Donnerstag, Oktober 30

Die Bandcamp-Punks Vol. 23

Ken Sent Me



Gegensätze ziehen sich an, und dass Lärm und Schönklang wunderbar harmonieren können, wissen wir spätestens seit The Paper Chase oder Times New Viking. Mit beiden Bands haben Ken Sent Me nicht wirklich viel gemein, denn anstelle einer ums Überleben kämpfenden Violine oder bis ins Störgeräusch hinein verzerrte Gitarren, lassen es die beiden Hessen Tim und Fab vielmehr ganz gewaltig krachen unter ihrer chorverliebten Oberfläche. Grollende und schneidende Gitarren, kantige Riffs und ein stampfendes Schlagwerk, die eigentlich eher am Melodic-Hardcore-Punk ihrer gemeinsamen Vorband Honolulu Breakdown (höre HIER & HIER) erinnern. In Kombination mit dem mehrstimmigen Gesang, der sich zu frenetischen Chören vereint oder fast schon A-cappella-mäßig auseinander driftet, erzeugen die Songs ihres ersten Full Lenghts "Home is Where Your Heart is" so eine sonderbare Wirkung. Während einen die eingängigen Gesangslinien also in die schwelgerisch-unbeschwerte Sommerzeit zurückziehen und somit am leichten Gute-Laune-Punk der Rollergirls oder ehemaliger It's Not Not erinnern, verlangt die verhältnismäßig harte Instrumentierung viel Körpereinsatz im Moshpit ab. Fang Island beispielsweise, spielten mit einen ähnlichen Kontrast, wenngleich auf einem anderen Spielplatz. Und so haben auch Ken Sent Me hörbaren Spaß daran, Gegensätze auf Hausmannsart zu verknüpfen, wie im Song "A Ride and a Crash", der neben stürmischen Riffs und rastlosen Drumming auch chillige Reggae-Gitarren unterbringt, oder "Hmm Yes, Rather Quite", der aufgrund seiner gegenläufigen Gesangsspuren wie zwei sich überlappende Songs klingt. Und "Historical Site" und "Contrails" bewegen sich eigentlich näher am Melodic Hardcore. Die Skatepunkers und das Less Talk, More Records-Label sind sich aber einig, dass man das Ganze getrost unter der Überschrift Skatepunk zusammenfassen kann. Wer will da schon widersprechen?!
Das digitale Release von "Home is Where Your Heart is" liegt zwar schon über ein Jahr zurück, ist aber noch immer als Spendendownload über der Bandcamp-Seite des Labels verfügbar. Ob es irgendwann auch in physischer Form erhältlich sein wird, hängt von euren Spenden ab oder kann via Mail an lesstalkmorerecords@gmail.com hinterfragt werden. Bei dieser Gelegenheit könnt ihr euch auch gleich mal Ken Sent Me's Debüt-EP "Tool Assisted Speedrun" zulegen (lese HIER).

+++Facebook////Reverbnation////Last.fm+++

DL Home is Where Your Heart is


Astro Cowboy

Facebook//Last.fm
Die Situation kennt bestimmt jeder: Du hörst eine neue Band und auf anhieb kommt dir ihr Sound vertraut vor, mit jeden Song mehr, doch du willst einfach nicht darauf kommen, woher. So bei mir geschehen, als ich kürzlich auf das amerikanische Duo Astro Cowboy stieß. Mittlerweile weiß ich, an wen mich die Band aus Wilmington, NC stark erinnert und warum es mir nicht gleich eingefallen ist. Astro Cowboy bewegen sich in der Schnittmenge von Garage und Indie-Pop, klingen dabei aber wesentlich britischer, denn amerikanisch. Das erinnert in erster Linie an relevantere und somit frühere Strokes. "Rick Nandise", der letzte Song ihrer Debüt-EP "Rat-Man Vann", lotste gar The Kooks auf den Referenzplan. Auf ihrem ersten Longplayer "Hedonism Colloseum" übernimmt diesen Part der Song "Suntan". Diese Aspekte zusammengefasst, könnte man nun also charmanten Anstands-College-Rock erwarten, der seinen jugendlich-rebellischen Freigeist mit viel Pop-Melancholie umschmeichelt. Im Falle von Astro Cowboy ist das allerdings nur die halbe Wahrheit, denn allein Travis Harrington's leicht kratziger, stets frenetischer Gesang, legt über all das eine dezente Punknote. Epische Songs wie "Math Class (Is a Blast)" oder "Sleeptime" dienen ihm somit gar als Spielwiese für seine willkürliche und fast schon chansonistische Entfaltung, während der knackige Opener "White Shoes" und "Stare" von ihm rotzig vorangepeitscht werden.
Astro Cowboy wickeln den Hörer mit einem nostalgischen Sound um den Finger, der nicht den Anspruch erhebt neue Ufer entdecken zu müssen. Wem allerdings gerade die eingangs erwähnten Referenzbands mittlerweile so ziemlich egal geworden sind, findet hier vielleicht eine passende Alternative für die Zukunft.

DL Hedonism Colloseum LP
DL Rat-Man Vann EP

Buy Tape Here or via Mail to: fixtheflood@gmail.com


Pete is Drunk

Facebook//Last.fm//Youtube
Der Bandname ermöglicht zunächst Assoziationen zu einer mathigen Post-Punk-Band. Allerdings hat der Leipziger Fünfer Pete is Drunk damit recht wenig am Hut. Im Januar dieses Jahres erschien mit "The Early Years '77-'79" das zweite (digitale) Release der Band, dessen Opener "A Little Story" mit heavy Riffing und wütenden Gangshouts gleich mal die grobe Marschrichtung der EP vorgab. Old-schooliger Hardcore-Punk also, dessen Vorbilder überwiegend in den 80ern zu finden sind. Bands wie Sick Of It All oder Poison Idea pflügten damals schon das Genrefeld sorgfältig um und ließen kaum Schlupflöcher übrig. Pete is Drunk haben daher einen äußerst nüchternen Blick auf die Dinge, verschwenden nicht viel Zeit mit wehleidiger Nostalgie, noch verweigern sie sich stur dem modernen Zeitalter. Der, der Vergangenheit anhaftende, staubige Gedanke wird mit einer scheppernden und soliden Produktion weggeblasen. "Kaffeekränzchen" liebäugelt mit Modern-, wenn nicht sogar Post-Hardcore; "Punkrokk1" startet mit einem Knight-Rider-Gedächtnis-Riff; und "Gettin' It Done" bedient sich beim Melodic Punk/Hardcore.
Zählt man das alles zusammen, entpuppt sich "The Early Years '77-'79" als kurzweiliges Sieben-Gänge-Menü, das den Weg auf ein physisches Format schon längst gefunden haben sollte.

DL The Early Years '77-'79 EP
DL Demo 2K11


When There Is None

Facebook//Bandcamp//Soundcloud//Myspace
Als Unterscheidungszeichen trägt der Verwaltungsbezirk Aachen das Kürzel AC im Kfz-Kennzeichen. When There Is None könnten sich daraus - wenn sie denn wollten - eine lustige Kombination für ihren Tourvan basteln, worum sie sicherlich eine Menge Punkbands beneiden würden. Ein derartiges Hassprogramm will das Quartett aus der niederländisch-belgischen Grenzregion aber gar nicht erst starten. Warum auch?! Im und rund ums stetig anwachsende, beheimatete AZ machen das schließlich schon genug andere Gruppen (u. A. The Six Bullet Plan, Be!Tiger, Mexican Wolfboys, White Hand Gibbon, uvm.). Ohnehin versuchen When There Is None dem Alltagssound zu entfliehen, indem sie den kräftigen und rauhen Gesang ihres Frontmannes nicht zwangsläufig in die klamme Baracke verbannen, sondern vielmehr einen heiteren Gainesville-Background verschaffen. Emotionale Texte, statt stures Parolengekloppe, sinnbildlich und nicht selten in Seemannsromantik verpackt, die nicht nur das Cover ihrer zweiten LP "Warpaint" ziert, sondern auch schon als wiederkehrendes Merkmal auf dem selbstbetitelten Debüt-Album zu finden war. Im Gegensatz zu diesem, entpuppt sich "Warpaint" - nunja - als wesentlich reiferes Werk. Ob die Band das nun gerne hört, beabsichtigte oder eben nicht - die Produktion der zwölf Songs auf "Warpaint" klingt voller und steuert ein ganzes Stück weiter gen Alternative, denn kratzigen Punkrock. Ex-Comadre-Chef Jack Shirley, der sich um den Mix und das Mastering verantwortlich zeichnete, ging nicht nur grob mit dem Staubsauger drüber, sondern polierte einige Stellen fast schon auf Stadionrock-Glanz.  Der Opener "The Sea is My Sister", "Embers" oder "Tiger Lungs" bedienen von hymnischen Refrains, etwas Melancholie und country-esque gniedelnden Gitarren alles, was bereits The Gaslight Anthem vor einigen Jahren zu würdigen Bruce-Springsteen-Erben empor schießen ließ. Dass When There Is None dennoch mit mindestens einem Bein fest im Punkrock stehen, haben sie nach wie vor dem heiseren Organ ihres Sängers zu verdanken, den immer wieder einspringenden Chören und vor allem dynamischen Songs wie "Control", "Mrs. Black Milk" und dem tollen "Almost Right Words".

