Dienstag, Oktober 31

Indie Boy - Back To Mars EP



Bevor ich hier all zu sehr in die Irre führe: die drei Songs + die zwei Remixe auf "Back to Mars" stehen zwar auf dem Banner von Indie Boy, wurden aber noch unter dem Alter Ego Project Mojo produziert und veröffentlicht, ehe dann Mitte 2016 die Umbenennung erfolgte.
Dabei konnte das ehemalige Trio zumindest auf eine beachtliche Statistik zurückblicken: Sieger der Bandconteste "VS MUSIC 2015" und "Rampe 2016", kleine Deutschlandtour und Debüt-CD. Nicht schlecht für eine Selfmade-Band, deren Musik nirgends aneckt, niemanden wehtut und - und das muss man wohl so sagen -, mindestens genauso niedlich klingt, wie ihr Bandname. Letztendlich waren es die räumliche Distanz und wechselnde Ansichten, die unweigerlich zum Ende von Project Mojo führten. Gitarrist Darius Lohmüller hatte nach seinem Weggang endlich die Zeit gefunden mit seinen Deadnotes (auschecken!!!) deren überfälliges Debüt-Album fertigzustellen, Schlagzeuger Robin Birmele konnte sich so wieder voll und ganz auf seine Lehrtätigkeit in der Musikbox konzentrieren und Jonathan Rietsche machte eben als Indie Boy weiter, das inzwischen auch schon wieder auf ein Live-Quartett angewachsen ist. Rietsche (irgendwie erinnert der mich an Jonathan Brandis, liegt aber vllt. bloß am selben Vornamen) bleibt also der Dreh- und Angelpunkt der Band. Und welch tiefgründige Gedanken er hinter seiner scheinbaren "Kleine-Mädchen-Musik" (Quelle: Hier) versteckt hält, könnt ihr im Press Kit der Band nachlesen.
Auch wenn sich die Rahmenbedingungen kaum geändert haben, klingen die Indie Boy-Songs (einige sind auf Soundcloud zu finden, ansonsten auf den gängigen Stream- und DL-Portalen) tatsächlich etwas weitläufiger, wenngleich sich das alles immer noch im großen Indie-Universum mit großem POP-Suffix abspielt. Das muss ja nicht jeden/jeder gefallen, sondern nur Den-/Diejenigen Spaß machen, die sich an unkomplizierter und sommer-leichter Gute-Laune-Musik erfreuen können.
Wer seine Songs als "Kleine-Mädchen-Musik" abstempelt, sollte sich ohnehin lieber hinterfragen, wie er/sie auf Indie Boy gestoßen ist.




Band: Indie Boy

Titel/Release: Back To Mars/EP (Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2015

Genre: Indie, Indie-Pop

FFO: Von Wegen Lisbeth, Two Door Cinema Club, Hey Dog Dog, Kakkmaddafakka

Links: Bandpage\\//Facebook\\//Bandcamp\\//Soundcloud\\//Instagram\\//Youtube

DL "Back To Mars"

Buy Indie Boy CD via PM on Facebook or Mail to: infoboyofficial@gmail.com


Samstag, Oktober 28

Todlowski - Todlowski #2



Einmal Screamo, immer Screamo? Wie auch schon mit ihrem nebenher laufenden Projekt Lost Boys (gemeinsam mit Masada-Gitarrist Julian), bewegen sich die Nürnberger Jungs Nico und Oli mit ihrem Zwei-Mann-Projekt Todlowski im weitläufigeren Screamo-Spektrum, mit dessen zweiter EP sie sich nun wieder ein Stück weit ihrer ehemaligen und viel zu sehr unterschätzten Band Lilith annähern.

>>>"...doch die Welt steht mir offen wie ein Arschloch."<<<

Die Mixtur der Band ist sicherlich nicht neu, noch nicht einmal einzigartig für den hiesigen Untergrund. Und dennoch lässt sich mit jeder Schreitirade die leidenschaftliche Wut des Duos heraus hören. Wie schon auf dem 2016er Debüt, halten Todlowski dem spieß- und wutbürgerlichen Kleingeist den Spiegel vor's Gesicht und lassen ihn mit viel Ironie und Zynismus, aber auch der geballten Faust in tausend Teile zerspringen. Nicht weniger treffsicher sind die schrammeligen, teils mathig umher springenden und fast schon Indie-esquen Gitarren, die sich im Vergleich zum Vorgänger auch die eine oder andere jazzige Plänkelpause gönnen.
Erschien ihre selbstbetitelte Debüt-EP noch in einer kleinen Auflage an selbst-produzierten Tapes (in Cloth Bag mit A4-Lyrics-Poster), gibt's "Todlowski #2" bislang nur digital. Aber vielleicht kommt da ja noch was Physikalisches nach.

 


Band: Todlowski

Titel/Release: Todlowski #/EP (Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Screamo, Punk, Experimental

FFO: Lilith, Calling Gina Clark, Rêche

Links: Facebook\\//Bandcamp\\//Last.fm

DL"Todlowski #2"


Mittwoch, Oktober 25

Platte des Monats 10/2017: Wind In His Hair - Earthwrecker EP



Band: Wind In His Hair

Titel/Release: Earthwrecker/EP (100x Grey w/ White/Black Splatter Vinyl, 150 Black Vinyl, 250x White w/ Grey Splatter Vinyl, Digital)

Label: Alerta Antifascista, Surpreme Chaos Records, Resist Rewild Records, Replenish Records

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Crust-Punk, Hardcore-Punk, Atmospheric Black Metal

FFO: Ruins, Thränenkind, Mind Plague

Links: Facebook\\//Last.fm



Kurzinfo:

