Mittwoch, Mai 25

Platte des Monats 05/2016: 勢い (Ikioi) - S/T EP



Band: 勢い (Ikioi)

Titel/Release: 勢い/EP (CDr in white or black Gatefoldsleeve)

Label: DIY

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Post-Rock, Indie, Post-Hardcore, Experimental

FFO: Horse Drift, mentizid, BÄNGKS

Links: Bandpage\\//Facebook\\//Last.fm

Kurzinfo:

Es gab eine Zeit, in der das Klavier als Stimmungsmacher im Rock gar nicht wegzudenken war, selbst bei den RIO-Vertretern, wenngleich es dort eine weitaus progressivere Auslegung erfuhr. Heutzutage macht sich wohl kaum noch jemand die Mühe dieses Klimperinstrument zu erlernen, um anschließend einer im Rockbereich angesiedelten Band beizutreten (Cover-Kapellen mal außen vor). Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass vor allem Hierzulande die Auswahl relativ dünn ausfallen dürfte. Dabei lassen sich doch Emotionen wohl kaum schöner, trauriger, schauriger oder frivoler ausdrücken, als mit dem Klavier. Wer weiß, vielleicht ist das ja auch der Grund seines verpönten Stellenwertes...
Ein einsamer Wegbeschreiter ist Hauke Henkel, der bereits seit vielen Jahren immer mal wieder mit seinem Klavier unterwegs ist. Und genauso wie sein Trommel-Engagement bei den ehemaligen Manku Kapak, könnte sein reges Solo-Treiben in diesem Jahr ein jähes Ende nehmen. Stattdessen hat er sich in der jüngeren Vergangenheit gleich zwei neuen Bandprojekten gewidmet, die sich grob im Umfeld des eigenen Labels mum says;be pollite rec. bewegen. Zum Einen wäre da fljora, ein wahrlich düsteres Stück Post-Hardcore-Punk mit morbider E-Piano-Untermalung. Zum Anderen eben 勢い, - sprich Ikiora, bedeutet "Schwung" - , die den Post-Hardcore allerdings nur am Rande tangieren und das Klavier nicht nur gekonnt in Szene setzen, sondern gleich mal in den Mittelpunkt rücken. Bereits im atmosphärisch-epischen Opener "Produkt Productions Inc." ihrer selbstbetitelten Debüt-EP zieht das Klavier, mangt der stoischen Gitarre und dem immer wieder nervös anlaufendem Schlagzeug, mit eingängigen, sich ständig wiederholenden Melodien einen langen Spannungsbogen auf und den Hörer fast paralysierend in seinen Bann, mit der Gewissheit, dass dieser Spannungsbogen irgendwann reißen wird. Sieben Minuten wiegt uns das Quartett in trügerischer Stille, bis schließlich alles über einen hereinbricht, die Finger über die Tasten fegen und mit Unterstützung des Basses eine Soundwand errichten. Fast schon frivol, mit etwas Härte und reichlich Post-Punk-Spirit im Rücken, kracht plötzlich der zweite Song "Apollo Nölf" dazwischen. Vielleicht ist es ja auch als Kontrast zum folgenden "Bitter Lemming" gedacht, dass mit der Wucht des Post-Metals für einige Momente des Songs jedweilige Harmonie unter sich begräbt. Aber auch hier überbrückt das Klavier nicht nur wieder mit einer träumerischen Wohlfühl-Melodie, sondern gönnt sich mittendrin noch eine kleine, jazzige Verschnaufpause, was wiederum gut zur Überleitung zu "Kosmopilot" passt. Ein Stück, das mit seiner klassischen Untermalung und dem provoziert-dilettantischen Sprechgesang auch gut auf die Theaterbühne Platz nehmen könnte, zwischen Kabarett und bitter-böser Satire.
Das Spiel könnte ich jetzt noch auf die folgenden drei Songs herunterbrechen, sie penibel sezieren und versteckte Details entlarven, was den Rahmen eines Kurzreviews aber sicherlich sprengen würde. "勢い" hat es ohnehin verdient, dass jeder Hörer dazu seine eigenen Gedanken entwickelt, was sowohl die Instrumentierung betrifft, als auch die größtenteils sinnbildlichen Lyrics. Ich nenne es mal anspruchsvolle Experimentalmusik, die mit Hilfe der Post-Moderne den Zugang etwas erleichtern will. Dem kann mensch sicherlich auch skeptisch gegenüber treten. Muss mensch aber nicht...

Song Teaser



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