Mit "Warpaint" sind die Aachener auf dem beheimateten Label Rockstar Records gelandet, das derzeit eine Vinyl- und CD-Variante des Albums plant.

DL & Buy Self Titled LP

DL "Warpaint" LP


Pissed Resistance

Facebook//Myspace//Reverbnation
Als "mostly manly gay jazz fusion punk rock" bezeichnen es Pissed Resistance selbst. Verwurschtelter Rock, der eine Menge Freigeist atmet und somit den Punk genau auf den Kopf trifft, fällt mir dazu ein. Es bringt rein gar nichts, sämtliche Stile aufzuzählen, die die Band aus Brighton auf ihrem Album "The Lost Path of Pissed Resistance" mehr oder weniger unterbringt, denn oftmals verpuffen diese schon wieder im Ansatz. Reggae, Surf, Garage, Fusion - alles dabei und höchst eigenwillig ineinander verknotet, wie es den vier Engländern gerade so in den Sinn kommt. Colin Rogers' Gesang erinnert dabei nicht selten an die seltsamen Entgleisungen von Serj Tankian, nur, dass Rogers' drei Mitstreiter eben keinen übertriebenen Bombast zelebrieren müssen. Pissed Resistance reicht die klassische Gitarre-Bass-Drum-Besetzung vollkommen aus, um pures Chaos walten zu lassen oder ihrem Frontmann rockige und groovende Melodien zu servieren, die bis auf wenige Ausnahmen ohnehin durch den eigenwilligen Gesang marginal in den Hintergrund rücken. Das kann bisweilen mächtig Spaß machen, aber auch ganz schön an den Nerven zerren. Ein kurzweiliges Album ist es allemal.

DL The Lost Path of Pissed Resistance


Tjibbalito

Facebook
Und aus der Mitte entspringt eine neue Band: Tjibbalito sind Mitglied des jüngst zusammengerauften, schwedischen Musikerkollektives Come On Booking und teilen sich ihre Protagonisten u. A. mit I Love Your Lifestyle und Trachimbrod. Mit Emo-Pop und Screamo hat der Sound ihres Alter Egos Tjibbalito nun aber nicht wirklich viel gemein. Die Band aus Jörköping tobt sich vielmehr in eingängig schrammelnden Garage-Punk aus, mit reichlicher Fuck-off-Attitüde. "Tjibbalito 1.0", lautet der Titel ihrer im Februar erschienenen Debüt-EP, die fünf Songs beherbergt und anstelle von neuen Impulsen eher einen nostalgischen Flashback liefert. Das eingängig schrammelnde "Sofiero" und das folgende "Davve got a BH" mit Dauerschleifenriff, erinnern am spröden Noiserock ehemaliger Mclusky; "Rockadeo" am wahnsinnigen Gekeife viel zu vorzeitig aufgelöster Test Icicles; und der Closer "Breakfast" an verzerrtere, aber mindestens genauso gut gelaunte Hives. Alles in einem heruntergeregelten Sound, der selbst die Bezeichnung Lo-Fi noch unterbieten kann und scheinbar auch will.

DL Tjibbalito 1.0 EP


Emma Stoned

Facebook//Soundcloud//Youtube//Reverbnation//Twitter
Ein Bandname, der adoleszenten Pop-Punk á la New Found Glory vermuten und dazu ein EP-Cover, dass kitschigen Horrorpunk befürchten lässt. Dass sich letztlich hinter diesen Vorurteilen eine Band verbirgt, die eben genau das nicht ist, kann einen da schon kalt erwischen. Zwar verpasst das bayerische Quintett aus Hof dem Marschmusikklassiker "It's a Long Way to Tipperary" einen twangigen Fun-Punk-Anstrich, holt mit den übrigen drei Songs ihrer selbstbetitelten Debüt-EP ansonsten in eine ganz andere Richtung aus. Der treibende Opener "Hide and Seek" könnte auch ein verloren geglaubtes Juwel aus der Hit-Schmiede von Billy Talent sein, der den Sprung auf's Album lediglich deshalb verpasst hat, weil sich die vier Kanadier mal wieder nicht zwischen Alternative, Punk und Post-Hardcore entscheiden konnten. "Insomnia" schließt sich dieser Referenz nahtlos an und füllt die Zwischenräume im Refrain mit reichlich Theatralik aus. Kurz: "Emma Stoned" klingt in erster Linie nach routinierten Streber-Punk/Alternative, der einer klaren Linie folgt und mit einer fetten Produktion auftrumpft. Emma Stoned sind aber keineswegs die verwöhnten Söhne reicher Eltern, die aus Langeweile heraus mal eben schnell eine Band gründen und somit ihren Lebensläufen wenigstens etwas Inhalt aus eigener Kraft beisteuern. Im Juni startete die Band eine Crowdfunding-Aktion (mittlerweile erfolgreich beendet), mit der die fünf die Produktion ihrer kommenden EP im, u. A. von Jan Kerscher (u. A. bei Like Lovers) mitbegründeten, Ghost City Recordings Studio finanzieren wollen.

DL Self Titled EP

Bigcartel


 Urinprobe

Bandpage//Facebook
Man könnte doch eigentlich meinen, dass heutzutage niemand mehr so alternativlos sein müsste, wie es einem die Band Urinprobe eintrichtern will. Das Quartett aus Vechta hat die 80er Jahre scheinbar nicht überlebt und sich dennoch irgendwie in der unheilvollen Gegenwart verfangen. Denn, so viel steht fest, eine "Zeitmaschine" ist für die Jungs auch keine Lösung. Alkohol allerdings auch nicht, obwohl die Stimme von Sänger Heiko da eine andere Sprache spricht. Urinprobe stehen mit der großen, einstigen Deutschpunkrevolution vor deiner Tür und kotzen dir so richtig angepissten und -geekelten, dreckigen und bierdunstenden Assi-Punk in die Fresse, der sich einen Dreck um Konventionen und Harmonien schert. Dagegen klingt das letzte Slime-Album wie niedlicher Pop-Punk, und die müssten es eigentlich besser wissen. Keine Musik für Schönwetter- und Hipster-Punks also, oder wie die Band sie selber nennt: "Zahme Punx". Eine derart authentische Band wird man in der Gegenwart wohl nur noch selten antreffen. Obwohl...Mann kackt sich in die Hose nehmen ja bekanntermaßen auch kein Blatt vor den Mund.
"Hetzjagt" - nach den beiden Demo-CDr's "Reingepisst und Runtergeschluckt" & "Endstation Freitod", sowie der Split-CD "Vechta Asozial" mit den Osnabrücker Straßenpunks Pofax XY das vierte selbstveröffentlichte Release der Band - kommt als pissgelbes Tape mit Sticker und Button, für asoziale fünf Mark (inkl. Porto).