Der Bandname einem fiktiven Charakter aus "Der mit dem Wolf tanzt" entliehen, Indianer-Cover, Texte über Stammeskulturen, Mutter Natur und der Erhalt dieser. Eigentlich ließen sich Band und Debüt-EP auch problemlos unter der Überschrift "Back to the roots" zusammenfassen. Eigentlich, denn ihre höchst eigenwillige Mischung aus Crust-Punk und atmosphärischen Black Metal besetzt in musikalischer Hinsicht eine vollkommen neue Nische. Die Berliner Band, die sich einige Mitglieder mit den nicht weniger a-puristischen Post-Metallern King Apathy (= ehemals Thränenkind) teilt, nennt das selbst Feral Crust Punk. Und auch das trifft es. Dabei beginnt die EP "Earthwrecker" mit einem nachdenklich stimmenden Storytelling-Intro, das die fortan düstere Grundstimmung schonmal hervorragend einzuläuten vermag. Bereits mit dem folgenden "Sequoia" wird jedoch jeder Ansatz von Harmonie und Bedächtigkeit dem Erdboden gleich gemacht. Düster-schneidende Gitarren, Double-Bass-Attacken, mitreißende Melodien, fiese Growls und zerreißendes Geschreie - Wind In His Hair formen aus diesen Hauptzutaten eine fast schon süchtig machende Einheit, die trotz dieser wilden Überschneidungen kaum Ecken und Kanten übrig lassen, von der Crust- und AJZ Bielefeld-typischen, rauhen Produktion mal abgesehen. Und dann überrascht da auch noch diese cleane Metalcore-Gesangspassage à la Caliban in "Old Light", der einen/eine vollkommen ratlos und verunsichert stehen lässt.
Mit "Earthwrecker" haben Wind In His Hair in jedem Fall ein außergewöhnliches Werk geschaffen, das sich so ziemlich jeden musikalischen Vergleich entzieht, das fesselt, beunruhigt, verstört oder einfach bloß mitreißt. Mehr kann mensch von Musik nicht erwarten.

DL "Earthwrecker" Here & Here

Buy Here, Here, Here & Here

Sonntag, Oktober 22

Krautstomper - EP



Leute die Krautstomper hören, lesen wahrscheinlich eher die Babyblauen Seiten. Gut, jetzt sind sie eben im Tanzcafé gelandet, und musikalisch offenherzig wie wir nunmal sind, heißen wir sie hier herzlich willkommen.
Die drei befreundeten Musiker Adam, Dennis und Tim kennen sich schon eine ganze Weile. Klar, in der beheimateten brandenburgischen Einöde, wo die drei Jungs anfingen erste kleine Auftritte zu absolvieren, ist es wohl auch schwieriger, sich nicht über den Weg zu laufen.
Nach einem Demo folgte 2014 ihre "EP", abermals mit fünf Songs und knapp 24 Minuten Laufzeit. Doch was zumindest statistisch nach mathematischer Routine klingt, offenbart klangtechnisch so einige Veränderungen. "Embankment" ist vielleicht noch der einzig verbliebene Song, der nahtlos in das wild taktumherspringende und stellenweise wüste Demo integriert werden könnte. Die übrigen Songs breiten in ihren Längen von 2½ bis fast 7 Minuten einen fast schon psychedelischen Klangteppich aus, gewebt aus monotonen Loops und minimalistischen Effekten. "Potaten" mit seinen smooth-jazzigen Gitarrenzupfern und das sich progressiv-auftürmende "Oranje" stechen dabei sicherlich etwas heraus. Allerdings ist die "EP" nicht darauf ausgelegt, irgendwelche Höhepunkte auszumachen. Vielmehr bilden die fünf Songs ein atmosphärisches Gesamtkonstrukt, über dem auch immer ein Hauch von improvisierter Proberaumsession schwebt. Kein Wunder also, dass sich das mittlerweile in Berlin aufhältige Trio erst so richtig wohl fühlt, wenn sie sich die Bühne mit Prog-Rock- und RIO-Vertretern wie Medulla, Transpanda oder Alex's Hand teilen.
Anfang des Jahres konnte mensch die drei Musiker unter dem Namen Trio ton auch als musikalische Begleitung zum Theaterstück "Veits Tanz" erleben.



Band: Krautstomper

Titel/Release: EP/EP (CD, Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2014

Genre: Kraut, Instrumental, Progressive, Stoner, Psychedelic, Sludge

FFO: I Like Polish Beer, Rotor, Experimental Audio Damage & The Research Control Groop, Transpanda, Thursday Catharsis

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Stream & Buy "EP"



Donnerstag, Oktober 19

Huelse - Im Kreis gedreht und jetzt im Krieg LP



Kurzinfo:
Im Kreis gedreht... Die Platte startet mit Trauma, ein zunächst dystopisch erzähltes Werk über die Perfidität von Menschenmassen. Damit bringen Huelse auf exzessive Art und Weise nahe wohin die Reise mit diesem Album geht. Es folgt Horstgedanken, ein typisch post-punkiger und emotionaler Song, der gerne zwischen Melodie und Geschrei abwechselt und mit dieser musikalischen Untermalung direkt auf politische Themen zu sprechen kommt. Ähnlich ansprechend auch der Song mit Jochen Gäde von Keine Zähne im Maul aber La Paloma saufen, der irgendwie versucht Kritik am Sein zu üben. Musikalisch bewegt man sich dabei irgendwo zwischen Captain Planet und Krawehl. Passenderweise sind die beiden auch die Bands, mit denen die Jungs am Liebsten live auftreten. Bis zur Hälfte der Platte hören wir ein fantastisches Debutalbum. Und so experimentieren Huelse bereits nach 12 Minuten Spielzeit mit einem Wechsel zum melancholischen Gitarrenspiel, das allmählich an Tempo zunimmt und aus dem sich immer wieder Sprechpassagen, Gesänge und Schreiattacken winden. Das nimmt insbesondere im Schlusslied Kyrill noisige Züge an und klingt in heftigem Geschrammel aus. Der Tonarm hebt sich ...Krieg.



