Und wie bereits zuletzt bei der Sludge-Metal-Band Vulva, lässt er es sich auch diesmal nicht nehmen, ein bisschen auf dem Akkordeon herumzudrücken und -ziehen ("Bear Tales"). Das ist vielleicht schon wieder viel zu viel Credit- und Biokrams, aber es kann durchaus dem Verständnis auf die Sprünge helfen, warum The Bear's Lair klingen, wie sie letztendlich klingen. Warum sich die Band, trotz eindeutiger Singer/Songwriter- und Indiepop-Tendenzen, nicht vor die Füße des Hörers wirft und stattdessen immer wieder in andere Richtungen ausholt. So kommt das jazzige "Down to Earth" auch ohne cicero'schen Schmalz aus, während "Invisible" und "Bear Tales" schrullig den Fußspuren früherer Kaizers Orchestra folgen. Die melancholisch abgerichteten "Oldster" und "Pitfalls of Hope" verfolgen da schon klarere Ziele, werden von der Band allerdings nicht im Kitsch-Matsch versenkt, sondern gerne auch mal in frenetische Höhen abgelenkt. Klar, das hat man sicherlich alles schonmal irgendwo anders gehört, aber selten mit so einer ungenierten Intensität und Dichte. Auf einer EP, wo der Kontrast zwischen Eindringlichkeit und beschwipsten Wohlgefallen stets nachvollziehbar bleibt.
Die Flut an sogenannten Retro-Bands will und will einfach nicht abreißen. Einige kommen aus dem Nichts und verabschieden sich innerhalb kürzester Zeit wieder ins selbige, ohne dass jemand großartig Kenntnis von ihrer Existenz genommen hat. Andere wirken einfach bloß wie eine blasse und ideenlose Kopie. Die Schweden Graveyard oder die neu aufstrebende Berliner Band Operators wiederum sind zwei hervorragende Beispiele dafür, dass der Retro Rock durchaus seine Daseinsberechtigung im Hier und Jetzt begründen kann.
Hard Rock, dass ist doch dieser schwammige Begriff, mit dem fälschlicher Weise oftmals auch versucht wird den Grunge oder Industrial zu erklären, in dessem dichten Wurzelgeflecht aber vielmehr Rock'n'Roll, Psychedelic- und Bluesrock hängen geblieben sind. Man stellt sich drahtige, alte Männer vor. Mit langen Haaren, die von einem Kopftuch zusammen gehalten werden, und mit Zauselbart. Und mit Schlagjeans, die nur an den Stellen eng anliegen, die es im ROCK besonders zu präsentieren gilt. Passend dazu natürlich die aufgeknöpfte Jeansjacke, vorzugsweise in der Farbe blau.
Die Band Zelinka wurde 2010 vom Gitarristen Bernd Fleischer ins Leben gerufen, der etwas später noch den Bassisten Torsten Großmann und Schlagzeuger Kay Rohr mit ins Boot holte. Und bevor jetzt alteingesessene DDR-Rock-Hörer angestrengt Löcher in die Blumentapete starren - ihr könntet diese Namen tatsächlich schon mal gehört haben. Fleischer z. B. kennt man von den ehemaligen Ostrockern Berluc und Großmann vom Leipziger Studioteam. Gemeinsam spielten die beiden bereits bei Brigitte Stefan & Meridan. Nach der Wende hielten sich alle drei Musiker in diversen Tribute- und Coverbands wie P70, Krause Band, Mad DoxxxoderBreakfast in L.E.fit. Zusammen kommt die Band somit auf über 90 Jahre Bühnenerfahrung, aus der das Leipziger Trio auf ihrem selbstbetitelten Debüt-Album auch kein all zu großes Geheimnis machen will. Hinter Zelinka verbergen sich also keine jungen Burschen mehr, die auf Alte-Männer-Rock machen, sondern die tatsächlich schon so alt sind. Der Opener "Catacomb" positioniert sich dabei schon mal fett groovend in Breitbeinstellung, zumindest soweit es die eng anliegende Jeans zulässt. Aber entfernen wir uns an dieser Stelle mal lieber vom obrigen Outfit-Klischee des Hardrockers. Zwar sind die drei Beteiligten allesamt Männer gestandenen Alters, die sich dennoch keine Klamotten überstreifen, die sie extra für ihre Bühnenperformance aus der staubigen Holztruhe gekramt haben, die unberührt schon seit über dreißig Jahren auf dem Dachboden steht. Für ihren bluesigen Instrumentalrock gilt dies natürlich nur bedingt. Spielt sich Fleischer beispielsweise im Song "Chill Out" einsam und fast schon manisch in Ekstase, muss prekaristisch auch der Name Buchanan fallen, den man allerdings gefühlt in fast allen ausufernden Bluesrockbands hören kann, wenn man denn will. "Zelinka" ist aber keineswegs die erwartete One-Man-Show von Fleischer geworden. Ein Song wie "Toxic" könnte sich so nämlich nicht übermäßig lange über Wasser halten. Hier ist es vor allem das Schlagzeug, dass die wilden Jam-Eskapaden immer wieder zurück zu glasklaren Strukturen führt, aber auch hervorragend durch das kurze Jazz-Intermezzo geleitet. "Toxic" gehört übrigens auch zu der Sorte Songs auf dem Album, die man - auch ohne großartigen Singer/Songwriter-Talent - hypothetisch mitsingen könnte. Für "Room No. 15" zum Beispiel würde eine sinnfreie Textzeile wie "Bam ba Lam" vollkommen ausreichen.