 DL Hetzjagd Tape

Buy Tape Here & Here or via Mail to: urinprobe-punk@web.de


Frau Hölle


Mit knapp 19.000 Einwohnern ist Schopfheim nich gerade der Nabel der Welt. Dennoch hat sich dort in den letzten Jahren eine beachtliche DIY-Szene entwickelt, deren Angehörige ihrer Stadt oder zumindest den umliegenden Landkreisen schon seit geraumer Zeit die Treue schwören. Musikalische Überschneidungen, Experimente und gegenseitige Aushilfen sind nicht nur vorprogrammiert, sondern auch eine willkommene Abwechslung, wie man zusammengewürfelten Gruppen wie den Orgel-Punks Peng! Peng! oder den Folk-Punks Between Owls durchaus anhören kann. Einen kleinen Überblick verschafft der kürzlich erschienene Sampler "Monsters of the Black Forest", der unter dem Motto "Support Your Local Scene! Fight Fascism! Love Monsters!" in einer zweitägigen Sause sein Release feierte. Unter den Sampler- als auch Festival-Gästen waren auch The Maladroits, der wohl bekannteste aktive Output Schopfheims, und The Brannigans (unsere Platte des Monats 06/14), aus deren gemeinsamer Liebschaft das taufrische Inzestprodukt Frau Hölle entstand. Die beiden ersten Songs "Walking Tall" und "Painlight", die auch auf dem Sampler zu finden sind, klingen zunächst nach recht eingängigem Punkrock mit dezent aggressiver Note im Gesang. Die Gitarre gniedelt sich um den Verstand, beißt und balzt, während das druckvolle Schlagzeug Takt für Takt in den fließenden Sound meißelt. Das hat nicht wirklich viel mit dem Garage-Punk beider Hauptbands am Hut, lässt aber durchaus ihre Melodieverliebtheit durchschimmern. Die unverschönte, aber mitreißende Liveaufnahme beider Songs lässt da nur erahnen, wie geil das erst live und in Farbe reinknallt. Bitte mehr davon.

DL Walking Tall 7"

DL Monsters of the Black Forest Sampler

Dienstag, Oktober 28

Muskelprotz - Im Fitnesswahn Demo



Ja Mensch, was will man denn von einem Typen erwarten, der schon in so komischen Kombos wie Over the Top, Eisenfaust oder Kommando Zurueck hyperaktiv abgezappelt hat? Der sein Label Unterschichten Records nennt und sich somit selbst in die Ecke stellt? Und der mit nicht weniger schrägen Typen wie Lars Hannemann (u. A. Neon Bone, Absorber, Galaxor) in noch schrägeren Kombos wie Regina Regenbogen abhing? Eben! Sascha Wiesbrock aus Münster ist ein Original. Ein Punk. Und darüber hinaus vielleicht auch ein Proll, wie er mit seiner eigenen Band Muskelprotz nun das augenscheinliche Zugeständnis dafür abliefert. Die jahrelangen Trash-Punk-Eskapaden in seinen vorherigen Bands, die ihn nicht nur zum Label Kill All Humans Records seines ehemaligen Bandkollegen führten, sondern nachvollziehbarer Weise auch in die Hände von Maz trieben, sitzen ihm noch tief in den Knochen. Mit Muskelprotz leuchtet er nun das Spannungsfeld zwischen wahnwitzigem Electro und ironischem Deutschpunk aus, was ihn somit unmittelbar im näheren Umfeld von Bands wie Antitainment, Lafftrak oder Ursus platziert. Auch Wiesbrock legt den Schwerpunkt gewissermaßen auf seinen Gesang, der sich mal überdreht und hysterisch, mal prollig oder einfach nur asozial in die recht eingängig zusammengeschusterten (Party-)Songs drückt. Formvollendung finden diese in meist ironischen Texten mit sarkastischen Untertönen über Alltagssituationen. Und wer schon so dreist ist und selbst den Freigeist des Punks auf die Schippe nimmt, der darf dann auch ungeniert muh auf CDU, Jammertal auf egal oder heimgesucht auf Flucht reimen.
Im November letzten Jahres debütierte er mit dem Demo "Im Fitnesswahn", das einen Monat später auch in einer limitierten Stückzahl auf Tape erschien, inklusive DLC + Download eines Bonussongs.

Neue Songs sind wohl schon im Kasten und sollen Ende Oktober auf 7"-Vinyl unter's Volk gebracht werden.



+++Facebook////Blog////Twitter////Soundcloud+++

DL Im Fitnesswahn Demo

Buy Here or Here

Samstag, Oktober 25

Platte des Monats 10/2014: Barren - Anachronism LP



Die Post-Hardcore-Welle ist scheinbar spurlos an Barren vorbeigerauscht. Vielleicht auch deshalb klingt ihr Straight-Edge-New-School-Hardcore so herrlich frisch und angenehm angepisst.
Da tut sich was im Bundesland Thüringen. Nicht nur zuletzt junge Bands wie Reckless Fight oder xMomox sind Zeugnis einer aufstrebenden, oder besser gesagt wiederentflammten Undergroundkultur, jenseits moderner Trends. Old school statt Post-Whatever, lautet die vorgegebene Marschrichtung, die auch Barren (manchmal auch xBarrenx) seit ihrer Gründung 2011 eingeschlagen haben. Die fünf Köpfe hinter der Jenaer Band sind schon längst keine unbeschriebenen Blätter mehr. Bassist und Schlagzeuger mischten bereits vor etlichen Jahren bei den chaotischen Hardcore-Punks Zann (!!!) mit, der Gitarrist u. A. bei den Death Metallern BA'AL (!!!) und mit aktuellem Nebenjob bei den Emoviolence-Crust-Punks Failed Suicide Plan.
Mit ihrer neuen Band Barren gehen sie nun sogar noch einen Schritt weiter zurück, direkt in die 90er, wo der Hardcore-Punk mittlerweile hoffnungslos übersättigt war und nach Veränderungen lechzte. Klar, was Barren auf ihrer 2012er-Demo abzogen und auf ihrem ersten Longplayer "Anachronism" konsequent weiterführen, fällt in die Sparte des New School Hardcores, sprich Post-Hardcores. Aber eben auch fernab der vor einigen Jahren durch Touché Amoré und La Dispute losgetretenen "Welle". Kein Platz für atmosphärisches Zwischengeplänkel, für Melancholie sowieso nicht; kein irreführendes Genregehopse; und glücklicherweise verirrt sich auch kein wehleidiges Piano oder eine Violine in die acht Songs. Barren sind Puristen aus Leidenschaft und Überzeugung. Hier wird jedes ihrer zahlreich aneinander geschmiedeten Riffs mit der Härte des Metals ins Fundament gemeißelt und mit wuchtigen Schlagzeugattacken festgenagelt. Echtes Handwerk eben, statt Effekthascherei, das den Arbeitsschweiß gleich mal herunter in den tropf-nassen Keller führt. "A Sharp Line" heißt der Opener des Albums, der mit bedrohlichem Riff und inbrünstigem Geschreie gleich mal die Weichen Richtung Moshpit stellt, eine melodische als auch schneidende Gitarre im Hintergrund unterbringt und mit der Zeile "And if your ma­roon turns into brown – there is not­hing to ac­cept!" kurz Zeit zum Luftholen lässt, ehe der Song nochmal richtig garstig ausbricht. Auch das folgende "Equal" setzt seine Überzeugung mit dem Brecheisen durch und liefert sich ein hitziges Duell mit dem Mathcore. Dass "Anachronism" trotz seiner ansonsten klaren Abgrenzung zu anderen (Sub-)Genres dennoch stets spannend bleibt, liegt vor allem an den vielen Ideen, die die Band in ihren Songs homogen einbettet. So steigert sich "No Fading Away" zum Ende hin über manisches Gebrüll in eine dreckige, treibende Melodie, wie sie Malkovich 2004 auf "A Criminal Record" en masse aus dem Handgelenk schüttelten. "Bad Bargain" und "No Victim" haben ebenfalls ihre melodischen Momente, lassen diese aber zumeist schon im Ansatz verpuffen und lassen stattdessen lieber wieder die Muskeln spielen. Wie gesagt, bei Barren muss Hardcore eben richtig wehtun und kompromisslos bleiben. Jack Shirley sah das genauso und verpasste dem Album einen an allen Ecken und Kanten wummernden und scheppernden Sound.