Band: Huelse

Titel/Release: Im Kreis gedreht und jetzt im Krieg LP

Label: Bakraufarfita Records

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Noise/Emo/Post?/Punk!

Links: Facebook\\//Bandcamp

Buy Im Kreis gedreht und jetzt im Krieg LP

Der Bandcamp-Hardcore Vol. 37


La Petite Mort/Little Death - Dear Reader...



Da fehlen mir doch fast die Worte. Schande über mein Haupt, dass ich diese Band erst mit der kürzlich erschienenen "4-Way-Split" für mich entdeckt habe. Was das Trio aus dem Hessischen Rodgau auf ihrem 2015er Debüt "Dear Reader..." abliefert, klingt schon ziemlich abgeklärt und viel mehr noch nach At the Drive-In oder On the Might of Princes, wenn es wüster zur Sache geht kommen vielleicht noch die Blood Brothers ins Spiel. In den eingängigeren und melodischeren (und davon gibt es so einige) Momenten, klingt die Band mit dem Doppelnamen gar nach Billy Talent, ohne dabei aber zu sehr auf provozierte Ohrwürmer drücken zu wollen. La Petite Mort/Little Death scheinen also kein Interesse daran zu haben, die Charts stürmen zu wollen. Das liegt zum Einen an ihrer härteren Gangart, Gefühle zum Ausdruck zu bringen und natürlich auch an den vielen Ecken, die dann vielleicht doch etwas zu extravagant für's herkömmliche Indie-Radio sind. Erinnert mich stark an die Darmstädter Boys von PSSGS, die kurioser Weise ja auch noch auf Label-Suche sind.

Die selbstgebastelten CD's sind mittlerweile alle vergriffen. In Zusammenarbeit mit Whole Records gab's ein offizielles Tape-Release in den Farben Silver Glitter (exkl. Show-Release, /25), Tourquise (exkl. Whole Records-Release, /25) und Blackberry Purple (reguläre Edition, /50).

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DL "Dear Reader..." Here & Here
 
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This Heals Nothing - To Die Upon The Hand I Love EP

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Ich kann es gar nicht oft genug schreiben: es ist schon unglaublich, was sich hier so alles im Untergrund tummelt. Genauso wie die über Jahre hinweg abliefernden Loose Suspense, haben auch die Bochumer von This Heals Nothing ein Debüt hingelegt, das sich vor der internationalen Riege der Melodic-Hardcore-Größen nicht zu verstecken braucht. Schon der Opener "Dear Brother" stürmt mit einprägsamer Hook voran, verbindet solides hartes Riffing mit melancholischen Gitarrenlinien und Geshoute mit cleanen Chören, weiß zur richtigen Zeit das Tempo auch mal zu drosseln bzw. wieder anzuziehen. Das ist vorbildlich aufgesagtes Hardcore-Alphabet, und damit vielleicht auch schon das Problem (falls es denn eines gibt): um dauerhaft aus der Masse hervorzustechen, fehlen dann doch einige Ecken und Kanten. Mir ist das relativ egal, solange die Band weiterhin so schmissige Nummern wie das abschließende "Porcelain" abliefert.

DL "To Die Upon The Hand I Love" EP


Scherbenschädel - Bleib dran

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Da meine Lieblings-Pennerviolencer BATTRA// nach erfolgreich abgeschlossenem Jura-Studium nun scheinbar einen Image-Wechsel anstreben und demnächst öfter als Oi.GVALT unterwegs sind, muss ich mich wohl so langsam nach einer passenden Sub-Genre-Alternative umschauen.
Da kommt mir doch das Saarländische Quartett Scherbenschädel gerade recht. Die Band mit Beteiligung aus der Trashcore-Institution L.S.D.A.P. versteht es ebenso wie die beiden Hallenser, ihren Powerviolence-Grind-Trash-Punk-Lärm mit einer äußerst räudigen Straßenköter-Attitüde zu verschnörkeln. Doch neben Hirnfickorgien wie in "Faschostaat" (was will mensch da schon großartig schönreden?!), "Pfefferspray" oder "Pausatz", gibt es mit "Münzmalle", "Stop vs. Vollgas" und "Der Grund steht" aber auch genügend Hardcore-Punk-Blaupausen, die dem wahnsinnigen Gekeife etwas den Wind aus den Segeln nehmen. Letztendlich zwar kein 100%-iger Ersatz, aber immerhin eine sympathische Alternative (#alternativefuerbattra).
Das zweite Band-Demo soll demnächst über das Saarländische Label LSD im Trinkwasser erscheinen, wo mensch auch eines der auf 14 Exemplare limitierten "Disco 2014-2016" Cartridges samt zahlreichem Bonusmaterial ergattern kann.