Fast 48 Minuten dauert das Album, das ab der Mitte zunehmendst verspielter aber auch technisch versierter wird und seinen Fusion-Rock immer mehr Ausflüge in den Jazz gestattet. "Zelinka" ist somit ein doch abwechslungsreicheres Album geworden, als sich am Anfang vielleicht noch Gegenteiliges befürchten ließ. Ein perfekt harmonisierendes Resultat aus ehrlich erlerntem Handwerk und freigeistlicher Experimentierfreudigkeit, trotz einiger Überlängen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.
Als die beiden Singer/Songwriter Sean Tansey und Allan Kinney 2010 ihr gemeinsames Projekt Miss Polygamy starteten, war eigentlich schon klar, wohin die Reise gehen sollte. Beide bereicherten schon Jahre zuvor Ottawas regionale Musikszene mit Nostalgie beklebten Country- und Folk-Rock. Da es die beiden aber nicht zu einer Kopie ihrer selbst kommen lassen wollten, versammelten sich mit der Zeit immer mehr befreundete Musiker aus der Nachbarschaft um das Duo, bis Miss Polygamy schließlich fünf feste Mitglieder zählte, darunter auch Nick Hertzberg, Bassist der Post-Hardcore-Band These Branches und der Screamo-Band Osterii. Viele verschiedene Einflüsse, die letztlich auf ein gemeinsames Ziel reduziert wurden - nämlich der Tribut an ihre alten Helden Led Zeppelin, The Doors und Deep Purple. Ende Juni 2013 erschien nun also ihr Debüt-Album "One Night Stand", dass durch die Mithilfe vieler Freunde keine Unkosten verursachte, sodass sich die Band entschloss, das Album kostenlos anzubieten (Download über der Bandpage nach Eingabe der E-Mail-Adresse). Zehn Songs, die zusammengesetzt aus den Hauptbestandteilen Psychedelic, Blues-Rock, Jazz und Folk-Rock eine Zeitmaschine ergeben, die zu einer nostalgischen Exkursion durch die 70er und 80er einlädt. Der Opener "Brotherhood" entstaubt dabei gleich zu Beginn die Hammond-Orgel, während Kinney dazu frivol ins Saxofon bläst und dem Song ein Jazz-Outro beschert. Mit "Shoes 2 Small" folgt dann gut gelaunter Indie-Rock, ehe "About to Lose" die Rock'n'Roll-Keule schwingt. Der schwermütige Blues-Rocker "Cocaine Kisses" eilt etwas weiter voraus und ruft Tito & Tarantula auf den Refenrenzplan auf. In der zweiten Hälfte des Albums dürfen sich dann vermehrt auch einige Gastspieler einbringen, wie Bassist Brandon Allan Walsh oder Banjo-Spieler Seamus Cain, mit denen Tansey seit diesem Jahr gemeinsam bei Brandon Allan & The Bad Decisions (Free-DL HIER) spielt. "Dearly Departed" bekommt durch das Cello von Rozzy McCann einen Folk-Rock-Anstrich verpasst und Gastsängerin Julia Allen beweist mit ihrer lieblichen Stimme, dass sie nicht nur als Alibi für das "Miss" im Bandnamen her halten muss.
Instrumentaler Chill Out Jazz, in dem man sich schwerelos treiben lassen und verlieren kann. Mit melancholischen Gitarren und einem sowohl verträumten, als auch verspielt egozentrischem Saxofon. Komponiert von sieben Kroaten.