+++Bandpage////Facebook////Soundcloud+++

DL Anachronism LP

Buy Here, Here, Here & Here

Donnerstag, Oktober 23

Nostalgiecore

Laura Mars



Anders und etwas cleverer als ihre Kollegen Kill.Kim.Novak, die aufgrund eines Rechtsstreits mit der ehemaligen US-Schauspielerin und mittlerweile zum plastischen Chirurgieopfer mutierten Kim Novak ihren Namen später in Andorra~Atkins umbenennen mussten, benannte sich die Magdeburger/Berliner Hardcore-Punk-Truppe Laura Mars lieber gleich nach der fiktiven Titelfigur des 1978 erschienenen Psychothrillers "Eyes of Laura Mars", und konnte somit derartige Probleme umgehen. Dennoch existierte die 2006 gegründete Band gerade mal etwas mehr als drei Jahre, in denen sie zwei Demo-CDr's in Eigenregie und die 12inch "Vultures" über das von einigen Bandmitgliedern mitbegründete Label Superfluous Records, veröffentlichten. Angesichts der vielen Vorprojekte wie Fall of a Season (später A Friend's History), Don Quichote, The Jukebox Scenario oder Upset und der Einstieg zweier Mitglieder in der noch immer aktiven Hardcore-Trash-Punk-Knüppeltruppe Rebarker nach dem Bandsplit, könnten Laura Mars somit wohl eher als kurzweiligen Zwischenstop entlarven. Egal, denn als äußerst kurzweilig konnte man auch ihre musikalische, düster-nihilistische Mischung aus Hardcore, Punk, Math und Screamo bezeichnen, mit angepisster und rotziger 90er-Jahre-Attitüde und somit stilistisch irgendwo zwischen Botch und Comadre.
Auf Bandcamp hinterließ die Band der Hörerschaft ihr "...Three Song Demo" als Free- und die "Vultures"-EP als Spendendownload. Letztere kann dort auch als blaue B-Seiten besiebdruckte 12" (die rote Variante ist bereits ausverkauft) geordert werden. Bestellt man sie zusammen mit Rebarker's kürzlich erschienener, selbstbetitelter LP (nur noch als einfarbig besiebdrucktes Vinyl erhältlich), kann man sogar Versandkosten sparen. Deal or no Deal?

+++Myspace////Last.fm+++




Kannibal Krach

Bandpage//Facebook//Bandcamp//Last.fm
Um sich am Duo, Trio, manchmal auch Quartett, Kannibal Krach nicht die Zähne auszubeißen, verlangt es schon einiges an Ironieverständnis. Klar, was die Band aus Wermelskirchen hier musikalisch, als auch auf ihren medialen Präsenzen abzieht, entspringt nunmal der naturgegebenen Freiheit des Punks. Bei den Shitlers - eine stabile Band, die ihren Weg geht - verhält es sich ähnlich, nur dass diese vergleichsweise recht ernste Songs schreiben. Blickt man hinter die zynischen, ironischen, sarkastischen, lakonischen, humorvollen oder einfach bloß adoleszent verspielten Songtextfassaden von Kannibal Krach, entdeckt man auch hier einen grundlegenden ernsten Unterton. Als ob das aber nicht schon verwirrend genug wäre, verwurschtelt die Band ihre Texte auch gleich noch in einen bunten Stilmix aus Hardcore- und Melodic-Punk, Grind, Trash und Metal. Musikalische Anarchie halt, die trotz alledem erschreckend viele groovige Momente offenbart. Zuweilen wünscht man sich sogar, dass die Band wenigsten für einige Songs in eine gewöhnliche Struktur verfällt. Das Ganze kann dann weit entfernt am "Nothingcore" von A.O.K., nur mit etwas mehr Willkür, oder am nintendo-armen Crossover-Mix von Antitainment erinnern.
Mit "Hardcore war gestern" (2010, 500 CDs mit jeweils 23 Songs in gut 40 Minuten) und "Das Ende der Spassgesellschaft" (2011, 70 Digipak-CDs mit 16 Songs in knapp 20 Minuten) kann die Band bislang auf zwei Alben zurückgreifen. Letzteres gibt's über Bandcamp als Free Download.

P.S.: Den Spaßanteil seiner Band, transferiert Gitarrist und Sänger Frustus auch in sein cineastisches Nebenprojekt Spoilergeist, der Nr.1 Filme-, Spiele-, Bücher- und Musik-Source.


Buy Merch Here & Here


 Golden Gorilla

Bandpage//Facebook//Last.fm//Myspace
Ein Blick zurück in die 90er: Stack, Dead Beat, Fear is the Path to the Dark Side, Universal a.k.a. the Mental Toilet, Luzifers Mob, Diavolo Rosso, um nur einige von vielen Undergroundgrößen zu nennen, mit denen sich die beteiligten Musiker von Golden Gorilla damals die Zeit vertrieben. Als sich diese 2001 gründeten und nach einigen Besetzungswechsel drei Jahre später mit ihrem Demo debütierten, fiel diese wohl kaum noch unter dem Welpenschutz. Floskeln wie "Jeder hat mal klein angefangen", konnte man sich an dieser Stelle also getrost sparen. Machte man ja auch, denn mit den ersten fünf Songs legte die Band einen beachtlich soliden Grundstein für die nächsten sechs Jahre, in denen sich Golden Gorilla durch morastigen Sludge und düster-doomenden Metal kämpften. Es folgten der erste und einzige, selbstbetitelte Longplayer im Jahr 2007, auf dem sich auch alle fünf Demosongs in überarbeiteten Versionen wiederfanden, und eine Split mit Crowskin 2009, die auf Vinyl über die kleinen DIY-Labels Prügelprinz und Decoy Industry erschienen.
Ihre letzte Show spielte die Band im Dezember 2010, ehe sie im Mai diesen Jahres gewissermaßen als Überraschungsgast auf dem Towers of Madness auftraten. Und anscheinend haben sie wieder Blut geleckt. Zwei unveröffentlichte und einen neuen Song spielten Golden Gorilla Ende Juni im Studio von ex-Mitglied und Bastard-King-Bassist Lari Moosedick ein, die die angekündigte Split mit der Karlsruher/Freiburger Sludge-Black-Metal-Band Ghost of Wem ausschmücken sollen. Die LP wird im November über die kooperierenden Labels Per Koro und Meta Matter Records erscheinen. Die Releaseparty lassen beide Bands auf dem Halloween of Doom Vol. 5 Festival steigen.


Buy Here, Here & Here


Deny Everything

Facebook//Myspace//Last.fm//Bandcamp
Als Deny Everything 2006 mit ihrer selbstbetitelten EP (als CD über Rising Riot Records erschienen) debütierten, sahen viele Kritiker im Kölner Quartett bereits einen würdigen Kid-Dynamite-Nachfolger. Old schoolig angerauhter Hardcore mit wütend herausgerotzten Vocals, kurz und knackig, und der sich immer wieder in melodische Punkhymnen entlud. Und auch, wenn mich der Refrain von "The Return of the Durruti Column" eher an ältere Beatsteaks zu "48/49"-Zeiten erinnert,  ist es schon durchaus bemerkenswert, welch ur-amerikanischen Sound Deny Everything generell an den Tag legten, wachsen solche Bands hierzulande schließlich nicht gerade auf den Bäumen. Selbstbewusst, ja fast schon dreist, ging die Band auf Tuchfühlung mit ihren Vorbildern - Lifetime oder Latterman können noch getrost hinzu gezogen werden - , pflegten allerdings von Anfang an einen offenen Umgang mit diesen, wodurch sie vielleicht vielen Kritikern schon vorab den Wind aus den Segeln nahmen. Egal! Soll meckern, wer meckern will. Der Rest freut sich über schnörkellosen Hardcore-Punk, der den Schwerpunkt wohl eher auf den Bindestrich legt.
Ende 2010 wanderte Gitarrist David für zwei Jahre nach Mexiko aus. Gemäß ihrer nicht nur musikalischen Kompromisslosigkeit war damit auch gleichzeitig das Ende der Band besiegelt.
Anlässlich der Yo-Yo Records 15th Anniversary Show im April 2014, kam die Band noch einmal für einen Auftritt zusammen. Eine langfristige Reunion schlossen die Bandmitglieder allerdings aus. Mit Imhoff Youth (Sänger Pablo) und Underparts (Chris & Björn -> PWYW-Download HIER; Stream HIER) verschwinden sie aber immerhin nicht vollkommen von der Bildfläche.