DL "Bleib dran" Demo

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Juvenalis - Stadtgespräche EP/Schattenspiel

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Dass die drei Lypurá-Boys eine musikalische Vergangenheit haben, hatten wir ja bereits in unserem Beitrag zu deren Debüt-Album "á" angesprochen. Da sich die Hardcore/Punk-Volumen hervorragend für kurze Retrospektiven eignen, wollen wir die Gegenwart mal eben verlassen und in die musikalische Vergangenheit von Bassist Basti und Schlagzeuger David huschen. Die führt uns geradewegs zu Juvenalis. Das ehemalige Karlsruher Sextett kündigte Ende 2011 zwar noch ein Album an, verschwand im Folgejahr aber fast vollständig von der Bildfläche, hinterließ stattdessen das Debüt-Minialbum "Schattenspiel" und die EP "Stadtgespräche" zum kostenlosen Download auf Bandcamp. 
Vielleicht liegt diese kurze Lebensdauer ja in der Natur solcher experimentellen und trotzdem stringenten Screamo-Combos. Auf der einen Seite kammerspielartige, stoische Soundscapes und auf der anderen wüste, fast orkanartige Rifferuptionen, aus deren Mitte sich aber auch immer wieder melodische Frgamente nach oben schieben. Erinnert mich ein wenig an Malve, die glaube ich auch nicht all zu lang praktizierten.
Von beiden Releases gab es geringe und selbstgebastelte CD-Auflagen. Die EP scheint ausverkauft. Ob vom Minialbum noch welche verfügbar sind, könnt ihr per Mail (juvenalis@gmx.net) oder lieber gleich bei Lypurá hinterfragen.

DL "Stadtgespräche EP"


It All Takes Place - It All Takes Place EP

Myspace\\//Last.fm
Auch Lypurá-Gitarrist Dani kann mit seinem ehemaligen Projekt It All Takes Place auf einen verflossenen Screamo-Geheimtipp zurückblicken. Das ehemalige Giengener Trio spielte einen Mix aus Emotive Hardcore, Post-Hardcore und 90er-Jahre beeinflussten Screamo, was so gelesen vielleicht etwas beliebig klingt und deshalb auch der Grund sein könnte, warum derartige Genre-Grenzgänger einen schweren Stand hatten und haben. Letztendlich brachte es die Gruppe auf eine selbstbetitelte EP, die scheinbar auch als selbstveröffentlichte Tape- oder CD-Variante erschien. Die darauf enthaltenen sieben Songs sind für die sprunghaften wie dynamischen Strukturen recht kurz gehalten und könnten Fans von Kurhaus und The Dillinger Escape Plan gleichermaßen beglücken.

P.S.: Schön, dass derartige und rare Releases noch auf Bandcamp zu finden sind. Also, lieber schnell downloaden und horten, bevor Bandcamp vielleicht irgendwann mal dicht macht :).

DL "It All Takes Place" EP


KŸHL - Drittweltstrauma

Bandcamp\\//Bandcamp II\\//Last.fm
Punk muss nicht immer geradlinig sein, schon gar nicht leicht verdaulich. Klar, wissen wir. Punk muss wehtun! Das wissen auch KŸHL aus Dresden, vielleicht sogar besser als manch andere Szene-Band. Die sächsische Band schafft es auch mit ihrem zweiten Release "Drittweltstrauma" die Synapsen des/der Hörers/Hörerin zum Explodieren zu bringen, indem sie auf ihrer Basis aus 90er Skramz mit wilden wie plänkelnden Jazzfrickeleien und Mathcore-typischen Wahnsinnsgekeife ("Leben bewegt") herum experimentieren. Klar, das ist für Hartgesottene, die dem Einheitsbrei mal etwas entfliehen wollen. Und unter all dem Gefrickel, Geplänkel und Geschreie, drohen die fast schon poetischen wie direkten Texte leider etwas unter zu gehen. Also: auch wenn "Drittweltstrauma" wohl auf keiner Anti-Pegida-Demo laufen wird, sollten Songs wie "Leben bewegt" und "Singen, tanzen, lieben" wenigstens über Meyer Sound-Anlagen der braunen Nachbarschaft um die Ohren geschlagen werden.

Nach der bereits vergriffenen Tape-Auflage über Mustard Mustache (56x green Pro-Tapes), erschien etwas später eine auf 300 Stück limitierte, grüne Vinyl-Variante über neun internationale Labels, darunter auch unsere Dingleberry und Tanz auf Ruinen.

DL "Drittweltstrauma" Here, Here & Here

BUY Here, Here, Here, Here, Here & Here


Rävgryt - Rävgryt EP

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Räv...was? Also das artverwandteste Wort, das mir spontan einfällt, ist der skandinavische Vorname Trygven. Zwar nicht ganz, aber immerhin schonmal die richtige geographische Ecke. Rävgryt kommt nämlich aus dem Schwedischen und bedeutet Fuchsbau. Die Band Rävgryt dagegen kommt aus Koblenz und setzt sich zu 3/5tel aus ehemaligen Enemy.Mine und ehemaligen Times New Romance zusammen.
2014 in dieser Konstellation zusammen gefunden, gaben die fünf Rheinland-Pfälzer im letzten Jahr ein erstes musikalisches Lebenszeichen von sich, das passender Weise im Fuchsbau Lahnstein aufgenommen wurde, allerdings noch recht roh daher kam. Wesentlich abgerundeter klingt da schon ihr selbstbetitelter Zweitling. Das kommt vor allem den melodisch flirrenden Gitarren zu Gute, die als Pendant zum gleich gebliebenen old-schooligen Hardcore-Geshoute fungieren und somit zumindest den Wiedererkennungswert der Band etwas hochschrauben. Diese Kombination ist sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal, bietet aber immerhin eine weitere solide Alternative im Spannungsfeld Post- und Melodic Hardcore.

DL "Rävgryt" EP


The Prim - Demo 2016

Facebook\\//Soundcloud
Qualität erkennt man unter anderem an ihre Beständigkeit. Als ich ohne weitere Vorkenntnisse zu The Prim in deren Demo-Debüt reinhörte, war ich sofort geflasht vom routinierten wenngleich zerfahrenen Sound. Die Band aus Erfurt serviert uns einen besonders garstigen Mix aus Mathcore und Metalviolence (??), der vor allem Jünger der amerikanischen Chaoten-Szene um Truppen wie Das Oath, The Number Twelve Looks Like You oder The Chariot zu begeistern weiß.
Ein Blick hinter die Kulissen von The Prim bringt dann eine gemeinsame musikalische Vergangenheit mit Zann, Barren (waren mal eine unserer Platten des Monats im Jahr 2014) und Luciente (ehemals Failed Suicide Plan) zum Vorschein. Und so einfach es auch klingen mag, in der Quintessenz dieser drei Bands ist der Sound von The Prim angesiedelt.

DL "Demo 2016"


Turtle Rage - Contemporary Problems

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Die Berliner Grindcore/Powerviolence/Trash-Punk-Institution Turtle Rage bleibt ihrer Gangart treu und platziert auch auf ihrem fünften Release (von der Split mit Johnny hat Krätze mal abgesehen) zehn Songs, die innerhalb von acht Minuten über die Bühne gebracht werden und anschließend auf Tape erscheinen. Bis auf das fast schon verstörend harmonische und rockige Intro, hat sich nicht viel geändert. Kompromissloses Geknüppel und schnelle, punkige Melodien reichen sich die Hände, dazu orgastisches Gekeife und Gegrowle. Und bei all dem Wahnsinns-Tempo, lassen sich die Lyrics nicht mal ansatzweise erahnen. Höchstwahrscheinlich werden aber Themen wie Pizza, Skateboards, Eichhörnchen und Diarrhoe tangiert.

DL "Contemporary Problems"

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In der Kürze liegt die Würze



Nintendocore Lives

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Anders als wir hier bei Gerda, die irgendwie versuchen aus (fast) allen musikalischen Bereichen die Sahnestückchen herauszupicken -(:-), hat sich der Blog Nintendocore Lives auf ... naja, könnt ihr euch ja sicherlich denken. Seit der Blog-Inbetriebnahme in 2014 hat es die ehrenamtliche Gemeinschaft auf sieben größtenteils themenbezogene Sampler geschafft. Ein Highlight ist sicherlich auch der April 2016 zusammen geschusterte "Nintendocore Goes 80's" mit tollen 80er-Classic-Rock-Covern von Faith No More, Slayer oder Guns n' Roses
Neben diesen Samplern, von denen auch einige als limitierte CD-Versionen erschienen, bietet der Blog natürlich auch Verweise auf offizielle Szene-Releases.

DL "Smash 64" Sampler

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Endmonster

Bandpage\\//Bandcamp
Endmonster waren eigentlich so um die Jahrtausendwende aktiv, als auch ihr Debüt-Album "Level 1 | Level 2" entstand, wohlgemerkt ein Jahr bevor Antitainment so langsam die Runde machten, die später ja als DER deutsche Nintendocore-Act schlechthin gehandelt wurden. Aber das nur am Rande. Und wenn mensch es genau will, geht der c-64-Electro-Hardcore-Post-Punk der ehemaligen Kieler Band auch in eine etwas anderen Richtung.
Nach ihrem Debüt war releasetechnisch erstmal eine Weile Ruhe. Die Songs ihrer Folge-EP "Level 3 | Level 4" wurden zwar schon 2002 aufgenommen, allerdings erst im Jahr 2009 abgemischt und gemastert und schlussendlich auch auf CD gebannt. Nicht all zu sehr verwunderlich, hatte doch Bandkopf und Tüftler Ulf Schütte mit seinem ehemaligen Label Tape Tektoniks und zig Bandprojekten (u. A. Phantom Horse, Little Whirls, Datashock) schließlich anderswo alle Hände voll zu tun.






SchreiKrachBumm

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Und weil's so schön war, noch einen Electro-Punk-Vertreter hinterher, diesmal allerdings aus der 8-bit-Ecke. Und wie es der Name bereits vermuten lässt, nimmt das ehemalige Trio aus Vechta ihre Musik und die der anderen eben nicht allzu ernst. Auf ihrer 2013er Cover-EP "Bravohit 69", auf der sie unter Anderem Songs von David Guetta, Muse und Lady Gaga durch den 8-bit-Prozessor  ziehen, wirkt das Ganze sogar noch etwas überspitzter, als es ohnehin schon auf ihren regulären Releases der Fall ist. FFO: Ursus.
Ende 2015 gab die Band ihr offizielles Aus bekannt. In Folge-Projekten wie Grünlich Grau und Krachwalze leben die Beteiligten ihr Faible für experimentelle Spaßmusik weiter aus.

 

Montag, Oktober 16

Laserboys vs. Lord Fleyschzahn (Super Secret Super Special Japan Edition)