DL Fire This Time LP
DL Things I Like EP
DL Speaking Treason EP
DL S/T EP

Buy Here, Here, Here & Here


The Notorious Love Affair

Myspace//Last.fm//Bandcamp
Die vielleicht kürzeste Bandbiografie der Welt: 1995 in Darmstadt gegründet; fünf Songs eingespielt, wovon vier auf der selbstbetitelten 7" über Per Koro veröffentlicht wurden; ein Proberaumkonzert vor einer handvoll privater Gäste gespielt; Auflösung 1996. Was nach einem gescheiterten Projekt klingt, war von den fünf Beteiligten von Anfang an genau so gedacht. Wie es in den 90ern nicht selten der Fall war - denkt man beispielsweise an einermusstot - , entstand auch The Notorious Love Affair aus einer spontanen Idee der befreundeten Musiker heraus. Diese tobten sich vor und nach dem kurzen Bandleben von TNLA im deutschen Untergrund aus, u. A. bei Narsaak, Dead Beat, The Orphaned, Prone, Black Shape of Nexus und oben genannten Golden Gorilla. Als Gitarrist fungierte der US-Amerikaner Andrew Gilbert, der auf der anderen Seite des Großen Teiches bei Floodgate und Fisticuffs Bluff aktiv war und zum damaligen Zeitpunkt eigentlich bloß seine Germanistik-Kenntnisse vertiefen wollte. Das fast schon wortlos wirkende Geschreie von Frontmann Matthias Bauer, bei dem selbst Alteingesessene rat- und regungslos auf der Strecke bleiben, dürfte ihm dabei wohl kaum geholfen haben. Bleibt nur zu hoffen, dass während der probe- und aufnahmefreien Zeit ein anderer Ton herrschte.
Getagt ist das Ganze mit Hardcore, Punk, Emocore und Screamo. Vor allem aber das Zusammenführen der wüsten, sich überschlagenden Vocals mit den düsteren Schrammelgitarren, aus denen sich immer wieder groovende Melodien schälen, erinnert mich mehr an Nachtmystium oder Ancst, wenngleich TNLA so rein gar nichts mit Black Metal am Hut haben.

DL S/T 7"

Buy Here & Here


I Refuse (CAN)

Facebook//Wordpress//Myspace//Bandcamp//Last.fm
Vorweg: Wären I Refuse tatsächlich das gewesen, wozu sie ihre Fürsprecher noch vor einigen Jahren hochgejubelten, hätte sich die kanadische Band im Jahr 2010 wahrscheinlich nicht auflösen müssen. Die Referenzen reichten von Nirvana, über Sonic Youth, bis hin zu Boysetsfire. Ein musikalischer Kontext lässt sich daraus wohl nur schwer herleiten, einzig, dass allesamt zumindest als offizielle Wegbereiter ihrer jeweiligen Stilrichtung galten. Dieses Privileg konnten I Refuse aus Ottawa, Ontario nun wirklich nicht für sich beanspruchen, noch fand ihre Musik Berührungspunkte mit Grunge, Indie und Emo-Post-Hardcore. Zuletzt Genanntes könnte man vielleicht noch wohlwollend in den kantigen Riffs und der allgemein drückenden und glasklaren Produktion unterbringen, die I Refuse's letzten Output "Speaks Fork-Tongued" ins internationale Format pressten. Hier offenbarte sich auch am deutlichsten ihre Affinität zum Crossover/Alternative(-Metal) ehemaliger Rage Against the Machine (nicht noch eine hochkarätige Referenz!), allerdings weniger verspielt und für die Gegenwart gründlich entstaubt. Im Einklang mit den treibenden Melodien und dem cleanen Gesang, der mehr nach Stadion, denn Barracke klingt, schwingt somit ein kritischer Unterton mit, den sich die Band Wohl oder Übel gefallen lassen muss(te). Dass I Refuse im Herzen eine engagierte Punkband war, die sich zu jeder ihr bietenden Möglichkeit - insbesondere in ihren politischen Songs - auf Miszstände aufmerksam machte, ist ihren Songs somit nicht gleich anzuhören. Aber vielleicht ist das ja das neue DIY-Format? Vielleicht werden ja auch Bands wie Linkin Park eines Tages ihre Konzerte nach dem PWYW-Prinzip veranstalten und ihre Releases kostenlos über Bandcamp anbieten ... wie es bei I Refuse der Fall war.

DL Speaks Fork-Tongued 12"
DL The Fire Sermon 7"
DL S/T EP
DL Split w/ Unrestrained (IR-Hälfte)

Buy Here, Here, Here, Here & Here

Dienstag, Oktober 21

Western Grace - Bury Me Deep EP



Western Grace melden sich mit einer neuen EP zurück. Und mit neuem Sänger.
Mit seinen unzähligen Bandprojekten (The Bloody Strummers, Bluejacket, L.S. Underground, The Outpour, uvm.) ist Joshua Lory nicht nur ein routinierter Undergroundmusiker, sondern auch einer der tonangebendsten Köpfe des Down the Line Collectives (bereits HIER vorgestellt). Western Grace, ursprünglich auf den Namen Bury Me Deep getauft und um 2009 aufgrund zahlreicher gleichnamiger Bands nach einem Hot-Water-Music-Song umbenannt, gründete er mit seinem langwierigen Freund und Divit-Schlagzeuger Nick White. "Take Back the Scene" lautet der Titel ihres gemeinsamen Debüt-Albums, welches ursprünglich 2009 und drei Jahre später nochmals in überarbeiteter Version auf CD erschien. Ein Album, das nicht nur straighte Punknummern mit Hang zu eingängigen Melodien, sondern vor allem zwei Musiker offenbarte, die von den begrenzt zur Verfügung stehenden Mitteln immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt wurden. Vor allem Lory's angestrengter und schmeichelhafter Gesang, sollte den beiden nachträglich nicht allzu viel Grund zur Euphorie geben. Und so überredete Lory seinen Impaller/Get Your Shinebox-Kollegen Jason Groff, der bereits auf dem Album als Zweitstimme und Keyboarder fungierte, ihn am Mikrofon zu vertreten. Auf ihrer neuen EP "Bury Me Deep" finden sich, neben dem Reggae-Ausflug in "Sleep Through the Earthquakes", somit noch immer Songs zwischen Melodic- und Pop-Punk, die durch Groff's hellerer Stimme nunmehr ihren unfreiwilligen Hardcore-Charakter vollständig verbannt haben. Im leidenschaftlichen Opener "I Just Might" überschlägt er sich sogar dermaßen, dass er fast auf Tuchfühlung mit dem avantgardistischem Gesang von John Congleton (The Paper Chase) geht.



+++Facebook////Bandcamp////Reverbnation+++

DL Bury Me Deep EP

Buy CD via Mail to: josh.lory@gmail.com

Sonntag, Oktober 19

Miles & Feet - Lies.Words.Love 12"



Ob sich diese fünf Leipziger gegen ihre kommerziell erfolgreichen Rivalen More Than Life und Defeater durchsetzen können? Falsche Frage! Wollen sie das denn überhaupt?
Schon das atmosphärische Intro, das Miles & Feet's Debüt-EP "Lies.Words.Love" behutsam und ohne Umwege einleitet, zeugt von einer routinierten Band mit einem klaren Ziel vor Augen. Man muss es schon so direkt sagen: auch ohne Vorabinformationen oder hellseherischen Fähigkeiten lässt sich erahnen, in welche Richtung die folgenden fünf EP-Songs ausholen werden. Mit hyperaktiven Schlagzeug, melodiösen Gitarren und emotional ansteckendem Geschrei stürmt folgend die Vorab-Single "Lies.Words.Love" aus den Boxen und wandelt die akustischen Reize postwendend in kinetische Energie um. Wer an dieser Stelle noch immer regungslos auf seinem Hinterteil verharrt, dem werden auch die übrigen vier Songs nicht aus der voreingenommenen Lethargie befreien. Denn was folgt, ist stilsicherer und handwerklich einwandfreier Melodic Hardcore, eingebettet in einer soliden Produktion. Klar, auch die dem Shoegaze entliehenen, flirrenden Gitarren am Ende des Songs, das fast schon am Classic Rock kratzende Intro in "Demons" und der entfernt durchschimmernde Post-Rock-Gedanke in "Saddest Days", sind altbewährte Genregimmicks. Miles & Feet lassen all das homogen ineinander einfließen und schaffen so eine EP, die vor allem von ihrer atmosphärischen Intensität und Leidenschaft lebt und den Hörer mitzureißen vermag - wenn sich denn dieser darauf einlassen kann. Für den Rest ergeben sich daraus immerhin treibende Nummern, allen voran der explodierende, nochmals alles entladende Closer "Set You Free". Die Band allein darauf zu reduzieren, würde ihr allerdings nicht ganz gerecht werden, denn gerade die geschaffene Eintracht von Melodie und Atmosphäre, zeigen, dass sich Miles & Feet hinter den großen Namen des Genres nicht verstecken müssen.

Das (noch) kleine Hofer DIY-Label lifeisafunnything riss sich die Band gleich mal unter den Nagel und presste "Lies.Words.Love" auf 100 transparent-türkisfarbene und 250 transparent-blaue 12inches, beide Varianten mit CD-Beilage in Vinyloptik, Textblatt und DLC.



+++Facebook////Twitter////Bandcamp////Youtube+++

DL Lies.Words.Love 12"

Buy Here, Here & Here

Freitag, Oktober 17

Rebarker - S/T LP



Auch heutzutage müssen sich die Neuen Bundesländer - der sogenannte Osten - (und es ist schon bedenklich genug, dass nach fast einem Viertel-Jahrhundert nach der Wiedervereinigung Deutschlands eine derartige Bezeichnung noch Anwendung findet) noch immer mit Vorurteilen und Klischeedenken herumärgern. Die verheerenden Luftangriffe auf Magdeburg während des Zweiten Weltkrieges, nutzen hunderte Neonazis jährlich als Anlass, einen Trauermarsch durch die sachsen-anhaltinische Landeshauptstadt zu veranstalten, wofür in der jüngeren Vergangenheit von den verantwortlichen Behörden sogar ganze Stadtteile regelrecht abgeriegelt wurden und der braunen Brut somit eine mehr als fragwürdige Lobby geboten wurde. Klar, der Widerstand wächst mehr und mehr, und inzwischen ist Punk im "Osten" auch sicherlich keine Ausnahme mehr.
Die vier Jungs von Rebarker gibt es in dieser Konstellation schon seit mehr als sechs Jahre. Die Hälfte von Ihnen tobte sich in den Jahren zuvor in der Hardcore-Punk-Combo Laura Mars aus und gründete mit Superfluous Records sogar ein eigenes kleines Punk-Label. Eine Zeitspanne, in der die Beteiligten den Wandel unserer Gesellschaft aufmerksam beobachteten und letztendlich zur Erkenntnis kamen, dass es mittlerweile eben nicht mehr nur die offensichtliche Gefahr ist, die uns Sorge bereiten sollte. Menschen leben nach Mechanismen, quälen sich aufgrund unnötiger Verlustängste, verfallen in blinden Konsum - "lieber haben, als brauchen, wegwerfen kann man's ja immer noch"; denken, es ginge ihnen schlecht, mussten aber noch nie um ihr eigenes Leben fürchten. Kurz: Wohlstandsprobleme, die den Menschen zu einem egoistischen und habgierigen Wesen mutieren lassen.
Vier Jahre nach ihrem letzten Release, der Split mit den Portlander Hardcore-Punks Unrestrained, melden sich Rebarker nun mit ihrem ersten, selbstbetitelten Longplayer zurück, auf dem sie sich die großflächige Grauzone zwischen BRAUN und ROT zur Brust nehmen. Alltagssituationen, die von der Band kritisch durchleuchtet werden und unverschönt ihren Schatten abwerfen. Schlaflosigkeit als direkte Folge der ständigen Hektik ("Insomnia") oder der übermäßige Kauftrieb in Supermärkten, als gäbe es für die Leute kein Morgen mehr ("Ausnahmezustand"), mit reichlich Galle und als hässliche Fratze an den Spiegel gerotzt. Schade nur, dass dieses Spiegelbild die eigentlichen Adressaten vermutlich nicht erreichen wird, denn musikalisch spielt sich das Ganze im untergründigen Hardcore ab, mit reichlich Vorbildern aus der 90er-Ära. "Schöner Wohnen" hetzt im Eiltempo durch Mathcore und Emoviolence, offenbart trotz seiner Kürze aber mehr Abwechslung, als so mancher Post-Rock-Song. "Insomnia" berstet anfangs noch mit dem Kopf voran durch fiesen Fastcore, ehe es die gesittete Moshfraktion zum Tanz auffordert, während "God Free Youth" zum Zweierschritt-Beatdown bittet. Ein düsteres und träges Intro plus zwei gleich gestrickte Interludes, räumen dazwischen etwas Zeit zum Luftholen ein.

Ihre selbstbetitelte LP erschien in zwei Vinyl-Varianten: mit ein- und als limitiertere zweifarbiger besiebdruckter B-Seite.



+++Facebook////Soundcloud////Myspace+++

DL S/T LP
DL Split w/ Unrestrained -> Rebarker-Seite//Unrestrained-Seite

Buy Here, Here, Here, Here & Here

Mittwoch, Oktober 15

I Love Your Lifestyle - I Love Your Lifestyle 12"



Mit Trachimbrod ist Sänger Lukas Feurst in härteren Gefilden unterwegs. Mit I Love Your Lifestyle widmet er sich nun dem Midwest-Emo und verlagert das musikalische Geschehen in die Mitte der 90er-Jahre zurück. Um den Rest kümmert sich Joe Reinhart.
Dass der Algernon-Cadwallader- und Hop-Along-Gitarrist Reinhart die sechs Debüt-EP-Songs von ILYL durch das Mixpult seines in Philadelphia gelegenen The-Headroom-Studios jagte, ist vor allem den hibbeligen Gitarren in "Spider Monkey", "Happy Lacuna" und "Long Time No Bruce" anzuhören. Nicht nur zuletzt, denn auch Feurst's frisch-forscher und aufgeregter Gesang ruft unmittelbar Reinhart's kultschwangeres Hauptprojekt auf den Referenzplan. "Christoffer Robin" wühlt zwischen Surf- und College-Rock alles auf, was eben schon in den 90ern/um die Jahrtausendwende angesagt war, erinnert mit seinem fluffig-leichten Pop-Appeal aber vor allem an den Indie-Rock ihrer schwedischen Kollegen von Friska Viljor. Dass man von ILYL also kein minutenlanges, mäanderndes Geplänkel erwarten sollte, dürfte somit an dieser Stelle bereits klar sein. Stattdessen polstern sie ihre Songs mit kräftigen, spielfreudigen Power-Pop-Gitarren aus, die die besungenen Probleme rund ums Erwachsenwerden und sonstige Identitätskrisen in sommertaugliche Melodien und Singalongs unterbringen. Einziger Ausreißer: der in Lagerfeuerromantik verpackte Herzschmerz im Akustiksong "Dynamites & Catfights". 

ILYL's selbstbetitelte Debüt-EP erschien in einer Auflage von 500 transparent-grünen 12inches mit lustig gestaltetem Inlay und DLC, u. A. über Through Love Rec. Entgegen dem PWYW-Download über der Bandcamp-Seite der Band, enthält das Vinyl einen Bonussong - einem Duett von Sänger Feurst und seiner Freundin.

Mit dem Song "Circus" sind ILYL auf dem All We Got! Records-Sampler "Your Wrongs, Our Rights" vertreten, deren Erlös im Rahmen der "Comps For A Cause"-Reihe für die Stärkung der internationalen LGBTQ-Rechte eingesetzt wird.



+++Facebook////Tumblr////Soundcloud////Youtube////Bandcamp+++

DL I Love Your Lifestyle EP

Buy Here, Here, Here & Here

Montag, Oktober 13

Kennt ihr die?


Einige von ihnen spielten im Las Gaffas Quartett, später in der nach einem Atari-Homecomputer-Spiel benannten Gruppe Spelunker, und ab 2009 bis 2011 also in der ehemaligen Arnsberger Kapelle Wendy, wo einem beim bloßen Lesen unweigerlich Pferde mit beiseitegestellten, strahlend glücklichen Mädchen im Kopf herumgeistern. Mit ihrer 2009er Demo tischte uns das Quartett aber keinesfalls Kinderquatsch mit Michael auf, sondern jugendlich verspielten, unbeschwerten und freigeistlichen Indie-Emo-Rock mit unterschwelliger Casio-Begleitung. Cap'n Jazz lassen grüßen.