Vorhang auf für das wohl verrückteste Album des letzten Jahrzehntes. Und es kommt aus Deutschland. Hinter Laserboys verbergen sich bekannte Gesichter aus Gruppen wie An Early Cascade, No End In Sight, Fear The Skyline und Start A Fire. Allesamt also keine Grünschnäbel mehr, was dem Album auch durchaus anzuhören ist, da richtig fett produziert. Dennoch ist "Laserboys vs. Lord Fleyschzahn" das wohl Abgedrehteste, was mir seit Fantomas' letzten Album "Suspended Animation" unter die Ohren gekommen ist. Irgendwie könnte es sogar als eine epische Fortsetzung zu diesem durchgehen. Dazu diese sterilen Ganzkörperanzüge á la Locust oder Barberos. Die Laserboys wissen also ganz genau, was sie da machen und welche Wirkung sie erzielen. Bleibt nur die Frage: haben das diese gestandenen Musiker wirklich nötig? Nötig nicht, aber es scheint ihnen Spaß zu machen, wie sie es des Öfteren auch in ihren Youtube-Videos zum Besten geben. Und wenn man dem Ganzen nicht all zu verbittert gegenüber steht, kann auch uns dieses Album richtig viel Freude bereiten. Puristische Radiohörer werden ohnehin wohl kaum Kenntnis von diesen Jungs hier nehmen.
Bei 25 (!!) Songs, die 2015er "Super Secret Super Special Japan Edition" enthält zum ursprünglich 2011 erschienenen Album neun unveröffentlichte Bonussongs, und dem wilden Genre-Gehopse, dürfte auch so ziemlich für jeden verqueren Musikgeschmack etwas abfallen. Elektronische Genres wie Eurodance, Trance und Kirmes-Techno verschmelzen mit Hardcore-Hybriden wie Cybergrind und Metalcore verschmelzen mit Dada, Irrwitz, Slapstick und ganz viel Atzenpower. Das liest sich dann genauso willkürlich und spontan, wie es letztendlich auch klingt. Zwischendurch gibt's mit "Club Morbid" und "Eurolazer 3000" noch eine Rammstein- und DJ Bobo-Persiflage, mit "Fußball, Fußball! (Wir spielen Fußball!)" immerhin die bessere Variante zu Kevin Kuranyi's "Auf uns" und gelegentliche Saxophon-Eskapaden.
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass einige diesen wirren Galopp nicht lange durchhalten werden. Auch ich hätte mir an einigen Stellen etwas mehr "Geradlinigkeit" gewünscht, da einige tolle Melodien dann doch etwas zu abrupt enden oder die Richtung wechseln und stellenweise zu Collagen-artig zusammengewürfelt klingen. Im Großen und Ganzen ist das hier aber schon ok.




Band: Laserboys

Titel/Release: Laserboys vs. Lord Fleyschzahn/Album (CD in Comic Book, Digital)

Label: Abficker Records

Erscheinungsjahr: 2015

Genre: Electro, Metal, Hardcore, Trash, Experimental

FFO: Barberos, SchreiKrachBumm, Polka Polka, Krachwalze

Links: Bandpage\\//Facebook\\//Soundcloud\\//Myspace\\//Youtube

Stream & Buy Digitally "Laserboys vs. Lord Fleyschzahn"

Buy Comic + CD Here


 

Freitag, Oktober 13

Björn Peng - Nihilist Tunes EP



Kurzinfo:
›› Ich greife nicht zu sehr vor, wenn ich die Themen der EP grob mit Hoffnungslosigkeit, Gewalt, Depression, falschem Glaube umreiße. Der einzige Lichtblick, den ich musikalisch gesetzt habe, sind die Melodien, die Tunes. Unterm Strich bleiben es aber Nihilist Tunes. ‹‹ - (Björn Peng im Interview mit fudder.de)

Es braucht schon einen Kopf mit Peng um schwierige Themen in den Techno zu stecken. Wenn man ihn hat, entstehen sechs düstere Songs, die nicht nur den Sinn von Werten sondern auch den von Instrumenten völlig auseinander nehmen. Drums und Bässe knallen während Gitarrenriffs und Kettensägen des Geschrei über den Trübsinn der Welt unterstreichen. Hier führen Hardcore-Techno und Hardcore-Punk den Kampf des Stärkeren. Da Punk und Techno genau so viel verbindet wie auch voneinander differenziert, ist das entweder ein sehr spannender Genre-Mix oder ein perfektes musikalisch inszeniertes Untergangs-Szenario. Kurzum: Genau das Richtige für Deutschland. Chapeau Björn Peng!

Das Geböll kann man sich auf ›Bandcamp‹ für schlappe 10€ auf CD oder Tape gönnen.


Band: Björn Peng

Titel/Release: Nihilist Tunes

Label: Nakam Records

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: EBM/Electro/Techno/Hardcore/Rave/Punk

Links: Bandcamp\\//Facebook

Stream & Buy Nihilist Tunes EP

KR1M1 - Neue Aufnahmesession



"Neue Aufnahmesession"..., ich hoffe ihr wisst so langsam um Gerdas Aktualitätsbewusstsein. KR1M1 oder auch einfach bloß Krimi hatten sich mit neuem Gitarrist-Shouter - aufmerksame Leser wissen nämlich noch, dass der alte Sänger zu den Modern Saints übergelaufen ist - seit Ende 2015 wieder ins Studio verkrochen und in einer Aufnahmesession vier neue Songs eingehämmert. Ob diese eine eigene EP bilden sollen oder als Anheizer für's Debüt-Album gedacht sind, verrieten die vier Bielefelder bislang nicht. Eigentlich war geplant die Songs auf Tape zu veröffentlichen, doch wie schon mit ihrem Erstling "Ihr Müsst Ja Damit Leben", scheint sich das Interesse der Labels bis heute in Grenzen zu halten. Warum? So kacke sind die doch nicht! Ich jedenfalls bin froh, einer von hundert Glückspilzen zu sein, der ein Exemplar der wunderbar aufgemachten Debüt-12" sein Eigen nennen kann. Und wenn es nach mir ginge, könnten die vier "neuen" Bandcamp-Songs gleich daneben ihren Platz im Plattenschrank einnehmen.
Mit "Alltag" stampft die sich neudefinierte Band bedrohlich und wütend Richtung Blackened Hardcore und lässt damit kein Grashalm mehr stehen. Die aufgeregten, einleitenden Beckenschläge in "Stadt" und die anschließend einsetzende, treibende Rhythmussektion scheinen die Band wieder etwas in Richtung Hardcore-Punk zu lotsen. Doch dann kommen KR1M1 urplötzlich und fast schon selbstverständlich mit der derbe groovenden Rocknummer "Mayhem" um die Ecke, die die Überzeugung von meinem Musikverständnis komplett umkrempelt. Die sind keinesfalls kacke, die sind sogar richtig gut und vielleicht sogar noch ein Stückchen besser als auf ihrem Debüt. Nach so einem Song musst du als Band erstmal einen Lückenfüller platzieren, um die Erwartungshaltung wieder etwas zu drosseln. Aber auch der vierte und letzte Song "Nacht" enttäuscht nicht, auch wenn sich dieser wieder etwas mehr im kantigen Post-Hardcore wiederfindet.
Großartige Fortsetzung. Hoffentlich nicht ihre letzte.