+++Facebook////Myspace+++

DL Demo

Buy CDr via Mail to: wendyiscandy@gmx.de

Samstag, Oktober 11

Der Bandcamp-Hardcore Vol.26

Subversion



Selbst ein scheinbar hypermodernes Subgenre wie der Technical (Death-) Metal ist mittlerweile randvoll gefüllt mit vertretenden Bands. Klar, während einige von ihnen progressive Ausflüge unternehmen, versuchen andere widerum das Ganze mit Jazz-Einlagen aufzupeppen. Letztendlich ist aber alles irgendwie schon mal da gewesen, sodass sich junge Bands nicht an der Neuerfindung des Rades aufhalten, sondern vielmehr die Frage stellen sollten, wie man aus der breiten Masse herausstechen kann.
Subversion aus der geschichtsträchtigen, englischen Grafschaft Kent überzeugten bereits auf ihrem selbstveröffentlichten Debüt-Album "Lest We Forget" (2010, auch als CD über den Bigcartel-Shop erhältlich) mit einem enormen Songverständnis und Kreativität. Ende 2013 legte das Quintett eine EP nach, auf der sich mit "Butchered" und "What We Are Entitled" zwei Redux-Versionen ihres Debüts und zwei neue Songs wiederfanden, die die Marschrichtung für das 2014 angekündigte zweite Album vorgeben sollten. Doch trotz der besseren, druckvolleren Produktion der vier Tracks, die zweifelsohne für oberbegriffgebenden Metal angemessen, wenn nicht sogar notwendig ist, fügt sich die Band mit ihrem zweiten Release eher dem Klassendurchschnitt. Damit kann man sich durchaus zufrieden geben (Fans werden ohnehin eine andere Meinung vertreten), zumal Subversion mittlerweile auf eine solide Fanbasis blicken können. Fiese, harte Doublebass- und Blastbeats-Attacken lassen Genreherzen im gewohnten Takt schlagen, während hintergründig unterkühlte und sphärische Synthies schweben. Der Wechsel vom, von Neumitglied Karl Harrigan entfachten, Growlgewitter und Kai Giritli's herzzerreißenden, manchmal vielleicht etwas zu dick aufgetragenen, cleanen Gesang, formen "Transcend" endgültig zum standesgemäßen Genrewerk. Ob das reicht, wird sich mit der Zeit sicherlich zeigen. Gelegenheit dazu bietet das Label Rogue Records America, mit dem Subversion kürzlich einen Vertrag über zwei Alben aushandelten.

+++Bandpage//Facebook//Twitter//Bandcamp//Soundcloud//Myspace//Reverbnation+++

DL Transcend EP




Oak

Facebook//Tumblr
Unter dem ursprünglichen Bandnamen Anchors & Roses debütierten die drei Schweden von Oak Ende 2011 mit der EP "Distance", die nicht nur wegen der Liveaufnahme noch wesentlich wüster und chaotischer klang, als die zwei folgenden Releases unter dem neuen Namen. Den Hintergrund des Namenwechsels konnte ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen, auch wenn ein recherchierender Gedanke ausgeschlossen werden kann. Stieß man vorher bestenfalls auf einschlägige Tattooseiten, muss man nunmehr genauer hinschauen, ob einem die Suchmaschine nicht doch Ergebnisse zu einer deutschen oder französischen Post-Rock-Band gleichen Namens aufzeigt. Wie auch immer. Über ihre zweite EP "Chapter III" bis hin zum jüngst erschienenem, selbstbetitelten ersten Longplayer haben Oak weiter an ihrem Sound gefeilt und sich eine breite Basis geschaffen, auf der sich die Band schizophren zwischen Chaos-, Noise- und Mathcore, Punk und sludgigen Post-Hardcore austoben kann. All diese Stilelemente finden sich formvollendet und in drei Chaptern gegliedert auf ihrem Album wieder. Mit dem morbide klimpernden und düster fidelnden "Galanty Shows", in dem die beiden Filur-Violinistinnen Alma Eriksson und Gabriella Josefsson zu hören sind, und dem akustischem "The World", hält das Album zudem zwei Ausreißer parat.
"Oak" ist als blau-weiß-gespränkeltes und schwarzes Vinyl über das beheimatete Label HoboRec und dem süd-deutschen Partnerlabel Woodhammer Entertainment erhältlich, sowie als limitiertes Tape über Miss The Stars Records.

DL S/T 12" Here, Here & Here
DL Chapter III EP-Tape
DL Distance CDEP Here

Buy Here, Here, Here & Here


Given Chain

Bandpage//Facebook//Twitter//Soundcloud
Dass sich Tool in diesem Jahr tatsächlich nochmal mit einem neuen Album zurückmelden wollen/werden, konnten Given Chain im Jahr 2010 ja nicht wissen. Scheinbar etwas voreilig haben die vier Hannoveraner nämlich schon die langsam schwindenden Fußstapfen der amerikanischen Progressive-Metal-Ikonen besetzt. Eine extravagante Band wie Tool lässt sich nun aber sicher nicht 1:1 kopieren, und auch wenn sich Given Chain verdächtig nahe am Sound ihres großen Vorbildes bewegen, so setzen sie dennoch genügend eigene Akzente, um nicht als bloßer Abklatsch in die Ecke abgestellt zu werden. Die Band ist redlich darum bemüht der Eingängigkeit zu entfliehen. So beginnt ihre Debüt-EP "Cycle of Excuses", von der sie in Eigenregie eine limitierte Auflage an CD's pressen ließen, mit dem recht düster doomigen "Thinking Sun", gefolgt vom riffverliebten "Clayboy", dass sich im Mittelteil erst durch einen manischen Monolog quält und zum Ende hin über den wütenden Ausbruch entlädt. Und während "Manimal" fast schon am Rapcore kratzt, zeigt sich die Band im acht-minütigen Schluszsong "Cripplecism" noch mal von ihrer verspieltesten Seite. Hier allerdings deutet sich auch schon Given Chains größte Schwäche an, nämlich wenn Frontmann Conny Thees eine fast schon leiernde Art Mönchsgesang zelebriert. Besonders schräg klingt das dann im Endspurt des Songs "Capacity" ihrer zweiten EP, die schon mal einen Vorgeschmack auf das geplante Album geben soll. Dann doch lieber energisch, verbissen und trotzig.

DL Capacity/NoNoah EP
DL Cycle of Excuses EP

Buy CD via Mail to: givenchain@gmx.de


 Souls For Sale

Bandpage//Facebook//Twitter//Soundcloud//Myspace
Wer sich noch vage an unseren ersten Sampler erinnern kann, der dürfte auch was mit dem Namen Souls For Sale anfangen können. Den Song "Zielenvisserij" steuerte uns das Bielefelder Quintett damals noch vor dem offiziellen Release ihres ersten Longplayers "Scavenger" bei, was mich zugegebener Maßen noch heute mit Stolz erfüllt. Die Band spielt punkaffinen Hardcore mit Metalbreitseite. Kompromissloses Geschreie zu nicht weniger kompromissloses Gezimmere, egal, ob der Song nun an der Vier-Minuten-Marke kratzt oder keine zwei Mintuen durchhält. Gitarre, Bass und Schlagzeug bilden dabei eine wummernde Masse, die sich entweder im Gehörgang einmeißelt oder bis zur Grenze zum Sludge schleppend voran quält. Dass sie dem näheren und düsterem Umfeld des AJZ Bielefeld entsprungen sind, kann man ihnen jederzeit anhören, denkt man beispielsweise an ähnlich fiese und finstere Gruppen wie Ruins oder Sickmark. Den entsprechenden druckvollen Sound ihrer Debüt-LP lieferte die Tonmeisterei Oldenburg, wo sich die Band auch im Juli dieses Jahres erneut einnistete und acht Songs für das geplante zweite Album aufnahm.

DL & BUY Scavengers LP
DL & BUY All My Favorite Love Songs Are By Cannibal Corpse EP

Buy Here, Here, Here, Here & Here


Distemper (IT)

Bandpage//Facebook//Reverbnation
Das Trio Distemper aus dem italienischen Genua ist derzeit eine der umtriebigsten und aktivesten Punkcombos Italiens, sowohl auf als auch abseits der Bühne. In ihren meist relativ kurz gehaltenen Songs verbindet die Band old schooligen Hardcore-Punk mit Fastcore, der - trotz Sprachbarriere - extrem wütend und giftig aus den Boxen schnellt. Keine Frage, mit den drei Jungs ist nicht gut Kirschen essen - zumindest als Rassist, Sexist oder ein anderes, artverwandtes Arschloch. Ihre Diskografie ist bislang mit zwei Alben und einer Split bekleidet, die die Band in den Jahren 2011 bis 2013 mit Hilfe diverser D.I.Y.-Labels (u. A. Obdura, Laterna Pirata) veröffentlichte. Mittlerweile unterhalten 2/3tel Distemper sogar ihr eigenes Label (Cimurro D.I.Y.) oder haben sich in regionale Szenekollektive wie Kalashnikov etabliert. Das ist wichtig, nicht nur zuletzt um zu zeigen, dass Italien nicht nur rassistische Hooligans beheimatet.

DL & BUY Sed Non Satiata LP
DL & BUY Dritto Nel Nulla CD

Split /with Rauchers ->Höre A-Seite//DL B-Seite

Buy Here, Here, Here & Here


Chevin

Facebook//Last.fm
Play fast, live short, die loud - oder so ähnlich... . Beim Dresdner Quintett Chevin geht alles irgendwie drunter und drüber, manchmal auch einfach nur direkt mittendurch. Die Band prügelt sich durch pfeilschnellen, asozialen Fastcore und Hardcore-Punk-Trash und schlägt somit in die gleiche Kerbe von nicht weniger durchgeknallten Combos wie Henry Fonda, WØLFENSTEIN, Nihil Baxter oder Derbe Lebowski. Während ihres bislang drei-jährigen Bestehens brachten es Chevin auf 38 veröffentlichte Songs, verteilt auf vier Releases und mit einer Gesamtspielzeit von nicht einmal 26 Minuten. Mehr muss, glaube ich, gar nicht erwähnt werden.

DL Split-Tape w/ Anxiety Attack Here & Here //\\//\\ Buy Here, Here & Here

DL Split-7" w/ Huffin' Paint Here & Here \\//\\// Buy Here, Here & Here

DL The First Year Tape

DL Das wilde Dutzend und ein Happen Pferdefleisch Demo


Dead Hand

Facebook//Bandcamp//Myspace
Samurai Tod - lang lebe Dead Hand! Naja, zumindest im feisten Fastcore- - oder wie die Band ihren Stil selbst umschreibt "Blackened Chaos Punk" - Herz und in zwischenzeitlichen und aktuellen Bands wie Unru, Pttrns, We Now Walk, Make Out, BÆRKOTZKI oder Equality. Ende 2011 veröffentlichten die vier Braunschweiger/Dresdner/Bielefelder mit "Junge Menschen und ihr Sport" ihren bis dato letzten Song. Neben einigen Demos, was hinsichtlich des allgemein rauhen und rohen Proberaumsounds der Band eigentlich eine unnötige Herabwürdigung darstellt, konnte sich die überschaubare Anhängerschaft zuvor über das "Gutfried Youth" Tape (40x pissgelb über Gafas del Rigor Cassesttes + Nachpressung) und die Split-CDr (50x handnummeriert als limited Tour Edition) mit der Leipziger Knüppel-Gang Pissed Goats, die im Zuge der gemeinsamen Israel-Tour 2010 entstand, freuen.


Buy Here & Here


Wanderer

Facebook//
Ein taufrisches Inzestprodukt, gezeugt in den Untiefen des schwedischen Undergrounds. Fünf finstere Gesellen beherbergt die Band Wanderer aus Örebro, die beispielsweise aus mehr oder weniger bekannten Hardcoregruppen wie Concubine, Of Humanity's Demise, Luftfärd und Celestica zusammengekommen sind. Was sich die fünf da gemeinsam vorgenommen haben, lässt sich anhand der ersten beiden Songs des "MMXIV"-Demos bislang nur grob erahnen. "Black Storm" wühlt sich schleppend durch Downtempo-Hardcore der Marke Brutality Will Prevail oder Red Apollo, während das ausdauerndere "Lone Wolf" zwischenzeitlich mit dem Post-Rock liebäugelt. Ob diese zwei Komponenten stellvertretend für den zukünftigen Sound der Band stehen werden, wird sich wohl erst noch zeigen. So long...gilt, dass träger und rauher Post-Hardcore vorerst den kultträchtigen Sweden Hardcore im Untergrund abgelöst hat.

DL Demo MMXIV Demo


Außerdem


Punch

Tumblr//Facebook//Myspace//Bandcamp
Trashcore aus Kalifornien? Was nach eindeutigem Three-One-G-Etikett klingt, trägt in Wahrheit das Deathwish-Gütesiegel. Vielleicht hatte Justin Pearson einfach bloß zu viel um die Ohren mit seinen zahlreichen, parallel laufenden Projekten und das Quintett aus San Francisco somit spurlos an ihm vorbeizog. Die garstige, radikale und erbitterte Attitüde von Punch und insbesondere die ihrer Frontfrau Meghan jedenfalls, war zuletzt auch auf Retox' zweiter LP "YPLL" zu hören, vom pfeilschnellen und auf's Nötigste reduzierten Trash-Punk ganz zu schweigen. Punch sagen, was gesagt werden muss und darüber hinaus, was tief in ihrem Inneren brodelt. Das kann man vor allem der krächzenden Meghan anhören, die sich aus tiefster Inbrunst heraus über allgemein bekannte Probleme erbricht. Klar, das ist nicht neu und schon zig-fach wiedergekäut. Die fünfzehn Songs ihrer dritten LP "They Don't Have to Believe" dienen daher wohl auch mehr als Ablassventil. Dennoch entladen sich die Songs nicht nur in sturem Gebolze und entlarven trotz ihrer Kürze und durchgetretenem Gaspedal - der Kürzeste dauert gerade mal fünf Sekunden, der Längste immerhin fast zweieinhalb Minuten - immer wieder dezente Melodien und mitnickbare Riffs. "They Don't Have to Believe" ist somit nicht nur ein engagiertes, sondern vor allem kurzweiliges Album geworden, dass selbst in dem schwer definierbarem und relativ eintönigem Subgenre Trashcore/-punk heraussticht. Bemerkenswert!

Stream & Buy Digitally "They Don't Have to Believe" LP Here & Here

Buy Here & Here


The Tidal Sleep

Facebook//Bandcamp//Soundcloud//Myspace//Tumblr
Das Musikbusiness kann manchmal wahrlich kurios und ungerecht sein. Selbst mit einem - in meinen Augen, und ich weiß, dass ich mir mit dieser Aussage sicherlich einige Feinde machen werden - mageren Album wie "Boombox" ernteten die Beatsteaks viel zu viele Lorbeeren ein, während die Ärzte ohnehin ihre Narrenfreiheit exzessiv im Radio ausleben dürfen. Versteht mich nicht falsch. The Tidal Sleep spielen sicherlich in einer ganz anderen Liga, ganz davon abgesehen, dass Post-Hardcore auch in den kommenden Jahrzehnten kein radiotaugliches Format annehmen wird.  Es ist nur so, dass man dem sympathischen Mannheimer Quintett einen mindestens genauso großen Fanradius wünscht, wie beiden eingangs erwähnten Bands, unabhängig davon, ob TTS das nun wollen oder nicht. Wie wär's 94,3 rs2, vielleicht Bock einen Song wie "Angst" wenigstens in eurem Nachtprogramm unterzubringen? Nein? Ok, Band samt Anhängerschaft werden es verkraften können. Da wollen sie ja auch gar nicht hin und die treue Stammkundschaft hat sich ohnehin schon spätestens seit dem Debüt-Album als sechster Mann hinter der Band postiert.
Auf ihrem zweiten Longplayer "Vorstellungskraft" machen TTS aber nun etwa nicht einfach bloß da weiter, wo sie 2012 mit wütendem Post-Hardcore und Hardcore-Punk aufhörten. "Vorstellungskraft" schepperd immer noch ordentlich, ist besser produziert und - als größtes Veränderungsmerkmal - wesentlich mehr auf Atmosphäre getrimmt. Zwar beschert der Opener "Old Youth" dem Album einen ebenso krachenden, alles niederberstenden Einstieg, wie es zwei Jahre zuvor bereits "Serpent Hug" tat. Aber bereits der zweite Song "Thrive and Wither" zeigt mit einer fast schon eingängigen Rockline, stetigen Ausbrüchen, post-rockigen Soundscapes und flirrenden Shoegaze-Gitarren, dass sich TTS nur schwer auf den Punkt genau beschreiben lassen (wollen). Das weckt natürlich Erinnerungen und lässt die Band unfreiwillig ganz oben auf jener "Welle" zwischen Touché Amoré, La Dispute und Pianos Become the Teeth surfen. Und auch, wenn dieser Bewegung mittlerweile ein fader (Hipster-)Beigeschmack inne wohnt, so lässt sich mit ihr nunmal am deutlichsten der Rahmen abzeichnen, in dem TTS stilsicher, selbstbewusst und stets unberechenbar hin und her, auf und ab springen. Mit "Vorstellungskraft" ist ihnen aber nicht nur ein würdiger Nachfolger gelungen. Es zeigt auch, dass TTS zu einer Band von internationalem Format gereift ist und die sich trotz aller Vergleiche mit einem eigenständigen Sound integriert hat.

"Vorstellungskraft" gibt's als Digipak-CD und auf weiß-blau-marmorierten Vinyl über das Münsteraner Label This Charming Man oder als limitiertes Tape (100 St.) in hand-besiebdruckter Pappe über Fear of Heights Records.

Stream & Buy Digitally "Vorstellungskraft"

Buy Here, Here & Here

Jahres-Sampler