Band: KR1M1

Titel/Release: TBA/EP (Digital, Physikalisches Release in Planung)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Melodic Hardcore, Punk, Post-Hardcore, Blackened Hardcore, Crust

FFO: More Than Life, Defeater, Ruins, Start A Fire

Links: Facebook\\//Soundcloud



DL Songs "Alltag" & "Stadt" & "Mayhem" & "Nacht"


Dienstag, Oktober 10

Frau Duffner - Oh Moon...EP



Er: Schon mal was von Frau Duffner gehört?
Ich: Ja, stehn auch schon 'ne ganze Weile auf meinem Review-Zettel. Konnte ich mich aber bislang noch nicht durchringen.
Er: Sind gut, oder? Machen TripHop.
Ich: Naja, TripHop ist nicht so meine Sparte. Aber die klingen ja auch eher avantgardistisch, noise-rockig. Ziemlich krass, weiß ich gar nicht, was ich zu schreiben soll.
Er so: Also wenn du uns zur Platte des Monats machen kannst, schaffst du es bestimmt auch über diese großartige Band ein paar Worte zu verlieren!
Ich so: .................

Bam! Ich will an dieser Stelle mal nicht verraten, welches Bandmitglied mich da ziemlich kalt erwischt hat. Im Endeffekt hatte er aber recht. Die avantgardistische Musik der Berliner "Minimal Tripcore"-Band Frau Duffner wächst von Mal zu Mal und bringt so mit jedem Hördurchlauf mehr bislang unentdeckte Details zum Vorschein. Die zwar relativ kurz gehaltenen aber durchaus mäandernden Songs eignen sich keineswegs für den entspannten Lauschangriff zwischendurch. Die sieben Songs ihrer Debüt-EP "Oh Moon..." ziehen sich insgesamt durch eine düstere Grundstimmung, die gelegentlich durch ein paar aufgeregte Akkordanschläge oder Schreiattacken aufgelockert wird. Doch derartige Abwechslung bedeutet beim Hauptstadt-Quartett keinesfalls mehr Erleuchtung. Im Gegenteil. "The Others" mag zwar einer der eingängigsten Songs der EP sein, zieht mit seiner bedrohlich-verstörenden Hook aber ebenso in den düsteren Abgrund hinab, wie das sich manisch steigernde "Ardofus".
Ich bleibe dabei. Die Songs ihrer Debüt-EP sind nur schwer greifbar. Frau Duffner kreieren abstrakte Songskelette, die sich sicher hervorragend für mansiche Kammerspielchen oder als Soundtrack für Lynch's Psycho-Dramen eignen würden, die viel Interpretationsspielraum zur Verfügung stellen. Und würde da nicht immer wieder diese gefühlvolle Stimme von Frontfrau Mika auftauchen, die dann trotz aller extremen und ekstasischen Ausbrüche irgendwie wie ein weißes rettendes Laken (oder eben ein gelber Drehhocker) wirkt, ich hätte wahrscheinlich immer noch keinen Satz über "Oh Moon..." niedergeschrieben.


Band: Frau Duffner

Titel/Release: Oh Moon.../EP (CDr, Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2015

Genre: TripHop, Avantgarde, Experimental, Minima, Hardcore, Noise

FFO: Ulver, Vlimmer, Dmonstrations, Melt Banana

Links: Facebook\\//Last.fm



DL "Oh Moon..."

Buy selfmade CDr via PM on Facebook or Mail to: frauduffner@gmx.de



Samstag, Oktober 7

REIGN - Vastatia



Na, kommt jemanden der Bandname REIGN noch irgendwie bekannt vor? Nein? Die französische Band thronte mit ihrer Debüt-EP als erster Vetreter auf unserer im Februar 2014 eingeführten Rubrik "Platte des Monats". Mensch, ist das schon lange her. Seither war es auch um die Band selbst recht ruhig geworden, da sich die Mitglieder anderen Musikprojekten wie Le Dead Projet, Keep On Living oder Valve zuwendeten oder sich in anderen Bereichen (Francis Passini Artworks) ausprobierten. Nun also, fast drei Jahre nach dem Release von "Subtle Bodies", legt die Band mit ihrem ersten Album ihr zweites Werk nach. Wieder ausschließlich digital, denn offensichtlich hat sich in der Zwischenzeit noch immer kein Label dazu berufen gefühlt, REIGN unter ihre Fittiche zu nehmen, was im freigeistlichen und gut organisierten französischen Underground etwas verwunderlich ist. Nun gut. "Vastatia" lautet der Titel des Albums, mit dem ich erstmal nur einen WoW-Charakter in Verbindung bringen kann. So simpel gestrickt sind REIGN dann aber doch nicht. Hangelt mensch sich an den Songtiteln und -Texten entlang, erschließt sich zumindest ein grob-konturiges interstellares Konzept, das die Band mit ihrem fließend-progressiven Sound abermals musikalisch souverän in Szene setzt. Wenngleich die Band ihrem Stil weitgehendst treu geblieben ist, hat sich auf "Vastatia" doch so Eingiges getan. Das Album lebt vor allem durch den atmosphärischen Zusammenhalt der Songs. Wechselten die Songs des Vorgängers noch recht eruptiv und brachial ihre Richtungen, fließen die Übergänge auf "Vastatia" nun wesentlich homogener ineinander. Ob der Anteil an ambienten Songgeflechten wie in "Velvet" nun zugenommen und die sludgige Hardcore-Passgen wie in "The Fear Significant of Nothingness" proportional abgenommen haben, lässt sich so ohne Weiteres nicht ausmachen.
Heißt: auch "Vastatia" ist ein Konzept-Werk geworden, das vom/von der Hörer/in erarbeiten werden muss. Es ist eben nur wesentlich schonender für die Synapsen.


Band: REIGN

Titel/Release: Vastatia/Album (Digital)

Label: DIY/Bandcamp

Erscheinungsjahr: 2016

Genre: Alternative, Progressive, Metal, Doom, Hardcore

FFO: Gatherer, Tetrafusion, Kekal, Flesh Rodeo

Links: Facebook\\//Bandcamp\\//Soundcloud\\//Reverbnation\\//Youtube




Mittwoch, Oktober 4

Pool Rules - Demo



Auf der Suche nach potentiellen Konsumenten ihrer Musik, machen es Pool Rules ihrem Label gar nicht mal so leicht, zumindest was ihre nicht vorhandene Internetpräsenz angeht. Vielleicht auch deshalb sind noch so einige physikalische Exemplare ihres Demo-Debüts über Last Exit Music zu ergattern, die in fünfzig-facher Ausführung als schlicht bedruckte CDr im zehn-seitigem Hardcover-Buch mit Zeichnungen, Texten und Fotos daher kommt und nicht mal fünf Ocken kostet.
An der Musik selbst dürfte das spärliche Kaufverhalten jedenfalls nicht festgemacht werden, denn was die beiden Saarländer hier abliefern, klingt so herrlich angenehm und unangepasst aus der heutigen Zeit gefallen, dass mensch sich dazu am liebsten die hell-blauen Fetzen-Jeans, sandbeschmutzten Feinripp- und offen getragenen Caro-Hemden rauskramen und sich postwendend auf's BMX schwingen möchte. Klar, dass funktioniert nach so langer Zeit nicht reibungslos und hat ein paar brennende und kratzende Schürfwunden zu Folge. Marco Korz (Gitarre, Gesang) und Daniel Meiser (Schlagzeug) gehen allerdings mit einer stoischen Versiertheit zu Werke, als ob sie die letzten zwei Jahrzehnte einfach mal verpennt hätten. Mit jedem weiteren knarzenden Akkordanschlag bröselt immer mehr staubtrockener Wüstensand von den Saiten ab, die Stimme schön rauh und kratzig. Und auch, wenn das Duo mit Pool Rules in eine vollkommen andere Richtung ausholt, thront über all dem die Melodieverliebtheit ihrer ehemaligen Bands Baby Lou und Fainding Faith.
Musik für ewig Junggebliebene und eine Alternative für Diejenigen, die sich ihr fortgeschrittenes Alter vehement nicht eingestehen wollen.


Band: Pool Rules

Titel/Release: Demo/EP (50x CD in handmade hardcover book, Digital)

Label: Last Exit Music

Erscheinungsjahr: 2017

Genre: Alternative, Punk, Indie

FFO: The Jesus Lizard, Knapsack, Piebald, Jawbreaker

Links: keine gefunden



DL "Demo"

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Sonntag, Oktober 1

Wiederhören: JEFF The Brotherhood - We Are The Champions



Allein des schlichten Covers und des noch schlechteren Albumtitels wegen, hätte ich wohl niemals in das dritte Studioalbum (lässt man die früheren Split-Tapes und CDr-Releases als JEFF mal außen vor) der Orrall-Gebrüder reingehört. Was wäre mir da entgangen! Oberflächlich betrachtet sicherlich nativer Psychedelic-Grunge, der seine musikalischen Wurzeln in den anfänglichen 90ern versteht und seine naturverbundene, mystisch-spirituelle Inspiration wohl noch wesentlich weiter zurück vergraben sieht. Nicht nur, dass die beiden Jungs aus Nashville, Tennessee auf "We Are The Champions" eine locker in der Hüfte sitzende Melodie nach der Anderen aus dem Ärmel schütteln. Songs wie "Bummer", "Wastoid Girl", "Stay Up Late", "Mellow Out" oder "Cool Out" könnten auch der spaß-bringenden Kreativfeder von Weezer oder Dinosaur Jr. entsprungen sein. JEFF The Brotherhood verstehen es auf "We Are The Champions" aber vielleicht besser als auf jedem anderen ihrer bisherigen sieben Alben (der Vorgänger "Heavy Days" kommt vielleicht noch heran), ihre treibenden Melodien in einer ungezwungenen und nostalgischen Atmosphäre einzubetten. Auch der orgelnde "Shredder", das 90er-Indie-liebäugelnde "Diamond Ways", das psychedelisch-verspulte "Endless Fire", das in Trance versetzende "Health and Strenght" und vor allem der grandiose Opener "Hey Friends", werfen einen/eine zurück in die Zeit, in der vieles einfacher, unbekümmerter und vor allem selbstverständlicher schien. So, müsste ich also alle Songs des Albums angesprochen haben...ach ja, "Ripper" ist auch noch drauf.

Und nur mal am Rande: die beiden (Jake Orrall, u. A. bei Breast Message, Skyblazer & Jamin Orrall, ehemals bei Be Your Own Pet, Denney And The Jets; beide leiten auch das Label Infinity Cat) machen das allein unter sich aus, zumeist lediglich mit Gitarre, Schlagzeug und Gesang.


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Jahres-Sampler